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Geschäftsberichte sind Informationsquellen, aber auch Werbemittel – die Bandbreite ist riesig. Wir zeigen die besten Reports der Schweizer Firmen.
Dirk Ruschmann
Die besten Geschäftsberichte: Einmal mehr hat BILANZ die besten Reports der Schweiz ermittelt.
Gerry Nitsch für BilanzWerbung
Wer sagt eigentlich, ein Geschäftsbericht sei per Definiton langweilig? In den Jurysitzungen des Geschäftsberichte-Ratings der BILANZ jedenfalls geht es ziemlich unterhaltsam zu und her. «Dieses Druckwerk», sagt ein Juror und hält eins der dicksten Bücher hoch, «ist extrem schön, taugt ansonsten aber gar nichts.» – «Die Sprache hier drin ist das reinste Bullshit-Bingo», ergänzt ein zweiter, der später über den Bericht einer Bank sagt: «Wenn ich Geld hätte, würde ich es denen geben.» Eine Jurorin fühlt sich bei einer anderen Publikation optisch «ein wenig an naive Malerei aus Appenzell erinnert». Und einem wurde beim Prüfen eines wenig nutzerfreundlichen Online-Reports «ganz duubedänzig».
Duubedänzig oder stigelisinnig wird man vielleicht in Basel, aber sicher nicht am anderen, östlichen Ende der Schweizer Geografie. Denn der Sieger des Geschäftsberichte-Ratings 2019 ist die Liechtensteinische Landesbank (LLB), dank ihrer Kotierung an der Schweizer Börse quasi geschäftsberichtlich eingemeindet.
1. LLB: Der Report der Liechtensteinischen Landesbank passt perfekt zum Unternehmen und zu seinen Botschaften: gepflegt, aber staubtrocken, klare Sprache und zurückhaltende, aber durchaus moderne und hochwertige Gestaltung.
Gerry Nitsch für Bilanz1. LLB: Der Report der Liechtensteinischen Landesbank passt perfekt zum Unternehmen und zu seinen Botschaften: gepflegt, aber staubtrocken, klare Sprache und zurückhaltende, aber durchaus moderne und hochwertige Gestaltung.
Gerry Nitsch für BilanzWerbung
Als einzige Bank, die in den vergangenen Jahren jemals die Top 3 erreichte, krönt die LLB damit ihren beharrlichen Aufstieg im Reporting, der so gesehen zwar nicht zwangsläufig kommt, aber «auch kein überraschender Meisterstreich» ist, wie Jurypräsident Hans-Peter Nehmer sagt, der im Vorstand des HarbourClub sitzt, also der Vereinigung Schweizer Kommunikationschefs, und im Hauptberuf die Öffentlichkeitsarbeit der Allianz Suisse verantwortet. Nehmer hatte eigens nachgeschaut: Seit zehn Jahren schafft es die LLB unter die zwölf besten Berichte. Und lässt damit viele Schweizer Schwergewichte, inklusive der beiden Grossbanken, alt aussehen.
Auf den zweiten Rang schob sich der Sanitärkonzern Geberit, der mit seinem aussergewöhnlichen Konzept einer Dreifaltigkeit aus «online only» für den kompletten Report, flankiert von einem Heft mit «Facts and Figures» und einer kleinen Jahreschronik in Buchform, die Informationsbedürfnisse verschiedenster Anspruchsgruppen vom Kleinanleger bis zum Finanzprofi abzudecken versucht und damit seit Jahren regelmässig in die Top 3 vorstossen kann.
2. Geberit: Das Geberit-Konzept der verschiedenen Medien für unterschiedliche Lesergruppen wirkt so modern wie eh und je, obwohl es schon acht Jahre auf dem Buckel hat. Inhaltlich verbreitert der Konzern das Angebot weiter.
Gerry Nitsch für Bilanz2. Geberit: Das Geberit-Konzept der verschiedenen Medien für unterschiedliche Lesergruppen wirkt so modern wie eh und je, obwohl es schon acht Jahre auf dem Buckel hat. Inhaltlich verbreitert der Konzern das Angebot weiter.
