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Konkurrenz aus China

Gegenwind für Schweizer Onlinehändler

Digitec Galaxus und Brack trotzen den Mitbewerbern aus China und den USA – nun drängt ein neuer Player auf den Markt.

Erich Bürgler, Redaktor BILANZ - fotografiert im September von Paul Seewer für BILANZ

<p>Zudem konkurrenziert der Händler mit seinem breiten Food-Sortiment zunehmend auch die eigene Mutter Migros.</p>

Blick in eine Anlage von Digitec Galaxus.

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Donald Trump lieferte mit seinen Strafzöllen dem Mitgründer von Digitec Galaxus, Oliver Herren, eine Steilvorlage: «Willst du weniger bei US-Konzernen einkaufen?», schrieb der Teilhaber des Onlinehändlers auf dem Businessnetzwerk LinkedIn. Galaxus sei der «europäische Gegenentwurf zum US-Amazon-Onlineshopping». In der Schweiz ist der Riese unter den Onlinehändlern jedoch nicht Jeff Bezos’ Amazon: Digitec Galaxus erzielt hierzulande mit 2,8  Milliarden Franken dreimal so viel Umsatz wie der US-Konzern und ist klarer Marktführer. Ein weiterer starker Schweizer Player ist Brack-Alltron, im Besitz des Unternehmers Roland Brack, mit einem Jahresumsatz von über einer Milliarde Franken.

Neben der US-Konkurrenz sorgen derzeit vor allem die Chinesen für Wirbel. Nach AliExpress sind mit Temu und Shein weitere Anbieter in den Schweizer Markt eingetreten, die mit Billigangeboten Kunden in grosser Zahl anlocken. Demnächst folgt JD.com. Ihr Erfolgsrezept: ultratiefe Preise, ein nahezu unendliches Sortiment und aggressive Social-Media-Kampagnen. Doch die Schweizer Player lassen sich nicht an die Wand drängen – im Gegenteil. Das Geschäft brummt: Digitec Galaxus steigerte die Einnahmen 2024 um 18  Prozent. Auch im laufenden Jahr wird es zu einem zweistelligen Wachstum kommen. Hendrik Blijdenstein, Chief Commercial Officer des Branchenprimus, ist zuversichtlich für den weiteren Geschäftsverlauf. «2025 verläuft bislang sehr positiv. Wir setzen den Kurs des Vorjahres fort.»

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Für das ursprünglich als Digitec gegründete Unternehmen bleiben Elektronikartikel die wichtigste Kategorie. Mit der Erweiterung zum umfassenden Onlinewarenhaus wurde der Name Galaxus eingeführt – und dem wird der Händler immer deutlicher gerecht. Das Beauty-Segment vom Lippenstift bis zum Hautverjüngungsgerät wächst stark. Immer öfter tritt der Onlineanbieter, der sich im Mehrheitsbesitz der Migros befindet, als Konkurrent seines eigenen Mutterhauses auf. «Besonders erfreulich entwickelt sich die Kategorie der lang haltbaren Lebensmittel», sagt Blijdenstein, der schon über zehn Jahre im Management des Onlinespezialisten arbeitet. Die Auswahl an Kaffee, Schokolade und pflanzlicher Milch übertrifft inzwischen diejenige jeder Migros-Filiale. Für den orangen Riesen ist die erfolgreiche Tochter damit Fluch und Segen. Je mehr Lebensmittel über deren Kanal laufen, desto eher leidet das Ergebnis der einzelnen Genossenschaften, die ohnehin schon mit Marktanteilsverlusten kämpfen. Dafür bleibt der Umsatz innerhalb des Konzerns.

