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CEO Jean-Frédéric Dufour ist unzimperlich daran, das Händlernetz umzuwälzen – für mehr Marge, Macht und Kontrolle.
Jean-Frédéric Dufour plant eine massive Umstrukturierung in der Distribution.
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Vergangene Woche haben wir den Branchenexperten Oliver Müller in unserem Monatsgespräch gefragt: «Rolex schliesst in Deutschland bis zu 40 Standorte. Haben Sie das erwartet?» Seine Antwort: «Natürlich.»
Müller, dessen Expertise jeweils in den jährlichen Report von Morgan Stanley zur Schweizer Uhrenindustrie einfliesst, sah bereits 2015 kommen, dass Rolex die Distribution früher oder später in die Hand nehmen würde, und hat das auch publiziert. «Ich habe dafür einiges einstecken müssen.» 2023 kaufte Rolex Bucherer.
Der Deal – der grösste Uhrenhersteller der Welt übernimmt den grössten Uhrenhändler der Welt – wurde wortmalerisch mit «Stärkung der Partnerschaft» kommuniziert. De facto war es ein Beschleuniger und Verstärker einer Dynamik, die Rolex-intern bereits angelaufen war: «Rolex hat in den letzten fünf Jahren das Händlernetz bereits um zirka 20 Prozent auf aktuell 1240 Verkaufsstellen reduziert», sagt Müller und rechnet damit, dass es mittelfristig «weniger als 1000 und langfristig maximal 800» sein würden. «Gut die Hälfte davon in Eigenregie.» Bis zur Bucherer-Übernahme besass Rolex genau ein Geschäft: den Laden in Genf.
Das Gute an der Machtübernahme in der Distribution für Rolex ist leicht nachzuvollziehen: 100 Prozent Margen und 100 Prozent Kontrolle. Das Schlechte daran für die Uhrenhändler, die zu Ex-Rolex-Partnern werden, liegt genauso auf der Hand: Eine Faustregel besagt, dass ein Uhrenhändler mit Rolex im Sortiment mindestens die Hälfte seines Umsatzes mit der Krone erwirtschaftet. Ohne Rolex verliert er den Grossteil seiner Einnahmen – und einen Kundenmagneten, was ihn auch für andere Luxusuhrenmarken weniger interessant macht.
Parallel zur Bucherer-Übernahme hat Rolex mit dem eigenen Certified-Pre-Owned-Programm (CPO) noch eine aggressive Schachfigur auf den Tisch gebracht: Das Programm dient der Regulierung des Gebrauchtmarktes, kontrolliert aktiv die Qualität – und die Preisgestaltung – und untergräbt das Geschäftsmodell vieler unabhängiger Gebrauchtuhrenhändler, für die Rolex ebenso bedeutsam ist wie für Händler im Primärmarkt.
Was Jean-Frédéric Dufour mit Rolex gerade in Deutschland vollführt (Flaggschiffe eröffnen und Rolex-Partner ausbooten) passt zu seiner Strategie und seinem Ehrgeiz. Über mindestens ein «Opfer» wird auch in Zürich gemunkelt: Beyer Chronometrie. Dort ist etwas an sich Undenkbares seit Jahrzehnten die Spezialität: Im Multimarkensortiment figurieren Rolex und Patek Philippe, für die normalerweise strikt ein Entweder-oder gilt. Das Sowohl-als-auch liegt in persönlichen Verbindungen der Familie Beyer zu beiden Uhrenherstellern begründet.
Im Frühling ist der Patron und Alleininhaber René Beyer verstorben. Noch ist nicht offiziell bekannt, wie es mit dem Traditionshaus weitergeht. Und das muss wohl noch eine Weile so bleiben, denn dem Vernehmen nach ist hinter den Kulissen ein hässlicher Streit über Beyers Erbe entflammt. Aber in der Szene wird geflüstert, dass Rolex auf dem Absprung und Patek Philippe an einer Übernahme interessiert sei. Zürich wäre dann nach Genf der zweite Patek-eigene Distributionskanal in der Schweiz, im Patek-Narrativ by the way nicht «Boutique» genannt, sondern «Salon».
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