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Helvetic-Eigentümer Martin Ebner: «Die Grossen werden uns brauchen»

Martin Ebner steckt Millionen in seine Helvetic. Welche Pläne er hat, wie die Beziehung zur Swiss aussieht und was er von der Nationalbank hält.

Dirk Ruschmann

Dirk Ruschmann

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Es ist früher Morgen am Flughafen Zürich, als Flug LX850 nach Bremen abhebt – ausgeführt, im Auftrag der Swiss, von Helvetic Airways. Ein nagelneuer Flieger vom Typ Embraer E2 kommt zum Einsatz, Helvetic-Eigentümer Martin Ebner hat zwölf davon bestellt, für zwölf weitere Kaufoptionen gesichert. Ebner sitzt am Fenster, wir daneben. Als der Flieger dem Terminal A entlang zur Startbahn rollt, deutet Ebner begeistert auf die geparkten Helvetic-Jets auf dem Vorfeld: «Schauen Sie mal, tolle Flugzeuge!»

Herr Ebner, ist Fliegerei für Sie Business oder Liebhaberei?
Ganz klar Business. Alles begann auf einem Flug von Brindisi zurück in die Schweiz mit meiner Frau. Wir flogen zufällig Helvetic, für 19 Euro. Meine Frau fragte: Kann das rentieren? Ich antwortete: Kann ich mir nicht vorstellen. So entstand mein Interesse.

Und – rentiert es heute?
In der Tat – aber dazu muss man unser Geschäftsmodell kennen und verstehen. Wir fliegen derzeit exklusiv für die Swiss. Im sogenannten Wet Lease oder ACMI, das steht für Aircraft, Crew, Maintenance und Insurance. Das stellen wir der Swiss bereit, die dafür Leasinggebühren zahlt. Ich habe also das Geschäft vom Risiko befreit. Wenn man so will, ist die Swiss unser Risiko. Aber deren Bonität ist über jeden Zweifel erhaben.

Ein alter Spruch: Willst du mit einer Airline eine Million verdienen, bring zum Start eine Milliarde mit! Warum haben Sie geglaubt, Sie schaffen es dennoch?
Also, die ersten beiden Jahre war es nicht so klar, dass es funktionieren könnte. Da war ich auch viel bei der Helvetic. Aber die letzten 13 Jahre waren alle erfolgreich.

Schwarze Zahlen auf der «Bottom Line»?
Ja.

Welche Schrauben haben Sie gedreht?
Am Anfang war es vor allem die Preispolitik. Die war völlig wirr, die Leute damals verstanden wenig vom kommerziellen Geschäft. Ausserdem das Re-Branding: Vorher war die Hauptfarbe Magenta, das ist nichts für Geschäftsreisende. Wir sind heute stolz darauf, dass wir schon von aussen Qualität ausstrahlen. Ich glaube, der Brand ist inzwischen sehr stark geworden.

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««Das Attraktive am Business ist der berechenbare Cashflow. Und Eigenkapital brauchen wir gar keins.»»

Grunddaten haben Sie immer verschwiegen, sprich Umsatz und Gewinn.
Der Umsatz ist nicht relevant für uns, weil wir ja kein eigenes Geschäft betreiben. Spritpreise und Auslastung der Maschinen sind kein Thema für uns – diese Risiken trägt die Swiss. Für mich heisst das konkret, dass ich berechenbare Cashflows habe. Das ist das Attraktive an diesem Business Case. Eigenkapital brauchen wir gar keins, wir sind sicher überkapitalisiert.

Was unterm Strich für Sie herausschaut, wollen Sie nicht sagen?
Nein.

Sie haben zwölf Embraer E2 gekauft, für zwölf weitere halten Sie Kaufoptionen. Was spricht für diesen Flieger?
Er ist das modernste Flugzeug in dieser Kategorie und wird das auch für die nächsten Jahre bleiben, jedenfalls in unserer Region. Japaner, Russen und Chinesen werden später in den Markt eintreten. Airbus wird viel in die A220 stecken, die wird mit der Zeit wahrscheinlich genauso gut sein, nehme ich an. Aber das dauert.

Sie investieren 1,5 Milliarden Dollar.
Nur, wenn wir die Optionen ausüben.

Also alle 24 Maschinen übernehmen.
Genau. Die ersten zwölf kosten logischerweise laut Liste die Hälfte. Aber ich gehe davon aus, dass das Management der Helvetic besser verhandelt hat.

Bei Grossbestellungen liegen 40 bis 50 Prozent Rabatt vom Listenpreis drin.
Dazu kann ich mich nicht äussern, das werden Sie verstehen.