Konkurrenz verschwindet

Doch auch Elektronikartikel sind bei den Kundinnen und Kunden der Schweizer Onlinehändler weiterhin sehr gefragt. Das bestätigen sowohl Digitec Galaxus als auch Konkurrent Brack. Die Grossen der Branche profitieren dabei von den Problemen anderer Schweizer Anbieter. Der verlustbringende Migros-Fachhändler Melectronics ist 2024 verschwunden. Der Elektrohändler Steg hat 2023 seine 17 Filialen und den Onlineshop geschlossen. «Von der starken Konsolidierung im Schweizer Markt nach der Pandemie haben insbesondere die grossen Onlineanbieter profitiert», sagt Stefan Fraude, der Brack-Alltron seit Juli letzten Jahres operativ leitet.

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Onlineprofis

<p><strong>Roland Brack:</strong> Der Unternehmer besitzt den grössten unabhängigen Onlinehändler des Landes.</p>
Oliver Herren
<p><strong>Jeff Bezos:</strong> Er ist Gründer und Chairman von ­Amazon und prägte den E-Commerce weltweit.</p>
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Roland Brack: Der Unternehmer besitzt den grössten unabhängigen Onlinehändler des Landes.

Michael Sieber

Roland Brack holte ihn von MediaMarkt, wo er weniger als zwei Jahre als CEO gewirkt hatte. Zuvor war Fraude sieben Jahre lang in leitenden Funktionen beim grossen Konkurrenten Digitec Galaxus tätig. Nun will er den in den Köpfen der Kundschaft noch stark mit Consumer Electronics verbundenen Händler Brack auch in anderen Bereichen positionieren. «Unser Sortiment soll künftig breiter und tiefer werden und die Bedürfnisse für den täglichen Bedarf möglichst umfassend abdecken», sagt Fraude. «Dabei arbeiten wir an der Sortimentserweiterung in Bereichen wie Sport und Freizeit, Beauty, Food, Tierbedarf oder aber auch Do it yourself.» Dass Brack einen Gang höherschalten will, zeigen teure Aktivitäten im Marketing. Die höchste Schweizer Fussballliga heisst seit der laufenden Saison Brack Super League. Gleichzeitig nahm der Händler Hunderte Artikel von Marken wie Adidas, Puma, Nike und Reusch ins Sortiment.

Dass die beiden grossen Schweizer Player bei Beauty und Sport Gas geben, hat einen guten Grund: In diesen Bereichen sind die Margen deutlich höher als bei klassischen Elektrowaren. Sportartikel kauft die Kundschaft lieber bei vertrauenswürdigen Händlern statt bei den günstigen Onlineanbietern aus China, wo auch Fälschungen kursieren. Auch bei Kosmetik gilt: Es kommen nur Produkte aus verlässlichen Quellen auf die Haut, dafür wird gern etwas mehr bezahlt. Zudem gibt es in Kategorien wie Sport noch viel Potenzial: In der Schweiz laufen 54  Prozent der IT-Käufe online – bei Sport erst 30 Prozent.

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Die Konkurrenz aus Fernost nimmt man trotz anhaltendem Erfolg keineswegs auf die leichte Schulter – im Gegenteil: Man zollt ihr grossen Respekt. «Die chinesischen Anbieter denken gross und setzen ihre Pläne unglaublich schnell um», sagt Hendrik Blijdenstein. So hat Temu 2024 in der Schweiz laut Schätzungen des Beratungsunternehmens Carpathia einen Umsatz von 700 Millionen Franken erzielt – eine Verdoppelung zum Vorjahr. Mehr als ein Drittel davon stammt aus der Kategorie Mode, wo weder Brack noch Digitec Galaxus stark vertreten sind. Doch die Chinesen wollen weiter ins Territorium der etablierten Schweizer Onlinehändler vordringen. Neu spricht Temu gezielt Schweizer Anbieter an, die ihre Ware auf der Plattform verkaufen können. Das Signal: Temu soll nicht für Ramsch aus China stehen, sondern auch für Qualitätsware.

