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Jura-Kaffeemaschinen

Emanuel Probst und Roger Federer – in den USA ein unschlagbares Doppelteam

Weshalb Jura trotz Trump-Zöllen so erfolgreich ist: dank dem Verkaufstalent des Firmenchef und seines Aushängeschilds.

Stefan Barmettler HZ

<p>Jura-Boss Probst (r.) holte die Tennislegende vor zwanzig Jahren an Bord.</p>

Jura-Boss Probst (r.) holte die Tennislegende vor zwanzig Jahren an Bord.

Jura

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In Niederbuchsiten SO heissen die Strassen noch wie gestern: Ziegelfeld, Jurablick oder Bifängli. Die Fussgängerüberführung über die A1 ist mit einer Bitumenfolie isoliert, damit das Regenwasser nicht auf die Nationalstrasse tropft. Eine graue Mittellandtristesse, die am nahen Firmengelände von Jura abrupt endet. Die Zufahrtsstrasse heisst hier Kaffeeweltstrasse 1, von der Fabrikfassade grüsst Tenniscrack Roger Federer auf einem Zehn-Meter-Plakat, und vor dem Haupteingang funkelt eine Kaffeemaschine in einer Glasvitrine. Ein Jubiläumsstück, das gefeiert werden will – auf einer Karte steht: «8 Million Automatic Coffee Machines». Willkommen in der Solothurner Provinz, in der die «Juraworld of Coffee» globale Exzellenz verströmt. Ein florierendes Biotop, in dem Roger Federer und Emanuel Probst den Takt vorgeben.

Nicht erst seit gestern. Probst arbeitet seit über dreissig Jahren bei Jura, er ist Chef und hält mit seiner Frau ein grosses Aktienpaket. Den ersten Werbekontrakt mit dem heutigen Jura-Aushängeschild Federer schloss er vor zwanzig Jahren ab. Während sich der Maestro heute vorab seinen Kindern widmet, sitzt Probst mit 68 Jahren auf dem Chefsessel: ein energiegeladener Unternehmer, der nicht wirklich ans Aufhören denkt. Hindernisse spornen ihn erst recht an.

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Donald Trumps erratische Zollpolitik nennt der studierte Betriebswirt «puren Merkantilismus», klein beigeben will er schon gar nicht. «Wir lassen uns den Markt nicht nehmen», heisst seine Ansage ans Personal, nicht bei 39, nicht bei 15 und auch nicht bei 10 Prozent Importzöllen. Während andere Kaffeemaschinenhersteller in der Schweiz Kurzarbeit verordnen und eine Produktionsverlagerung ins Ausland ins Auge fassen, hält er an den bereits vor Jahren festgelegten Wachstumsplänen fest und investiert im grossen Stil: 7 Millionen Franken in Niederbuchsiten, wo die Servicehalle nun einem schicken Showroom gleicht, 40 Millionen Euro ins Servicecenter in Singen (D), das demnächst eröffnet wird. Und 40 Millionen Dollar ins Hospitality Center in Lancaster im US-Bundesstaat Pennsylvania, das Ende August 2026 die Tore für die Kundschaft öffnen soll.

Marktleader in Amerikas Haushalten

Bei Probst wird nicht gekleckert. Das Geld, das er in die Zukunft steckt, entspricht immerhin einem Sechstel des Umsatzes der Firmengruppe. Macht es ein Bankkredit möglich? «Nein, wir zahlen alles bar.» Er gibt Vollgas in unsicheren Zeiten, selbst wenn es den Profit schmälert. «Ich habe lieber eine tolle Servicefabrik als mehr Dividende», meinte Probst 2024 beim Spatenstich in Lancaster – eine Einstellung, die wohl keiner der angereisten US-Politiker verstand. Der Chef hat ein Argument für sich, denn Jura ist nun definitiv der Leader im Premiummarkt der Kaffeeautomaten. 2025 wird er so viele Kaffeevollautomaten absetzen wie nie zuvor, gegen 80’000 Stück. Schade nur, meint Probst, dass diese Zahl nicht auf die Erfolgsrechnung durchschlägt, denn wegen des schwachen Dollar fällt das US-Ergebnis frankenmässig bloss wie im Vorjahr aus.

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Möglich macht das erstaunliche Ergebnis die mehr als solide Finanzausstattung der Firma. Über viele fette Jahre hat Jura die Firmenkasse dick ausgepolstert. «Es hat sich ausgezahlt, dass wir in guten Jahren Cash aufgebaut haben – das macht es einfacher», sagt der Chef. Wie einfach, zeigte er, als Trump für Importe aus der Schweiz hohe Zölle ankündigte. Da griff er zum Telefon und besprach sich mit Arthur «Turi» Eugster, dem Kaffeemaschinenfabrikanten aus der Ostschweiz, der mit seiner Firma Frismag seit über vierzig Jahren alle grossen Kaffeemaschinenmarken beliefert. «Da haben wir – zack – entschieden und die Produktion umgestellt.» Eugster verschob die Jura-Produktionslinie für den US-Markt von Amriswil TG nach Portugal und jene für den Export in die EU von Portugal nach Romanshorn TG. Um so von den tiefen US-Zöllen der EU profitieren zu können.

