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Der Container beherrscht die Seefracht. Die Idee stammt von einem US-Trucker. Zum Welterfolg verhalf ihr aber die Schweizer Reederei MSC
Ob Jeans aus der Türkei, Smartphones aus China oder Veloteile aus Taiwan – sie alle reisen im Container über die Meere: Schiffsentladung im Hafen von Rotterdam.
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Das Smartphone aus China, der Kaffee aus Kolumbien, die Jeans aus der Türkei. All das schippert dank der Idee eines amerikanischen Truckers über die Weltmeere. Zum Welterfolg verhalf dem Container aber die Schweizer Reederei MSC, hinter der die Familie Aponte steht.
In Zeiten des Zollchaos wird auch manch einem Nichtökonomen bewusst, wie wichtig der freie Handel für die Weltwirtschaft ist. Doch die Beseitigung von Handelshemmnissen war nicht der alleinige Wegbereiter der Globalisierung. Es brauchte auch die Instrumente, um Waren günstig über Land und Meer zu transportieren.
Dazu gehört neben der Eisenbahn und immer grösseren Schiffen auch eine simple Stahlbox von 6,06 Meter Länge, 2,44 Meter Breite und 2,59 Meter Höhe. Mit diesen festen Massen hat der 20-Fuss-Container den Welthandel revolutioniert. Er ist stapelbar wie ein Legostein, passt auf einen Eisenbahnwagen oder einen Laster und ermöglicht so das effiziente Umladen am Hafen.
Seit den 1960er-Jahren gelten seine Masse, die sogenannte TEU (Twenty-Foot Equivalent Unit) als Referenzgrösse, um unterschiedliche Schiffsgrössen und Hafenkapazitäten vergleichbar zu machen. Inzwischen hat der doppelt so lange 40-Fuss-Container mit zwei TEU den kleinen Standardcontainer als wichtigstes Behältnis im internationalen Handel abgelöst. Um das Verladen noch effizienter zu machen, kommen vermehrt auch etwas höhere High-Cube-Container zum Einsatz. Seit 1980 hat sich der Seehandel in Containern von rund 100 Milliarden Tonnen auf über 2 Billionen Tonnen verzwanzigfacht. Ohne diese Standardisierung hätte sich auch die Just-in-time-Produktion mit global verteilten Zulieferern und kurzen Lieferzeiten nicht durchgesetzt.
Wer den Container erfunden hat, ist klar: der Nordamerikaner Malcom McLean. Bereits mit 21 Jahren gründete er sein erstes Logistikunternehmen. Genervt davon, Kisten, Säcke und Produkte von seinen LKW zu hieven und zum Schiff zu tragen, kam ihm die Idee einer Riesenkiste. Statt vieler Einzelstücke müsste nur noch eine grosse Kiste vom Laster aufs Schiff geladen und zum Zielort transportiert werden. 1956 verliess sein erstes Containerschiff den Hafen von New Jersey. Der Durchbruch in den USA gelang McLean mit der Frachtversorgung des US-Militärs während des Vietnamkriegs.
Weltweit gross gemacht haben McLeans Idee aber andere: In den 1960ern verliebte sich der italienische Kapitän Gianluigi Aponte in die Bankierstochter Rafaela Diamant aus Genf. Die beiden kauften sich 1970 mit ihrem Ersparten und geliehenen 200’000 Dollar ihr erstes Schiff, die «Patricia». Mit dem alten deutschen Frachter transportierten sie Waren zwischen Europa und Afrika. Erst mit dem zweiten Frachter, nach Rafaela benannt, entstand die Mediterranean Shipping Company (MSC). Die Apontes erkannten früh, dass die Effizienz litt, wenn Waren einzeln auf dem Schiff landeten, und setzten auf McLeans standardisierten Container. In den 1980er-Jahren stellten sie die Flotte komplett um. Es sollte der Start eines der grössten Familienimperien der Schweiz sein. Heute führen Sohn Diego Aponte als Präsident und Tochter Alexa Aponte Vago als CFO die Geschicke der Firma.
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Geschätzte 40 Millionen Container befinden sich aktuell auf dem Weg zu ihrer Destination. Aneinandergereiht ergäbe das eine Strecke halb so lang wie die Distanz zum Mond. Volumenmässig liegt der Anteil des Containerverkehrs am internationalen Handel unter einem Drittel, wertmässig jedoch zwischen 50 und 60 Prozent. Während Rohstoffe in Tankern und Massengutfrachtern verschifft werden, läuft der Handel mit höherwertigen Industrie- und Konsumgütern zu 90 Prozent in Containern.
Auch an den Basler Rheinhäfen, über die rund 10 Prozent der Importe ins Land kommen, dominieren die bunten Container mittlerweile das Bild. 2024 wurden 100’000 TEU umgeschlagen. Das grösste Containerschiff der Welt, die «MSC Michel Cappellini», kann 24’346 TEU unterbringen.
Der grösste Hafen in Shanghai fertigt pro Jahr rund 50 Millionen TEU ab. Europas grösster Containerumschlagplatz ist der Hafen von Rotterdam. Hergestellt werden die Stahlbehälter mit Bodenplatten aus Holz hauptsächlich in China, etwa durch das Unternehmen China International Marine Container (CIMC) in Shenzhen. Ein neuer Container kostet umgerechnet etwa 3000 Franken, wobei die Preise stark mit der Nachfrage der Reedereien schwanken.
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Im Jahr 2024 gingen laut des World Shipping Council (WSC) 576 Container verloren. Das sind zwar nur 0,0002 Prozent der 250 Millionen transportierten Blechkisten und markant weniger als einige Jahre zuvor, doch jede Kiste über Bord ist eine zu viel. Auch weil der Verlust zumeist das Ergebnis eines Schiffsunfalls ist.
Merkwürdiger sind die Container, die nicht abgeholt werden. Genaue Zahlen finden sich nicht. In den USA sollen es 700’000 pro Jahr sein, weltweit täglich gegen 9500. Für Reedereien und Häfen bedeuten sie zumeist Mehraufwand und stören den Ablauf. Dafür sind die Auktionen der verlassenen Container ein Spektakel. Der Höchstbietende erhält einen Container; mit Pomp und Getöse sowie unter TV-Begleitung öffnet er den Container in der Hoffnung auf den grossen Gewinn statt Billigware.
Nicht nur schippern dank Containern Waren aller Art über die Weltmeere, die Metallkisten dienen auch anderen Verwendungszwecken. Einerseits nutzen sie viele Läden oder Betriebe – gerade in Meeresnähe – zur Materialaufbewahrung. Andere verschönern die vier Blechwände und bauen die Container in hippe Bars um. Die Bewirtschaftung geht derweil noch weiter: Der Taschenhersteller Freitag stapelte in Zürich 17 Überseecontainer aufeinander und kreierte so eine Verkaufsfläche der anderen Art.
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Container sind auch politisch: Als Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider noch das Asyldossier verwaltete, schlug sie Containerdörfer für Asylbewerber vor. Der Ständerat lehnte aber die Finanzierung der «Asylcontainer» ab.
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