Der neue aus China

Bald wird zudem ein neuer Player in den europäischen Markt eintreten. JD.com, Chinas führender Onlinehändler, hat den Aktionären von Ceconomy, der Muttergesellschaft von MediaMarkt und Saturn, ein Kaufangebot unterbreitet. Für rund 2,2 Milliarden Euro will JD.com die Kontrolle über die Elektronikhandelsketten übernehmen und damit erstmals in die europäischen Innenstädte vordringen. Die Übernahme dürfte auch Auswirkungen auf die Schweizer Marktlandschaft haben. Im Gegensatz zu Temu und Co. konzentriert sich JD stark auf Unterhaltungselektronik. Die grosse Frage dabei: Welche Priorität räumt der chinesische Riese der kleinen Schweiz ein? Laut David Morant vom Beratungsunternehmen Carpathia ist das noch unklar. «Es bleibt abzuwarten, mit welcher Ernsthaftigkeit JD.com den Schweizer Markt mit MediaMarkt entwickeln wird. Mit Sicherheit wird MediaMarkt aber von der schieren Einkaufsmacht des neuen Mutterhauses in Form von besseren Beschaffungskonditionen profitieren.» MediaMarkt kann sich zudem das Know-how von JD.com zunutze machen – etwa bei der Verzahnung von Online und Offline. «Mit einem verbesserten Omnichannel-Angebot könnten Händler wie Interdiscount mehr Konkurrenz bekommen.»

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Interdiscount gehört zu Coop, der seine Onlineaktivitäten in den vergangenen Jahren zurückgefahren hat. Den als Gegengewicht zu Digitec aufgebauten Händler Microspot mit eigenem Marktplatz für Drittanbieter stellte der Detailhändler 2023 ein. Stattdessen verlagerte er den Fokus stärker auf Interdiscount als Onlinekanal. Von diesem Strategiewechsel profitierten jedoch die Mitbewerber. «Mutmasslich rund ein Drittel des Umsatzes von Microspot konnte Interdiscount holen. Der Rest ging an die Konkurrenz», sagt David Morant.

Onlinehändler in der Schweiz

<p>Digitec ist die klare Nummer eins im Schweizer Onlinehandel.</p>
<p>Der Marktführer wächst stark und ­expandiert nach Deutschland.</p>
<p>Brack erweitert das Sortiment.</p>
<p>Mit Beauty, Sport und Do it yourself will der Händler neue Kundschaft gewinnen.</p>
<p>Deutschland ist Amazon ein Riese, in der Schweiz unter Druck.</p>
<p>Heimische Anbieter und ­Billigplattformen wie Temu und Shein ­nehmen Amazon Marktanteile ab.</p>
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Digitec ist die klare Nummer eins im Schweizer Onlinehandel.

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Derweil beschäftigen die chinesischen Player nicht nur die Schweizer Anbieter. Der US-Riese Amazon musste laut den Schätzungen von Carpathia in der Schweiz zuletzt Federn lassen – mit einem auf 910 Millionen Franken leicht rückläufigen Umsatz. Der Grund: die starke Konkurrenz von Temu bei Kleinsendungen von Waren, die auch Amazon von Dritten aus China anbietet. Digitec Galaxus bietet auf ihrem Marktplatz ebenfalls eine breite Auswahl an Produkten von Drittanbietern – mit dem Vorteil einer schnellen Lieferzeit.

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Brack hingegen verzichtet auf einen Marktplatz und setzt auf die hohe Verfügbarkeit aller angebotenen Produkte. Das bringt laut David Morant Vorteile: «Brack punktet mit einem grossen Lager: Bestellungen werden gebündelt und am nächsten Tag in einem Paket geliefert. Im Vordergrund stehen eine hohe Zuverlässigkeit und der Kundenservice und nicht der tiefste Preis.» In einem Punkt unterscheidet sich Brack klar von Digitec. Mit Alltron betreibt Brack ein grosses Firmengeschäft. Die B2B-Marke von Brack-Alltron, beliefert Fachhändler und Dienstleister mit Produkten aus IT, Telekommunikation und Unterhaltungselektronik. Das Unternehmen bietet dazu Logistiklösungen, die Geschäftskunden die Distribution erleichtern. Auch stationäre Händler gehören zur Kundschaft. Dass der Shift von Offline zu Online anhält, drückt auf dieses Geschäft. Dafür bringt die Umstellung auf Windows 11 im Businessbereich zusätzliche Einnahmen. Im vergangenen Jahr konnte Brack-Alltron, die stets betont, der grösste unabhängige Onlinehändler der Schweiz zu sein, den Gesamtumsatz halten – trotz des Verkaufs der Healthcare-Tochter Medidor. Im Privatkundengeschäft wuchs das Unternehmen prozentual zweistellig.