Und dann ging es schnell. Bis zum fatalen Telefonat zwischen Trump und Karin Keller-Sutter am 31. Juli, als die Zölle am folgenden Tag auf 39 Prozent hochschnellten, hatte Jura schon 52 Schiffscontainer mit 35’000 Kaffeeautomaten in die USA verfrachtet. Das verschaffte Probst erst einmal eine Verschnaufpause, denn die überquellenden Lager in Amerika würden nun zumindest bis Ende Jahr reichen. Ein Schachzug, der sich rechnete, denn bis auf weiteres verkauft Jura in den USA Kaffeemaschinen, die noch mit 10 Prozent verzollt wurden. Mit der Preiserhöhung im Sommer konnte die Marke sogar noch die Marge steigern.

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«Sip and Save» – nippen und sparen

Dank der erstaunlichen Preissetzungsmacht von Jura schluckte die US-Kundschaft die Verteuerungen bislang ohne Murren. Das liegt an der zielgenauen Positionierung, denn während die Konkurrenten De’Longhi, Bosch oder Philips das preissensitive Mittelsegment bis 1500 Dollar bespielen, kostet ein edles Jura-Gerät in den USA schnell das Dreifache. Ausgerechnet die Giga 10, der exklusivste Kaffeeautomat für den Privathaushalt, der auf den entsprechenden Portalen stolze 5500 Dollar kostet, ist der Renner im Sortiment. Diese Premiumpositionierung will sich Probst auf keinen Fall nehmen lassen. Dafür soll auch Werbeträger Federer sorgen, der für Qualität und Glaubwürdigkeit bürgt. Diese beiden Attribute, verkörpert vom weltweit strahlenden Sportstar, sei für Jura viel mehr wert, als wenn er ständig wiederhole, dass Jura die besten Kaffeeautomaten der Welt herstelle.

Zielgruppe sind in den USA die Dollarmillionäre, von denen es 25 Millionen gibt und die sich bislang von stolzen Preisen nicht abschrecken liessen. Allerdings könnte die Premiumstrategie mit der geplanten Preiserhöhung am 1. Januar an eine Grenze zu stossen. Vorsorglich hat man nun den Slogan «Sip and Save» lanciert und rechnet den Amerikanern vor, dass ein Jura-Hightechgerät, welches so viel wie eine Monatsmiete für ein Downtown-Studio kostet, gar nicht so teuer sei. Im Vergleich zum Kapselkaffeesystem könne man sogar noch sparen – und es sei erst noch ökologischer, weil kein Aluminiumabfall anfalle. Performance-Marketing heisst das in der Sprache von Probst: Eine Jura ist zwar teuer, aber sie rechnet sich. Ob die vermögenden Amerikaner die nächste Preiserhöhung ohne Widerspruch schlucken, ist intern allerdings umstritten. Das Team in den USA ist optimistisch, der Chef etwas weniger. «Wer richtig liegt, werden wir bald herausfinden», meint er.

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Bislang hatte Mr. Jura ein feines Gespür für Trends. Er setzte früh auf Federer, auf die USA, auf den Premiummarkt, auf eine Corporate Identity und auf Elektronik, die jede und jeden Kaffee-Aficionado zum Barista macht. Auf Elektronik wie die J.O.E.-App, mit der sich via Smartphone oder Apple Watch über dreissig verschiedene Kaffeearten abrufen und sich Uhrzeit, Kaffeemenge, Mahlgrad und Temperatur einstellen lassen. Sich auf die eigenen Stärken zu besinnen und sich nicht vom Weg abbringen zu lassen, gehört zu Probsts Grundsätzen. Gerade in stürmischen Zeiten will er nicht in Aktivismus verfallen. Auch die eingespielten Lieferketten möchte er nicht aufdröseln, wenn es drunter und drüber geht, und auch nicht jahrelange Partnerschaften wie jene mit Eugster wegen ein paar Rappen aufs Spiel setzen.

Da denkt er ähnlich wie Federer, der bei seinen Werbeverträgen auf Langfristigkeit setzt und bei umkämpften Games auf Experimente verzichtet. «Spiel den Ball, nicht den Gegner», erklärte Federer am diesjährigen Auftritt dem Jura-Personal – in der «Juraworld of Coffee» in Niederbuchsiten.

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Stefan Barmettler HZ

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