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Dritter wurde die Swisscom, im Jahr 2013 noch Sieger des Ratings, aber seit vier Jahren ohne Podiumsplatzierung, mit einem wie gewohnt trocken-soliden Jahresbericht, der den Schwerpunkt auf Information, nicht auf inspirierte Gestaltung legt.
3. Swisscom: Die Swisscom punktet mit erstklassigem Value Reporting. Detailreichtum und Qualität der Informationen sind hervorragend, erreichen den Leser aber sehr kleinteilig verpackt. Beim Design gibt es definitiv Luft nach oben.
Gerry Nitsch für Bilanz3. Swisscom: Die Swisscom punktet mit erstklassigem Value Reporting. Detailreichtum und Qualität der Informationen sind hervorragend, erreichen den Leser aber sehr kleinteilig verpackt. Beim Design gibt es definitiv Luft nach oben.
Gerry Nitsch für BilanzLange Gesichter dürfte es hingegen in der Kommunikationsabteilung von Clariant geben. Dreimal innerhalb der vergangenen fünf Jahre hatten die Chemiker den Sieg im Rating geholt, sich auch immer wieder erkennbar zu steigern versucht. Doch sosehr das ehrgeizige Design mit zahlreichen Schaubildern beeindruckt, beschlich doch mehrere Juroren der Eindruck, dass der mit seinem saudischen Grossaktionär ringende Chemiekonzern seinen Jahresreport immer mehr als hochglanzpolierte Marketingbroschüre versteht denn als nüchternen Informationstransporter.
Doch weil Clariant dennoch, vor allem in Bezug auf Social-Responsibility-Themen, vieles hervorragend macht, darf man aus den geheimen Juryberatungen so viel verraten: Nur knapp schrammte das Unternehmen dieses Jahr an einem erneuten Podestplatz vorbei.
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Seit drei Jahrzehnten existiert das Schweizer Geschäftsberichte-Rating inzwischen und dürfte in seiner umfassenden, systematischen Untersuchungsanordnung «weltweit einzigartig» sein, sagt Jurypräsident Nehmer – zwei Faktoren, die zu dem hohen Grad an Beachtung in der Kommunikationsbranche beitragen, den das Rating in der Schweiz geniesst.
Die Methodik ist ausgefeilt: Hier werden mitnichten schlicht Meinungen Einzelner gesammelt und addiert, sondern Inhalte in einem aufwendigen Prozess analysiert und dann objektiviert bewertet – nicht weniger als drei Jurys beugen sich über inzwischen 238 Geschäftsberichte, und zwar Print wie Online; die Zahlenwerke aller im Börsenindex SPI gelisteten Firmen, ergänzt durch die bedeutendsten Unternehmen ohne Börsenkotierung.
Eine erste Jury, fast 30 Studierende am Institut für Banking und Finance der Universität Zürich zur Teilwertung «Value Reporting», sprich: inhaltliche Qualität, stark, arbeitet sich mit einem umfangreichen Kriterienkatalog durch die Print- und Online-Berichte, koordiniert von Jurychef Professor Alexander Wagner und seinen Mitarbeitern Sascha Behnk und Leandro Künzli.
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Hier gilt es herauszuschälen, ob das Unternehmen vollständig und zutreffend über seinen Geschäftsgang berichtet, ob also in erster Linie auf Basis des Berichts ein fundierter Investitionsentscheid getroffen werden kann und ob in zweiter Linie auch andere Stakeholder wie Kunden, Lieferanten, die Hausbank, Analysten und Ratingagenturen, aber auch Umweltschützer und Presse ihren jeweiligen Informationsbedarf stillen können.
Der Kriterienkatalog der Finance-Experten deckt dabei seit je viele Punkte ab, die als «integrierte Berichterstattung» inzwischen eine Karriere in der Berichtspraxis starten: die gleichberechtigte Schilderung der wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Anstrengungen des Unternehmens, also nicht nur der Herstellung und Vermarktung von Produkten, sondern auch des Umgangs mit natürlichen Ressourcen.