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Die Migros-Tochter Digitec Galaxus legte im Umsatz in den letzten Jahren aber deutlich schneller zu. Ein wichtiger Grund: der Versuch, mit einem Onlineshop in Deutschland Fuss zu fassen. Das schenkt beim Umsatz ein, drückt aber auf das Ergebnis. 362 Millionen Euro Umsatz erreichte der Händler im Ausland 2024. Der zuletzt bekannt gewordene Verlust im Deutschland-Geschäft betrug 2023 über 61  Millionen Euro. Was bei Beobachtern der Migros angesichts laufender und früherer gescheiterter Auslandaktivitäten Kritik auslöst, lässt das Management unbeeindruckt: «Wir sind in Deutschland seit dem Start voll auf Kurs», sagt Hendrik Blijdenstein. «Wir glauben zu 100 Prozent an unsere Aktivitäten in Deutschland.»

Der LinkedIn-Post von Digitec-Galaxus-CIO Oliver Herren dürfte sich denn auch in erster Linie an das deutsche Publikum gerichtet haben. Dort ist Amazon der Onlinekönig und die Migros-Tochter der Underdog. «In Deutschland kennt man uns (noch) nicht so gut. Das soll sich ändern», schreibt Herren. Über die Stärken von Digitec Galaxus: Mit unzähligen Produktbewertungen, kritischen redaktionellen Beiträgen und der auf der Website transparent nachverfolgbaren Preisentwicklung soll die Schweizer Kundschaft ihre Erfahrungen auch mit dem Nachbarland teilen, wünscht sich Herren.

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Spielverderber ChatGPT

Doch die Frage ist, wie lange diese Stärken noch als Differenzierungsmerkmal tragen. Mit dem Aufkommen von KI-gestützten Sprachmodellen wie ChatGPT könnten sich die Spielregeln im Onlinehandel grundlegend verschieben. Sogenannte Einkaufsagenten – digitale Assistenten, die im Auftrag der Kundschaft Produkte suchen, Preise vergleichen und beim günstigsten oder schnellsten Anbieter bestellen – könnten den gesamten Kaufprozess automatisieren. Redaktionelle Beiträge oder Kundenbewertungen, die heute noch ein wichtiger Teil der Kaufentscheidung sind, drohen an Bedeutung zu verlieren. Klar ist: Die Transparenz wird noch grösser, der Preiskampf damit noch härter.

Noch profitieren die Schweizer Online-Marktführer von ihrer Nähe zur Kundschaft, verlässlicher Logistik und einem Sortiment, das Vertrauen schafft. Die Frage ist, ob Digitec Galaxus und Brack ihre Erfolgsrezepte verteidigen können, wenn künstliche Intelligenz die Spielregeln neu schreibt. Statt Google-optimierter Schlagwörter, die für Sichtbarkeit in der Suchmaschine sorgen, werden künftig Strategien wichtiger, um von den Sprachmodellen überhaupt gefunden zu werden. Experten sprechen mit Bezug auf diese Large Language Models von «LLM-Optimierung». Doch noch ist völlig offen, nach welchen Kriterien ChatGPT und Co. Empfehlungen gewichten. Klar ist nur: Wer früh versteht, wie die Roboter den digitalen Einkauf steuern, verschafft sich einen entscheidenden Vorteil.

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Über die Autoren
Erich Bürgler, Redaktor BILANZ - fotografiert im September von Paul Seewer für BILANZ

Erich Bürgler

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