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Die Lieblingsaktie von Pensionskassen und Privatanlegern hat ihren Nimbus verloren. Bringt der neue CEO die Wende?
Nestlés neuer CEO Philipp Navratil muss die Dividende weiter erhöhen, um den Vertrauensverlust einzudämmen.
William GammutoWerbung
Das Nestlé-Hauptquartier funkelt über den Genfer See. «Wir sorgen für Wertschöpfung für unsere Aktionäre», versprechen Präsident Paul Bulcke und Konzernchef Mark Schneider im Brief an die Aktionärinnen und Aktionäre, von denen die Mehrheit in der Schweiz sitzen. Freude herrschte. Das war im Jahr 2022.
Drei Jahre später machen sich Wut und Ärger breit, bei Kleinanlegern in Bern und Basel, aber auch bei Pensionskassenverwaltern, Fondsmanagern und Investoren im Ausland. Der Aktienkurs ist seit dem Hoch im 2022 um fast 40 Prozent eingebrochen. Die Firma, stolzes Flaggschiff der Schweizer Wirtschaft, hat innert drei Jahren über 130 Milliarden Franken an Wert verloren. Ein historischer Einbruch. Solidität bis zur Langeweile – das war einmal.
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Klar, es gibt externe Faktoren, die auf den Kurs drücken. Die Unsicherheit in den Konsummärkten steigt, Zölle schaden einem Handelshaus, gerade beim Kaffee. Zudem hat die L’Oréal-Beteiligung – Nestlé hält 20 Prozent an der französischen Kosmetikfirma – massiv an Wert eingebüsst, in den letzten 16 Monaten um rund 15 Prozent. Das drückt die Aktie.
Aber es gibt auch internen Ballast: Der Umsatz schwächelt, die Margen schrumpfen, die Portfoliobereinigung dauert länger als erwartet. Dazu steht Nestlé-Chef Philipp Navratil vor einem Schuldenberg von 60 Milliarden Dollar; angewachsen über die letzten zwanzig Jahre. Diese Last, die Hunderte Millionen an Zinsen verschlingt, darf er nun Stück für Stück abtragen. Damit sinkt die Hoffnung auf ein nächstes Aktienrückkaufprogramm – in der Vergangenheit sorgten solche Programme für Stimmung unter den Aktionären. Analyst Jean-Philippe Bertschy, ein Kenner der Firma, erwartet mittelfristig – wohl zwei, drei Jahre – keine Kaufprogramme. Das scheint vernünftig.
Da bleibt als Lichtblick die Dividende. In dieser Disziplin brilliert der Nahrungsmittelriese aus der Romandie seit bald dreissig Jahren – zumal die Dividende kontinuierlich stieg, auf 3.05 Franken für dieses Jahr. Knausrig war man besonders in jüngster Zeit keineswegs. Da wurden innert drei Jahren 20 Milliarden Franken an die Aktionäre zurückgegeben, 7 bis 8 Milliarden im Jahr.
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Die Ambition des neuen CEO Philipp Navratil ist es zweifellos, die Dividende für 2026 mindestens auf dem Niveau von 3.05 Franken zu halten oder – noch besser – um 5 Rappen zu erhöhen. Daraus entstünden Mehrkosten von 131 Millionen Franken, die absolut drinliegen sollten.
Der neue Chef des Lebensmittelkonzerns wird jedenfalls alles daran setzen, dass die Dividende ansteigt – damit Nestlé sich weiter rühmen kann, in den Kreis der Dividendenaristokraten zu gehören. Und es wäre ein Entgelt für all die Buchverluste der letzten Jahre.
Allerdings ist Navratils Bewegungsfreiheit nach oben beschränkt – wegen der enormen Verschuldung, aber auch, weil ein Teilverkauf des L’Oréal-Aktienpakets zur Finanzierung von Goodies wenig überzeugend wäre. Denn die Aktie des französischen Konsumgüterkonzerns schwächelt zurzeit, und der Verkauf könnte nach dem Verscherbeln des lieb gewonnenen Tafelsilbers riechen, was die grassierende Unsicherheit unter den Investoren nur akzentuieren würde.
Ohnehin ist Nestlé solide unterwegs, weist trotz Schwächen einen anständigen Free Cashflow aus, und die Substanz ist ungebrochen. Nur die Fantasie fehlt, die Good News, die für einen Lichtblick sorgen würden. Navratil wird deshalb wohl eine beherztere Portfoliostrategie verfolgen, jedenfalls aggressiver als sein Vorgänger Laurent Freixe.
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Er dürfte margenschwaches Allerweltsgeschäft mit schlechten Wachstumsperspektiven aussortieren und dafür passendere Eigner suchen. Analyst Bertschy glaubt, dass in den nächsten zwei Jahren grössere M&A-Aktivitäten ausgeschlossen sind – doch es gibt Kleineres, was auf dem Prüfstand steht, darunter das margenschwache Vitamingeschäft oder die Beteiligung an Froneri, ein Joint Venture in der Tiefkühlkost.
Da könnte in den nächsten Monaten einiges zu erwarten sein, und es könnte locker ein paar Milliarden einspielen. Das wäre dann kein Megadeal, aber immerhin eine stattliche Nummer, die Geld für Investitionen freispielt.
Klar ist, das Drehen an tausend Schrauben ist zwar notwendig – intern wird das «operative excellence» genannt –, aber es braucht auch rasch klare Signale an die Investorinnen und Investoren, die auf etwas Mutiges hoffen. Dass sie höchst ungeduldig sind, zeigte ihre Forderung nach dem Rücktritt von Paul Bulcke, der dann schliesslich Mitte Woche nachgab.
Die Wahrheit ist: Philipp Navratil, der neue Chef, wird ein Jahr brauchen, um den Riesenkahn wieder auf Wachstumskurs zu bringen, und wohl zwei Jahre, um die Gesamtrendite zurück auf das lieb gewonnene Niveau von 4 Prozent oder mehr zu hieven.
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