Guten Tag,
Was der Mehrheitseigner der Tannenwald Holding jetzt plant. Und welchen Wert die Immobilien der Spar Gruppe Schweiz haben.

Andreas Güntert
Spar-Filiale: Die Läden sind im Sandwich zwischen Grossverteilern und Discountern. Der neue Präsident und Mehrheitseigner Peter Weber will das Profil schärfen.
KEYSTONE/Gian EhrenzellerWerbung
Bei den Kalbsbäggli brechen alle Dämme. Peter Weber verfällt in Euphorie. Der Unternehmer, der als Hauptinvestor der Tannenwald Holding mit der Übernahme der Spar Gruppe Schweiz jüngst urplötzlich ins Rampenlicht geriet, führt durch das Winterthurer Gebäude der Spar-Tochter Top CC. In diesem grossflächigen Cash-and-Carry-Markt kaufen Gastronomen auf zwei Etagen für ihre Restaurants ein: Salatsauce im Zehn-Liter-Kanister, Ketchup in der 4,9-Kilo-Hängeflasche, Literflaschen Jägermeister im Sixpack.
Und natürlich auch Fleisch und viele andere Köstlichkeiten dieser Erde, wie Weber im Metzgerei-Rayon strahlend aufzählt: «Premium-Rindsentrecôte von der Schweizer Weide, wir kennen dort alle unsere Produzenten, uruguayisches Black Angus Beef, persischer Kaviar, Aktuelles zu den Feiertagen, lokale Milchprodukte aus dem Appenzell.» Die Vielfalt sei riesig: «Dreissigtausend verschiedene Produkte allein hier in Winterthur, das lieben unsere Kunden.»
Peter Weber, ein Foodie? Das erstaunt. Bisher war der 45-jährige Geschäftsmann, der die Schweizer Spar-Gruppe vor zwei Monaten zusammen mit dem Ehepaar Krayer des Basler Familyoffice Arpig von der südafrikanischen Spar-Gruppe übernommen hat, nur als Uni-Dozent und Vermögensverwalter bekannt. Ein Finänzler ohne grosse Kenntnis des Schweizer Detailhandels als neuer VR-Präsident eines schlingernden Retailers mit aktuell 241 Läden und elf Cash-and-Carry-Märkten? Die Öffentlichkeit nahm es mit freundlicher Ungläubigkeit auf. Und jetzt das: Der Mann doziert im Top CC Winterthur über charakterreiches albanisches Olivenöl und die agrarische Bedeutung des Balkans als Alternative zu Spanien.
Für Weber, der seit zwanzig Jahren in der Schweiz lebt, ist das die normalste Sache der Welt. Aufgewachsen in Ludwigshafen am Rhein (D) als Sohn einer Restaurant- und Metzgerfamilie in dritter Generation, sei er schon früh ins unternehmerische Leben eingetaucht. Mit seinem Vater sei er oft im deutschen Cash-and-Carry-Handel unterwegs gewesen. Weber legt in seinem Pfälzer Dialekt dar, warum er weder ein Migros- noch ein Coop-Kind ist: «Ich bin ein Metro-Kind.»
Um der Spar-Aufgabe gerecht zu werden, sei in seinem beruflichen Leben nun alles auf Food eingestellt: «Ich bin aktuell nicht mehr für das Familyoffice aktiv und im Dozenten-Sabbatical.» Jetzt ist Weber unter der Woche vor Ort im Spar-Hauptsitz St. Gallen. «Spar ist mehr als ein Fulltimejob und benötigt meine ganze Aufmerksamkeit.» Ob das reicht, um Spar Schweiz endlich auf einen grünen Zweig zu bringen?
Spar ist in der Schweiz ein schwieriger Fall. Übermächtige Konkurrenz, mangelnde Marktgrösse, schwammige Positionierung – viele Retailprofis, die das Verkaufsdossier in den Händen hielten, sagten ab. Für Coop und Migros kam die Sache aus Wettbewerbsgründen eh nicht infrage, weil sich die beiden Kolosse im Kerngeschäft hierzulande schon am obersten Rand ihrer Zukaufsmöglichkeiten befinden.
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Auch aus dem Ausland wagte sich kein Käufer vor. Wenn sich die Supertanker des europäischen Retails – Firmen wie Carrefour, Rewe oder Tesco – in neuen Märkten engagieren, dann tun sie das in der Regel mit der mittelfristigen Aussicht, unter die grössten drei des Marktes vorzustossen. Doch dafür ist Spar Schweiz eine zu kleine Nummer und die Konkurrenz der hiesigen Platzhirsche sowie deren Herausforderer zu gross. Dem Vernehmen nach beugte sich auch die erfolgreiche Spar Österreich (siehe Box auf Seite 6) über das Dossier. Und sagte dankend ab.
