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Über Breguet, Asien und die Hayek-Familie

Die Geschichte der Swatch Group, reloaded

Der Historiker Pierre-Yves Donzé legt sein Buch «Geschichte der Swatch Group» von 2012 neu auf – ergänzt um die Zeit von 2010 bis 2025.

Iris Kuhn Spogat

<p>Der Autor und Historiker Pierre-Yves Donzé beleuchtet unter anderem den Niedergang der Prestigemarke Breguet und die Probleme der Swatch Group in China.</p>

Der Autor und Historiker Pierre-Yves Donzé beleuchtet unter anderem den Niedergang der Prestigemarke Breguet und die Probleme der Swatch Group in China.

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Pierre-Yves Donzé, Professor für Wirtschaftsgeschichte an der Universität Osaka, hat das Schweizer Uhrschaffen in mehreren Werken thematisiert, darunter eine viel beachtete Historie über Rolex und eine umfassende Darstellung der Schweizer Uhrenindustrie. Im Jahr 2012 ist von ihm «Histoire du Swatch Group» erschienen, eine Analyse des Comebacks der Schweizer Uhrenwelt nach der Quarzkrise unter Nicolas G. Hayek. Dieses Buch hat er überarbeitet und um die Geschehnisse und Entwicklungen in der Zeit von 2010 bis 2025 ergänzt. 

Die Ergänzung in Kürze: Nach dem Tod von Nicolas G. Hayek im Jahr 2010 führte die Swatch Group die Wachstumsstrategie zunächst erfolgreich fort und erreichte mit einem Umsatz von 8,7 Milliarden Franken im Jahr 2014 ihren Höhepunkt. Dieser Erfolg beruhte auf den drei strategischen Säulen von Nicolas Hayek: der Vertikalisierung der Produktion, der breiten Präsenz von der Einstiegs- bis zur Luxusklasse und der starken Position im chinesischen Markt – eine Dynamik, die bald erlosch: Trotz rekordverdächtiger Exporte der gesamten Schweizer Uhrenindustrie geriet die Swatch Group ab Mitte der 2010er-Jahre in eine Phase der Stagnation, bei der die Umsätze sanken und die Profitabilität einbrach. Als eine Ursache eruiert Donzé die mangelnde Anpassung an die globale Entwicklung hin zu mehr Luxus. Während Marken wie Rolex ihre Vormachtstellung massiv ausbauten und Wettbewerber wie Patek Philippe und Audemars Piguet die Milliardenmarke überschritten, verlor die Swatch Group Terrain. 

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Viel Aufmerksamkeit schenkt Donzé der Entwicklung der Prestigemarke Breguet: Von Nicolas Hayek als Speerspitze im Luxussegment positioniert, übertraf Breguet 2010 mit 550 Millionen Franken Umsatz noch Wettbewerber wie Audemars Piguet und war mehr oder weniger gleich auf mit Patek Philippe. Ende 2024 erreichten die Breguet-Verkäufe noch geschätzte 165 Millionen Franken. Die Malaise ortet der Autor in erster Linie darin, dass das Marken-Narrativ, das Nicolas Hayek in der klassischen europäischen Kultur verankert hat, verloren gegangen ist.  

Ein anderer Schwerpunkt in Donzés Analyse ist China: Die Region, die 2013 38 Prozent des Gruppenumsatzes einspielte, entwickelte sich durch die Antikorruptionspolitik und geopolitische sowie ökonomische Krisen zu einer Schwachstelle. 

Über alles gesehen kommt der Wirtschaftshistoriker zum Schluss, dass die anhaltenden Schwierigkeiten der Swatch Group im Wesentlichen auf das Ausbleiben strategischer Kurskorrekturen zurückzuführen sind. Und dieses wiederum, so der Autor, auf die von der Hayek-Familie gestützte Governance, die eine tiefgreifende strategische Anpassung limitiert. Das Buch erscheint im Verlag Editions Alphil – vorerst nur auf Französisch.

<p>Buch zur Geschichte der Swatch Group</p>

Das Buch zur Geschichte der Swatch Group.

Alphil Verlag
<p>Buch zur Geschichte der Swatch Group</p>

Das Buch zur Geschichte der Swatch Group.

Alphil Verlag

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Im Vorfeld der Buchlancierung haben wir uns mit Pierre-Yves Donzé unterhalten, über das Buch, Breguet, China und über die Uhrenindustrie in Japan.  

Herr Donzé, wer hat Ihnen den Auftrag erteilt, noch ein Buch über die Swatch Group zu schreiben? 

Das war kein Auftrag, ich habe das aus purem Eigeninteresse gemacht. Ich könnte auch sagen, das ist mein Hobby. 

Mögen Sie Uhren?

Ja, und ich mag die Uhrenindustrie, sie ist eine spezielle Welt. Aber ich werde Ihnen jetzt nicht sagen, welche Uhr ich trage.