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Sie werden nicht alle Flieger an die Swiss verleasen können. Wollen Sie wieder eigene Linienflüge anbieten?
Das wird so kommen. Rund 80 Prozent werden bei uns immer ACMI sein, mit 10 bis 20 Prozent werden wir eigene Destinationen haben oder Spezialcharter fliegen – also Einzelaufträge.

Derzeit fliegen alle Maschinen für Swiss?
Ja. Aber wenn wir wachsen, was wir ja planen, ist es nicht zwingend, dass wir immer nur für Swiss fliegen. Es könnte auch die Lufthansa-Gruppe sein, das gab es schon. Dass wir also Maschinen in Köln oder Düsseldorf stationieren.

Was wäre die ideale Verteilung zwischen Verleasen, Charter und eigener Linie?
Ideal für mich sind 100 Prozent Wet Lease.

Weil man da ruhiger schläft?
Ja, auch im Hinblick auf die Diversifikation meines Vermögens. Ich habe sonst keine Beteiligungen, bei denen ich Cashflow habe, vielleicht mit Ausnahme von Dividendenzahlungen. Also muss der Cashflow von Helvetic kommen.

Die zwölf Kaufoptionen haben Sie ja nicht ohne Grund erworben. Die Flotte würde sich damit verdoppeln. Welches Geschäft streben Sie mit diesen Fliegern an?
Um das zu beantworten, müssten wir zunächst die Situation in den USA anschauen.

Banker, Investor und Airliner

Martin Ebner (74) brachte mit der BZ Bank den aggressiven Shareholder-Value-Ansatz angelsächsischer Prägung in die Schweiz, hielt Beteiligungen an ABB, Alusuisse oder Lonza. Einen Einbruch nach dem Ende der ersten Technologiewelle und dem folgenden Börsencrash 2001 machte er später wieder wett. BILANZ schätzt sein Vermögen auf 2,5 bis 3 Milliarden Franken. Seine grössten Beteiligungen sind Intershop (34,3 Prozent), Temenos (knapp 11 Prozent) und Vifor Pharma (20,4 Prozent). Zudem ist er an über zehn nichtkotierten Firmen beteiligt. Über Novimmune investiert er kräftig in die Krebsforschung. Helvetic gehört ihm komplett. Ebner ist seit fünf Jahrzehnten kinderlos mit seiner Frau Rosmarie verheiratet.

Martin Ebner waehrend eines Fluges zwischen Zuerich Kloten und Bremen mit einem neuen Flugzeug des Types Embraer E190-E2 der Helvetic Airways, am Freitag 8. November 2019.Bild: Michael Buholzer

Martin Ebner.

Michael Buholzer für BILANZ
Martin Ebner waehrend eines Fluges zwischen Zuerich Kloten und Bremen mit einem neuen Flugzeug des Types Embraer E190-E2 der Helvetic Airways, am Freitag 8. November 2019.Bild: Michael Buholzer

Martin Ebner.

Michael Buholzer für BILANZ

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Bitte.
Wenn ich von Regionalflugzeugen spreche, ist das über die Kapazität definiert. Bis etwa 140 Sitzplätze gilt ein Flugzeug als Regionalflieger, unabhängig von der Reichweite. Von den grossen US-Airlines betreibt praktisch keine mehr Mischflotten mit grossen und kleinen Fliegern. Sondern es gibt Regionalfluggesellschaften. An denen halten die Grossen Beteiligungen. Und ich bin überzeugt, dass sich das in Europa auch durchsetzen wird; dass auch Lufthansa oder Air France in diese Richtung umschwenken.

Welche Rolle soll Helvetic dabei spielen?
Wir wollen die grösste Regionalfluggesellschaft Europas werden, aber nicht unbedingt nur für die Lufthansa-Gruppe fliegen. Die grossen Systeme könnten bei uns einsteigen. Dieses Modell schwebt mir vor. Das heisst, dass wir auch eine kritische Grösse haben müssen.

Wo liegt die?
Das wissen wir noch nicht. Aber sicher oberhalb von zwölf Flugzeugen.

Wohl eher bei 30 bis 40.
40 scheint mir eher am oberen Ende zu sein. Aber könnte schon sein.

Sie glauben, Sie könnten zugleich für die Lufthansa-Gruppe, aber auch für Airlines in konkurrierenden Systemen, wie Air France in der Skyteam-Allianz, fliegen?
Das wäre kein Problem. So könnten die Grossen ihre Probleme auf der Kurzstrecke lösen. Deshalb lege ich so viel Wert darauf, dass wir einen starken Brand haben. Damit wir für die Grossen attraktiv sind.