Jemand, der das Dossier in den Händen hielt und es ermattet weglegte, drückte es so aus: «Die Schweizer Spar-Supermärkte werden aufgerieben zwischen Migros und Coop einerseits und den Discountern anderseits. Da ist kein Platz mehr für etwas gut gemeintes anderes.» Beim Grosshandel mag die Spar-Sparte Top CC einen ansprechenden Job machen, doch die Coop-Tochter Transgourmet ist viel grösser und marktmächtiger. Im Convenience-Geschäft wiederum, wo Spar Express tätig ist, regieren die Branchenboliden Coop Pronto, Migrolino und Valora-Formate, die sich je nach Begehrlichkeit jeden Standort kaufen können. Wo immer die Schweizer Spar-Gruppe agiert – ständig erhält sie Bodychecks von links und rechts. Das macht irgendwann selbst den härtesten Eishockeyaner mürbe.
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Wer vom Retailfach ist, sah und sieht nichts, was bei Spar Schweiz zum Kauf gereizt hätte. Ausser einem bestimmten Glitzerfaktor in der Bilanz: Betongold. Einer, der Einblick hat in den Maschinensaal von Spar Schweiz, sagt: «Das einzig wirklich Wertvolle an diesem Unternehmen sind die Immobilien.»
Tatsächlich gehören der Spar Schweiz drei Top-CC-Standorte, nämlich jene in Winterthur ZH und in Diessenhofen TG sowie der Top-CC-Hauptsitz in St. Gallen. Im Verkaufsdossier soll nur schon der Wert dieser drei Gebäude mit über 100 Millionen Franken ausgelobt worden sein. Ein Thema, das bisher übersehen wurde. Kann der Betrag stimmen? Die Handelszeitung hat einen Immobilienprofi zu Rate gezogen. Dieser hält den Wert für realistisch. Peter Moertl, Chef der Zürcher Immobilieninvestmentboutique Premier Suisse Estates, sagt: «Aufgrund der guten Lage, der Grösse der Liegenschaften, der derzeitigen Marktrenditen, solider Mietverträge und der Qualität der Mieterschaft kann man grobrahmig von einer Grössenordnung um die 100 Millionen Franken ausgehen.»
Tannenwald-Holding-Hauptinvestor Peter Weber dementiert diesen Bruttowert nicht, es ist ihm aber wichtig, zu sagen, dass man diese drei Goldstücke nicht versilbern wolle: «Die Immobilien sind operativ und gehören zum Kerngeschäft. Wir planen nicht, sie zu verkaufen.» Leuten, die nach der Transaktion in einer Milchbüechli-Rechnung festhalten, dass die Tannenwäldler 47 Millionen für die Firma bezahlt und dafür Immobilien im Wert von brutto 100 Millionen erhalten haben, sagt Weber: «Das ist kein Asset-Deal, wir haben uns industriell beteiligt. Mein Interesse gilt der Plattform, nicht den Immobilien.»
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Was sieht der neue Spar-Präsident, was andere nicht sehen? Was ist die industrielle Logik dieser Übernahme? Was sich die hiesige Handelswelt fragt, beantwortet Weber zunächst auf eine Weise, die ihn wohl zum Robin Food der hiesigen Konsumenten machen soll: «Der Schweizer Detailhandel braucht Vielfalt. Diese ist heute ziemlich eingeschränkt. Ich will nicht, dass man in der Zukunft noch mehr Konzentration sieht.» Der Gedanke soll auf beide Seiten wirken: «Die Konsumenten wollen die Wahl, und die Lieferanten wollen Vielfalt und Wettbewerb.»
Das mag ein hehrer Gedanke sein, aber ob die Spar-Gruppe dafür das richtige Vehikel ist, erscheint vielen zweifelhaft. Gerade das Hauptschiff der Gruppe, die Spar-Supermärkte, ist durch die schwammige Positionierung nicht richtig greifbar. Ausser für Weber natürlich: «Spar ist der Nachbarschaftsmarkt, der mit Identität und Unternehmertum tief verankert ist vor Ort und meistens günstiger anbietet als die lokale Konkurrenz.» Handelskenner geben Weber hier einen Punkt: Im Vergleich mit anderen Franchising-Konzepten bietet jenes von Spar mehr Autonomie und unternehmerische Freiheiten. Wenn das abgestimmt auf den Standort publikumsnah umgesetzt wird, kann es der lenkenden Person im Quartier zu Ruf und zur Rolle eines Magneten verhelfen.