Warum nicht? 

Man soll daraus keine Schlüsse ziehen. 

Wie viele Uhren besitzen Sie denn?

Etwa 20. 

Dann sind Sie also ein Sammler. 

Als das würde ich mich nicht bezeichnen. Ich kaufe nur nach Gefühl, ohne System und ohne Strategie. Ich kaufe eine Uhr, wenn sie und ihre Geschichte mir gefallen. 

Ihr Stichwort: Im Kapitel zu den Jahren 2010 bis 2025 kommen Sie zum Schluss, dass genau in der Geschichte einiges schiefgelaufen ist und Breguet deshalb underperformt. Erzählen Sie!

Breguet macht auch heute noch hervorragende Uhren. Und wie ich in meinem Buch nachzeichne, hat die Marke in der ersten Phase unter dem Dach der Swatch Group sehr gut funktioniert. Aber ab 2010 ging es abwärts. Wenn man eine Uhr kauft, kauft man nicht nur das Produkt, sondern ein Universum. Nicolas Hayek hat das verstanden und die Marke als Spitze der klassischen europäischen Kultur positioniert. Nach seinem Tod wurde das verwässert. 

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Inwiefern?

Zwei Beispiele: Breguet sponserte eine Ausstellung von Wassily Kandinsky. Und unterstützte ein Projekt zur Rettung der Ozeane. Hat beides rein gar nichts mit der Marke zu tun. 

Nick Hayek hat inzwischen an einigen Stellschrauben gedreht und mit Gregory Kissling einen neuen CEO installiert. Ihr Kommentar?

Es geht in die richtige Richtung. Kissling war lange Jahre als Produktentwickler von Omega eine zentrale Figur. Bei Omega versteht man sich sehr gut darauf, ein Universum zu verkaufen. In meiner Wahrnehmung kehrt Kissling zurück zum Kern der Marke. 

Standen Sie für das Buch in Kontakt mit der Familie Hayek?

Nein.

Gab es eine Reaktion?

Nein. 

Worauf stützen Sie Ihre neuen Kapitel ab? 

Auf Daten aus den Geschäftsberichten und auf viele Analysen, darunter auch den Report von von Morgan Stanley und zwar wohlwissend, dass diese Daten nicht perfekt sind. Aber es sind die einzigen, die wir haben. 

Erwarten Sie eine Reaktion?

Mein Buch ist keine Polemik, sondern eine akademische Arbeit, und ich würde mich über einen Austausch freuen. 

Sie haben auch ein Buch über Rolex publiziert. Gab es von dort eine Reaktion?

Nein, aber das habe ich auch nicht erwartet. Es ist ja ein Teil des Erfolgs von Rolex, dass sie schweigen.

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Sie lehren in Japan. Das Land verfügt ebenfalls über eine bemerkenswerte Uhrenindustrie. Was ist der Unterschied zur Branche in der Schweiz? 

Das Ökosystem in Japan ist ganz anders. Es gibt drei grosse Gruppen: Seiko, Citizen und Casio und einige kleinere Marken, für Sammler. Dazwischen gibt es nichts. Die drei Gruppen sind komplett vertikalisiert. In der Schweiz sorgt das Ökosystem mit vielen Zulieferern, unabhängigen Marken und Designern für eine permanente Erneuerung. Die aktuell grosse Herausforderung in Japan ist es, nicht mehr einfach nur sehr gute Uhren zu produzieren, sondern den Produkten auch eine emotionale Komponente zu verleihen, weil das, wie eingangs erwähnt, sehr wichtig ist für den Erfolg einer Marke. Nur, dafür bräuchten die grossen Unternehmen Leute von aussen – und das steht im Widerspruch zur vorherrschenden Philosophie, dass alle alles selber machen. 

So schlecht läuft es nicht, Grand Seiko macht in Europa gerade Karriere.

Grand Seiko ist ausserhalb von Japan sehr erfolgreich. Aber das Image der Marke ist in Japan ganz anders. 

Nämlich?

In Japan ist Grand Seiko eine ältliche Marke für alte Männer und nicht begehrt. Wer 10’000 Franken hat für eine Uhr, kauft keine Grand Seiko, sondern eine Omega oder eine Cartier, weil diese Marken als cool gelten. Das belegt jeweils auch die Umfrage, die der Schweizer Uhrenverband in Tokio alle zwei Jahre durchführt. Die Bestverdienenden kaufen Marken wie Patek Philippe und Audemars Piguet und keine Grand Seiko. Falls sie sich eine Japanische zutun, ist es eine Seiko. Die Zeitmesser gelten als gut – und als für den Alltag absolut ausreichend. 

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Über die Autoren
Iris Kuhn Spogat

Iris Kuhn-Spogat

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