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AT-1-Abschreibung der CS-Übernahme

Mutig gegen die Grossen: Wie ein St. Galler Richter den Finanzplatz erschüttert

Christian Winiger stellt sich gegen die staatlichen Behörden-Chefinnen Karin Keller-Sutter und Marlene Amstad – mit valablen ­Argumenten.

Dirk Schütz

<p>Der St. Galler Richter Christian Winiger stellt sich mit dem Verbot der AT-1-Abschreibungen frontal gegen Finma-Präsidentin Marlene Amstad und Finanzministerin Karin Keller-Sutter.</p>

Der St. Galler Richter Christian Winiger stellt sich mit dem Verbot der AT-1-Abschreibungen frontal gegen Finma-Präsidentin Marlene Amstad und Finanzministerin Karin Keller-Sutter.

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Die Finanzministerin bezog sich auf das Kleingedruckte. Sechs Tage nach der dramatischen Verkündung der CS-Übernahme durch die UBS gab Karin Keller-Sutter auf SRF ein langes Radiointerview. Dort bezog sie sich auch auf die Abschreibung von 13 sogenannten AT-1-Anleihen der CS in Höhe von 16,5 Milliarden Franken, den Schuldpapieren, die die Finma im Namen der Staatsmacht zur Schonung der Steuerzahler abgeschrieben hatte. «Im Kleingedruckten steht, dass das Geld abgeschrieben werden kann, wenn es zu einer staatlichen Unterstützung kommt – dieser Fall ist eingetreten.»

Der Rechtsprofi in ihrem Heimatkanton St. Gallen studierte das Kleingedruckte ebenfalls sehr genau – und kam zu einem anderen Schluss als die mächtige Magistratin. Christian Winiger, Sohn eines Anwalts aus Olten, zehn Jahre Gerichtsschreiber am Bundesgericht in Lausanne und seit sieben Jahren am Bundesverwaltungsgericht in St. Gallen als Richter tätig, war der diesjährigen Bundespräsidentin schon im Mai furchtlos entgegengetreten mit einem Entscheid, der so gar nicht seinem SP-Parteibuch entsprach: Er hatte den von Keller-Sutter nach dem CS-Aus verhängten Bonusstopp für die obersten drei CS-Führungsebenen für rechtswidrig erklärt.

Sein Richterspruch zu den Anleihenabschreibungen, begründet auf 78 Seiten feingliedriger, fast schon spannender Juristenprosa, hat deutlich gravierendere Folgen. Für die internationale Reputation ist er zwar förderlich. Die Schweizer Justiz ist unabhängig, diesen Beweis haben Winiger und seine vier Mitstreiter auf der Richterbank kraftvoll angetreten, und für die internationalen Finanzmärkte ist der Entscheid beruhigend: Es gilt als heiliger Grundsatz der Kapitalmarktwelt, dass Anleihengläubiger bei einem Konkursfall vor den Aktionären bedient werden. Die CS-Aktionäre hatten jedoch noch drei Milliarden für die marode Bank erhalten – die Vollabschreibung der AT-1-Anleihen, zumal bei reputativ hell leuchtenden Grossinvestoren wie den Staatsfonds von Singapur oder Katar, war da schon immer der grösste Makel der ansonsten weitgehend gelungenen CS-Auflösung.

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Dirk Schütz

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