Haben Sie schon Gespräche geführt?
Nein. Wir selber sind noch nicht so weit, der Markt auch nicht. Aber ich schätze, in den nächsten fünf bis zehn Jahren kommt das. Deshalb machen wir den Flottenaufbau Schritt für Schritt. Wir können bei Bedarf etwas aggressiver wachsen oder bremsen … Auf der anderen Seite gibt der Arbeitsmarkt kurzfristig nicht so viel her.

Ist das der Flaschenhals?
Für uns nicht, wir haben genügend Bewerbungen.

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««Wir haben bei den Piloten Teilzeit – das führt dazu, dass wir prozentual im Cockpit mehr Frauen beschäftigen als andere Airlines.»»

Zahlen Sie so viel wie die Swiss?
Klar. Wir haben vergleichbare Gehälter.

Helvetic hat überdurchschnittlich viele Teilzeitmitarbeiter.
Ja, sehr viele. In der Kabine viele junge Damen, die sich ihr Studium verdienen und vielleicht zwei Tage die Woche fliegen. Wir haben auch bei den Piloten Teilzeit – das führt dazu, dass wir prozentual im Cockpit mehr Frauen beschäftigen als andere Airlines, bei uns sind es rund 15 Prozent. Diese Teilzeitkräfte geniessen ihre Einsätze mehr, begrüssen die Passagiere besonders freundlich. Kunden spüren das.

Billigflieger und «Flag Carrier» wie Swiss nähern sich an. Beide verlangen Aufpreise für Gepäck oder bessere Sitzplätze, beide wollen Geschäftsreisende an Bord locken. Wo läuft der Markt hin?
Die Ryanairs und EasyJets dieser Welt werden in Zukunft langsamer wachsen als bisher. Damit verlieren sie einen komparativen Vorteil, weil sie mit ihren riesigen Bestellungen günstig zu Fluggeräten kamen. Auf der anderen Seite ist klar, deren Geschäftsmodell ist ausgetrimmt. Und den etablierten Airlines fällt es schwer, die Kosten so weit herunterzubringen.

Was heisst das für Sie?
Der Markt wird sich verändern. Auf kurzen Strecken wird die Bahn konkurrenzfähiger werden, das sieht man schon beim TGV nach Paris. Sonst hat sich das ein wenig eingeebnet zwischen Grossen und sogenannten Billigfliegern. Da wird sich eine Arbeitsteilung einspielen.

Die Grossen konzentrieren sich auf Langstrecken, Interkontinentalverbindungen?
Genau, und je mehr sie das tun, umso mehr «Feeder Business», also Zubringer, werden sie brauchen. Also: uns.

Stichwort Flugscham: Heute früh musste man eine halbe Stunde an der Gepäckkontrolle warten. Sie haben die Diskussion auch mal als «Hysterie» bezeichnet.
Klar ist, das Klima hat sich verändert. Ob es sich weiter verändern wird, wissen wir noch nicht. Klar ist auch, wenn das zumindest zum Teil menschengemacht sein sollte, dann sind die grossen Verursacher nicht in Europa zu suchen. Und was ich dann als Kosten-Nutzen-Denken gern propagieren möchte: Sind die marginalen Beiträge zur Verbesserung des Klimas, die wir erreichen können, aber nur mit enormem Kapitaleinsatz, wirklich sinnvoll – oder sollte man nicht mit Technologie versuchen, Ländern wie China oder Indien zu helfen? Das wäre viel effizienter.

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««Ich gehe davon aus, dass die Zinsen steigen werden – auch die Schweizer.»»

Reden wir noch über Ihre anderen Aktivitäten. Bei Ihrer BZ Bank haben Sie sich operativ zurückgezogen.
Ich bin seit einem Jahr nicht mehr als CEO dabei. Halte aber nach wie vor 70 Prozent der Aktien.

Betreuen Sie noch viele Kunden?
Nein, das mache ich gar nicht mehr.

Verlangen die Kunden nicht, dass Sie persönlich greifbar sind?
Ich kann mich nicht teilen. Darum habe ich die Patinex Management gegründet.

Ist diese von der Bank komplett getrennt, oder können BZ-Kunden mitinvestieren?
Nein, Patinex gehört nur meiner Frau und mir. Und die Beteiligung an der Bank wird durch die Anna Holding gehalten, das ist also auch getrennt. Aber klar: Es gibt Investoren, wenn die meine Offenlegungsmeldungen lesen, sagen sie, in diese Aktie möchte ich auch rein, da fühle ich mich in guter Gesellschaft – und wenn es mal schiefgeht, wird der Ebner schon schauen. Also ist anzunehmen, dass einige der grösseren Kunden der BZ Bank einen ähnlichen Depot-Aufbau haben. Aber ich treibe oder beeinflusse das in keiner Weise.