Unabhängig von den inhaltlichen Ergebnissen bewertet eine zweite Jury, angesiedelt an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK), das Design der Berichte. Geleitet von Jonas Voegeli, preisgekröntem Designer und ZHdK-Dozenten, sowie seinem Co-Präsidenten Jiri Chmelik, Creative Director der Agentur Noir, leuchten elf weitere Spitzenvertreter der Designbranche die gestalterische Umsetzung der inhaltlichen Botschaften ab: Wer will diese Firma sein, welche Kompetenzen demonstrieren, und, vor allem, kommt die Botschaft beim Adressaten an? Handling und Aufbau, etwa die Benutzerführung im Internet, spielen ebenfalls eine Rolle.
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So entstehen vier Ranglisten (zwei Jurys, die jeweils getrennte Rankings für Print und Online erarbeiten), die anschliessend zu einem Gesamtranking zusammengerechnet werden. Aus diesem wandern die besten zwölf, dann wieder ohne Rangierung, vor das dritte Gremium, die aus Vertretern verschiedener Anspruchsgruppen besetzte Schlussjury.
In ihr vereinigen sich Mitglieder der beiden Vorjurys mit Expertinnen und Experten für Rechnungslegung, PR und Investor Relations, Unternehmenskommunikatoren, Analysten, Unternehmern sowie einem Wirtschaftsjournalisten. Diese Gruppe diskutiert noch einmal alle zwölf Berichte, Print wie Online, stellvertretend für die Stakeholder und deren jeweils spezielle Interessen. In geheimen Abstimmungen kristallisieren sich dann zunächst eine Spitzengruppe und schliesslich, nach einer weiteren Diskussion, die Reihenfolge der drei Gesamtsieger heraus.
(v.l.) Andreas Jäggi, Andreas Jäggi Kommunikationsberatung; Michel Gerber, Präsident IR Club und Kommunikationschef VAT Group; Jürg Trösch, Gründer und Mitinhaber Linkgroup; Ilona Gyöngyösi, Head Bondresearch ZKB; Dirk Ruschmann, Mitglied der Chefredaktion BILANZ; Bernhard Schweizer, Gründungspartner Sensus Communication Consultants und Dozent an der HWZ Zürich; Hans-Peter Nehmer (Juryvorsitzender), Vorstand HarbourClub und Kommunikationschef Allianz Suisse, Alexander Wagner, Professor am Institut für Banking und Finance der Universität Zürich, Anke Gerding, Partner bei FS Partners; Leandro Künzli, Mitarbeiter Institut für Banking und Finance; Mattia Conconi, Gottschalk + Ash International.
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Dass eine Bank den Hauptgewinn erzielt, ist durchaus eine Bemerkung wert: Die regulatorischen Anforderungen sind umfangreicher als in anderen Branchen, und das macht die Berichte der Grossbanken einigermassen schwer verdaulich. Aber die LLB besticht ausserdem mit klarer, schnörkelloser Sprache (ein Juror nannte es «erfreulich wenig Geseier») und «toller Haptik», sagt Rechnungslegungs-Expertin Anke Gerding.
Aber auch die Designfraktion zeigte sich angetan von «hoher Druckqualität und feinem Umgang mit der Typografie», was den Bericht letztlich als «hervorragendes Arbeitstool» qualifiziere, sagt Designer Mattia Conconi von Gottschalk + Ash, der die Gestaltungsjury im Schlussgang vertrat.
Die Schlussjury untersucht und bewertet die zwölf besten der 238 Berichte, die sich bei zwei Vorjurys herauskristallisiert haben. Dabei fängt sie wieder bei null an.
Gerry Nitsch für BilanzDie Schlussjury untersucht und bewertet die zwölf besten der 238 Berichte, die sich bei zwei Vorjurys herauskristallisiert haben. Dabei fängt sie wieder bei null an.
Gerry Nitsch für BilanzGeberit punktet sich mit ganz anderen Qualitäten auf den zweiten Platz. Die mehrteilige Konstruktion ist zwar in die Jahre gekommen, überzeugt aber als Idee nach wie vor – und auch Kritiker in der Jury anerkannten die Logik des Satzes «If it ain’t broke, don’t fix it». Zumal sich Geberits Report durchaus weiterentwickelt; die Informationsdichte im vollständigen Teil, der nur online figuriert, lobten Leandro Künzli von der Uni Zürich als Vertreter der Inhaltsjury und Ilona Gyöngyösi, die das Bondresearch der Zürcher Kantonalbank leitet und damit als klassische Adressatin des Reports gelten kann.