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Ob das aber in Zeiten der grassierenden Preiskämpfe ein breites Kundenbedürfnis trifft und sich somit auch wirklich auszahlt, wird von Schweizer Handelskennern bezweifelt. So hat Spar, anders als die Discounter und Grossverteiler, darauf verzichtet, in der aktuellsten Tiefpreisspirale mitzumachen: «Wir sind kein Discounter, deshalb ziehen wir auch nicht nach bei der aktuellen 99-Rappen-Brot-Tiefpreisschlacht.» Die Spar-Supermärkte mögen professionell und mit starkem Unternehmergeist geführt werden, doch sie haben mit ihren Locations oft den Nachteil, dass die Konsumenten dort nicht ihre Grosseinkäufe erledigen, sondern lediglich kleinere Besorgungen und Verlegenheitskäufe tätigen. Was bedeutet: hoher Aufwand, aber kleine Durchschnittsbons. Das schmälert die Produktivität pro Quadratmeter und die Erfolgsrechnung ebenso.
Weber sieht das alles, aber es verkleinert seine «grosse Freude an der ganzen Plattform» nicht: «Ich habe keine rosa Brille auf, der Markt ist schwierig. Und natürlich haben wir bei Spar unsere Hausaufgaben zu machen.» Sein Ansatz, damit die Spar-Supermärkte für die Konsumenten vom Lückenbüsser vermehrt zur ersten Wahl werden: «Hier wollen wir mit verbessertem Frischeangebot und mehr Regionalität im Sortiment dafür sorgen, dass die Kunden regelmässiger und öfter pro Woche zu uns kommen.» Beim Foodie-Rundgang in Winterthur verfestigt sich ein Eindruck: Hier ist einer näher dran am Thema als bisher vermutet. Aber hat Peter Weber einen Masterplan, um Spar schärfer zu positionieren und aus dem dümpelnden Geschäft eine Gewinnerformel zu machen? Dies in einer Zeit, da sich auch in der Schweiz immer mehr um das Thema Preis dreht? Wo bleibt der grosse Wurf? Oder doch mindestens der grosse Spar-Plan?
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Die Tannenwald Holding müsste sich doch, wie die Branche rätselt, schon vor dem Kauf und dann sicher bei der Due Diligence genau überlegt haben, mit welchen Mitteln man das Unternehmen wieder zum Fliegen bringen will. Weber hält sich noch zurück: «Die Analyse haben wir vor dem Kauf gemacht. Jetzt sind wir an der Feinanalyse. Wir denken und handeln strategisch, nicht taktisch.»
Die Situation hat sich für das Unternehmen nicht entschärft. Während der Schweizer Food-Detailhandel gemäss jüngsten NIQ-Zahlen 2025 wieder leicht wächst, kommt die Spar-Gruppe auch dieses Jahr nicht vom Fleck, wie Weber eingesteht: «Wir liegen in der Summe nicht über 2024, doch die Spar-Express-Märkte arbeiten besser als im Vorjahr.» Wo er natürlich recht hat: Für den Grossteil des Jahres waren noch die vorherigen Besitzer von Spar Südafrika zuständig: «Wir sind erst seit zwei Monaten Eigentümer, da hatten wir noch wenig Einflussmöglichkeiten.»
Könnte es so kommen, wie Schweizer Retailprofis da und dort unken? Dass Spar seine Supermärkte scheibchenweise an jene Konkurrenz – zuvorderst die Migros – abtreten wird, die sich grosses Flächenwachstum auf die Fahne geschrieben haben? Weber verneint dezidiert: «In einer solch gehäuften Zahl steht das nicht auf meiner Agenda. Was wir aktuell sicher nicht planen, ist ein systematisches Abtreten von Standorten.»
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Der Foodie by nature sieht es längerfristig: «Wir haben viele Hausaufgaben, die meisten davon bei den Spar-Läden. Die Spar-Gruppe ist in einer Transformationsphase; die Restrukturierung wird zwei, drei oder vier Jahre dauern.» Da wäre auch Expansion ein Thema, aber eben nicht um jeden Preis: «Für das Volumen wäre ein gewisses Wachstum beispielsweise bei den Spar-Supermärkten gut, aber nur auf gesunde Weise. Wir zahlen nicht irgendeinen Fantasiepreis, nur um einen Laden in einem Bahnhof öffnen zu dürfen.» Die härtesten Konkurrenten tun das – und weiten damit ihre Marktmacht aus.
Im Top CC zu Winterthur könnte Weber noch lange über die agrarischen Besonderheiten des Balkans referieren, etwa über «endemische Olivensorten höchster Güteklasse». Immerhin habe er, Weber, «in Albanien auch ein eigenes Olivenöl abfüllen und dazu eine Etikette gestalten lassen».
Irgendwann wird der Oberförster der Tannenwald Holding seinen Angestellten zu konkreten Zukunftsplänen reinen Wein einschenken müssen. Weber sagt es so: «Wir wollen mit unseren Partnern etwas bewegen. Dafür wird es Massnahmen aller Art brauchen, und es werden nicht nur populäre Massnahmen sein.»
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