Ihre Investments ziehen sich quer durch die Branchen. Wonach wählen Sie aus?
Es gibt verschiedene Kriterien. Im Augenblick steht natürlich Wachstum im Vordergrund. Ich gehe davon aus, dass die Zinsen steigen werden …

… auch die Schweizer?
Ja, auch die Schweizer. Und ich glaube, da wird man Reaktionen am Markt sehen. Und den besten Schutz bieten dann Wachstumsgesellschaften.

Schauen Sie nur auf börsenkotierte?
Nein, ich bin auch bei verschiedenen KMUs, jungen Firmen und Start-ups aktiv. Im FinTech-Bereich halte ich zehn Prozent an Additiv, einer sehr interessanten Gesellschaft. Dann bin ich bei Adcubum, diese Firma baut sehr erfolgreich Software für Versicherungen. Ich habe noch andere Beteiligungen, aber die sind nicht bekannt.

Die könnten Sie jetzt bekannt machen.
Ja, die Gelegenheit hätte ich!

Ruhestand – kommt das für Sie in Frage?
Der wird vermutlich von der biologischen Uhr diktiert. Aber solange ich gesund bleibe, macht es mir enorm Spass und hält fit – geistig und teils auch körperlich.

Im Moment haben Sie keine Pläne, kürzerzutreten?
Nein.

Handelskriege, Streit Frankreich–USA, Syrien: Unsicherheit ist ja Gift für die Wirtschaft. Beunruhigt Sie die Weltlage?
Ich bin schon lange im Geschäft und habe nie erlebt, dass man sicher war. Man hat sich vielleicht sicher gefühlt. Heute fühlt man sich auch unsicherer, weil man im Minutentakt neue Informationen bekommt. Die kann man gar nicht alle verarbeiten. Klar, der US-Präsident ist tatsächlich nicht berechenbar, der Brexit ist auch nicht berechenbar. Aber was ganz generell unterschätzt wird, ist die inhärente Stabilität der Wirtschaft.

Unterschätzt?
Unterschätzt. Die Stabilität ist unabhängig von denen, die an der Spitze der Regierungen stehen. Die Marktwirtschaft neigt zum Gleichgewicht. Natürlich, wenn es starke Eingriffe gibt, wie jetzt etwa diesen Handelskrieg, dann dauert es seine Zeit. Ich bin gelassen. Es kommt auf Dauer schon richtig.

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««Die SNB macht riesige Fehler. Aus meiner Sicht verstösst sie krass gegen die Verfassung.»»


Überschiesst die SNB mit ihrer Negativzinspolitik?
Die SNB macht riesige Fehler. Aus meiner Sicht verstösst sie krass gegen die Verfassung, sie betreibt offensichtlich Strukturpolitik, was nicht ihr Auftrag ist. Sie steht enorm unter dem Einfluss von Lobbyisten aus der verarbeitenden Industrie …

Sie meinen Swissmem.
In erster Linie Swissmem, klar. Die Kosten, die alle Schweizer wegen dieser verfehlten Geldpolitik tragen, sind gigantisch. Eine Aufwertung des Frankens von fünf oder zehn Prozent, was wir alle an Kaufkraft gewinnen würden – aber da sperrt sich die SNB mit dem Argument: Dann kriegen wir eine höhere Arbeitslosigkeit.

Stimmt doch auch.
Klar, temporär. Aber es kann doch nicht sein, dass wir in der Schweiz versuchen, wie ein Schwamm alle Arbeitslosen in Europa aufzusaugen. Diese Propaganda der SNB, dass der Franken überbewertet gewesen sei und jetzt noch hoch bewertet, ist einfach nicht haltbar – eine Amtsanmassung, die leider von der Politik nicht in die Schranken gewiesen wird.

Was würden Sie vorschlagen?
Ein Thema ist die Qualität des Bankrats. Denken Sie an die Raiffeisen-Krise, das war ein Klacks verglichen mit dem Versagen des Bankrats der SNB. Schauen Sie das Direktorium an: Keines der Mitglieder hat je in der Privatwirtschaft gearbeitet. Hier wäre die Politik gefordert. Von dem gewaltigen Risiko, das die Nationalbank in ihrer Bilanz aufgebaut hat, will ich gar nicht reden – mit Devisenreserven, die heute das Bruttoinlandprodukt übertreffen.

Sind die Politiker punkto Ökonomie zu schlecht ausgebildet?
Das ist in der Tat ein Problem.

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Dieses Interview erschien in der Januar-Ausgabe 01/2020 der BILANZ.

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