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Auch in der früher vernachlässigten Berichterstattung aus den einzelnen Geschäftssegmenten hat Geberit inzwischen zugelegt. Ein funktionierendes Designkonzept, das sich evolutionär verbessert – «das ist wohl der Porsche 911 unter den Geschäftsberichten», flachste Juror Jürg Trösch, Gründer und Mitinhaber des Kommunikationsdienstleisters Linkgroup.
Zwar wird sehr offen und gern auch polemisch diskutiert, doch die Abstimmungen finden per Wahlzettel statt. Das garantiert, dass kein Lobbying betrieben wird.
Gerry Nitsch für BilanzZwar wird sehr offen und gern auch polemisch diskutiert, doch die Abstimmungen finden per Wahlzettel statt. Das garantiert, dass kein Lobbying betrieben wird.
Gerry Nitsch für BilanzEher konzeptfrei wirkte dafür der Swisscom-Report auf viele Juroren. Einen beschlich gar der Eindruck, stellenweise hätten «die Autoren schlicht Templates abgefüllt». Dafür überzeugt der Bericht mit relativ konkurrenzloser Informationsdichte und wird für eilige Leser von einem gelungenen Kurzbericht in Heftform begleitet. Juror Bernhard Schweizer merkte an, die Geschäftsleitung sei «ein reiner Männerclub»; für einen Konzern, der mehrheitlich im Staatsbesitz ist, in der Tat kein Pluspunkt. Immerhin hat CEO Urs Schaeppi das offizielle Foto seines Managements erkennbar in jugendlicher Begeisterung mit dem Selfie-Stick geschossen.
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Hinter den Besten, die von Jahr zu Jahr auf ihrem hohen Niveau nur noch kleine Verbesserungen erzielen können, vollziehen andere Firmen Quantensprünge in ihrem Reporting. Punkto Design hat insbesondere Pharmamulti Novartis überzeugt, der mit grosszügiger Bildsprache sein komplexes Geschäft zugänglich macht; damit avanciert Novartis in der Teilwertung Design zum Aufsteiger des Jahres, knapp gefolgt von Duty-free-Anbieter Dufry und dem Maschinenbauer Liebherr.
In den Jurysitzungen des Geschäftsberichte-Ratings der BILANZ geht es ziemlich unterhaltsam zu und her.
Gerry Nitsch für BilanzIn den Jurysitzungen des Geschäftsberichte-Ratings der BILANZ geht es ziemlich unterhaltsam zu und her.
Gerry Nitsch für BilanzIn der Teilwertung Value Reporting hat sich Handelsdienstleister DKSH den Aufsteiger-Sieg verdient. DKSH punktete mit der Einführung eines Nachhaltigkeitsreports nach dem Standard der Global Reporting Initiative, der auch in Bereichen wie Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit einen qualitativen Anstieg bedeutet; Themen, denen die Jury hohe Bedeutung beimisst. Dahinter folgen Schliesstechnikspezialist Dormakaba, dem viele kleine Verbesserungen einen insgesamt kräftigen Sprung verschafften, und die Privatbank EFG, die erstmals konkrete Zieldaten auswies und damit punkto Transparenz und Glaubwürdigkeit bei den Anlegern zulegt.
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Auch dies letztlich ein Nachweis, dass Geschäftsberichte keine Papier gewordene Langeweile sind, sondern höchst lebendige und nützliche Quellen – und damit auch ziemlich unterhaltsame.
Das komplette Ranking inklusive aller Teilkategorien und der Ergebnisse der Vorjahre finden Sie auf der Website des Rankings, www.gbrating.ch – dort können Sie zudem die Geschäftsberichte als PDF herunterladen.
Dieser Text erschien in der Oktober-Ausgabe 10/2019 der BILANZ.
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