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Aldi-Suisse-Chef

«260 Filialen sind genug»

Jérôme Meyer tritt bei der Expansion auf die Bremse. Statt ­vieler neuer Standorte gibt es tiefere Preise.

Erich Bürgler, Redaktor BILANZ - fotografiert im September von Paul Seewer für BILANZ

<p>Jérôme Meyer weiss: Die Schweizer Kundschaft verlangt frisches Brot und Gemüse.</p>

Jérôme Meyer weiss: Die Schweizer Kundschaft verlangt frisches Brot und Gemüse.

Nathalie Taiana für BILANZ

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Aldi ist vor 20 Jahren in der Schweiz gestartet. Damals gab es dort kein frisches Brot, die Einrichtung war spartanisch. Wie viel Lehrgeld musste man zahlen, um die Kundschaft in der Schweiz wirklich zu verstehen?

Es hat sich tatsächlich viel getan bei uns. Die Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden haben sich in den letzten zwei Jahrzehnten aber auch stark verändert. Frisches Obst und Gemüse sind wichtiger geworden. Diesen Bereich haben wir stark ausgebaut, und wir zeigen unsere Frischware gleich beim Eingang. Ein wichtiges Detail war die Einführung eines grösseren Kassenbereichs, wo die Kundschaft in Ruhe ihre Ware einpacken kann. Viele fühlten sich davor an der Kasse gestresst. Die Einrichtung unserer Läden haben wir allgemein aufgewertet. Wir können heute bezüglich der Einkaufsatmosphäre mit den Grossverteilern mithalten.

Wie passen schicke Läden zu einem Discounter?

Ein schöner Laden muss nicht teuer sein. Wir sind ein Discounter geblieben. Effizienz steht bei uns im Zentrum. Das reicht von der Wahl der Möbel bis zu sämtlichen internen Abläufen. Wir verfügen über das fokussierteste Sortiment aller Discounter in der Schweiz. Auch das senkt die Kosten.

Die Migros hat die Preise vieler Artikel gesenkt. Es gebe nun keinen Grund mehr, zum Discounter zu gehen, so ihr Manager. Spüren Sie die Offensive?

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Nein. Wir haben festgestellt, dass deren Tiefpreise gar nicht so tief sind. Auf einen durchschnittlichen Warenkorb sind wir nach wie vor rund 20  Prozent günstiger. Bei uns muss die Kundschaft nicht Angst haben, dass sie für Artikel ohne Tiefpreisschild zu viel bezahlt und damit andere Waren quersubventioniert. Ein Grossverteiler soll die Preise eines Discounters abbilden können? Wer das behauptet, spricht von Zauberei.

Wie meinen Sie das?

Das ist reine Mathematik. Wir führen rund 1800 Artikel je Laden, ein Vollsortimentanbieter bis zu 40'000. Das bedeutet mehr Arbeit in der Filiale, höhere Kosten für Logistik, Kühlung, Immobilien etc. Die Konkurrenz kann nicht zaubern. Tiefpreisprodukte sind dort nur möglich, wenn man bei anderen Artikeln mehr draufschlägt. Als Kunde muss man da sehr gut aufpassen, was man genau in den Einkaufswagen legt.

Aldi hatte sich mal 300 Filialen in der Schweiz zum Ziel gesetzt. Täuscht es, oder sind Sie bei der Expansion auf die Bremse getreten?

Wir kommen in eine Konsolidierungsphase. Das ist für uns eine neue Ära. Wir werden bald auf 250 Standorte kommen. An jedem Punkt der Schweiz ist ein Aldi mit dem Auto in 15  Minuten erreichbar. Wir sind zum Schluss gekommen, dass rund 260 Standorte genug sind. Das heisst aber nicht, dass wir keine neuen Filialen mehr eröffnen. Wir werden unser Ladennetz optimieren. Wir überprüfen bei jeder Filiale, ob die Lage ideal ist oder ob wir im Umkreis eine bessere Location finden.

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Konkurrent Denner hat über 800 Filialen. Warum verabschieden Sie sich vom Ziel der 300 Standorte?

Wir haben in der Schweiz kaum noch weisse Flecken. Ein sehr dichtes Filialnetz erhöht die Kosten, und die einzelnen Standorte kannibalisieren sich.

Lidl hat in der Schweiz rund 60 Filialen weniger als Aldi, macht aber laut Zahlen des Marktforschungsinstituts Nielsen mehr Umsatz. Wie kann das sein?

Wie exakt solche Branchenschätzungen sind, bleibt dahingestellt. Grundsätzlich nehmen wir das aber als Ansporn, noch besser zu werden. Tatsache ist, dass wir seit Covid jedes Jahr die Anzahl der Kunden prozentual zweistellig steigern konnten. Das zeigt, dass wir unsere Sache nicht so schlecht machen. Zudem führen wir deutlich weniger Markenartikel im Sortiment als die Konkurrenz. Markenware ist teurer, und das zeigt sich im Umsatz.

<p>Der Chef von Aldi Suisse will den Marktanteil des Discounters noch deutlich steigern.</p>

Der Chef von Aldi Suisse will den Marktanteil des Discounters noch deutlich steigern.

Nathalie Taiana für BILANZ
<p>Der Chef von Aldi Suisse will den Marktanteil des Discounters noch deutlich steigern.</p>

Der Chef von Aldi Suisse will den Marktanteil des Discounters noch deutlich steigern.

Nathalie Taiana für BILANZ

Bedeuten weniger neue Standorte auch weniger Investitionen im Schweizer Markt?

Wir investieren weiterhin in der Schweiz. Wir können uns darauf konzentrieren, die Prozesse noch effizienter zu gestalten, und haben mehr Mittel zur Verfügung, um noch attraktivere Preise zu bieten. Darum konnten wir auch die Preise für Schweizer Fleisch deutlich senken – und zwar in allen Bereichen, auch im Bio-Segment. Wenn man mehr artgerecht produzierte Ware verkaufen will, geht das nur über den Preis. Fleisch ist zudem der Hauptgrund, dass viele im Ausland einkaufen gehen. Das wollten wir ändern.

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Planen Sie anderswo weitere Preissenkungsrunden?

Wir schauen uns an, wo es noch Potenzial gibt. Die Preise von Bio-Frischware sind genauso ein Thema wie die von Convenience-Produkten.

Stichwort Convenience: Aldi hat lange mit der Einführung von Self-Checkout-Kassen gezögert und steckt immer noch in der Testphase. Wann fällt ein Entscheid?

Wir haben uns entschieden. Das Angebot kommt schweizweit. Noch in diesem Sommer werden wir über 150 Filialen damit ausrüsten.

Aldi hat im Gegensatz zu vielen anderen Händlern keine App mit Bonusprogramm – sogar der Discounter Lidl hat eine. Warum verzichten Sie darauf?

Wozu brauchen wir ein Rabattprogramm? Wir bieten einfach bei jedem Produkt den besten Preis. Wir drängen den Kunden nicht dazu, heute mit Punkten eine Pizza Margherita zu kaufen und nächste Woche Kaffeekapseln. Wir sind immer günstig.

Die Vorteile von Treueprogrammen liegen auf der Hand. Das jeweilige Unternehmen erhält wertvolle Daten über die Kundschaft.

Und irgendjemand muss diese Daten auswerten, und das verursacht auch wieder Kosten, die irgendwo draufgeschlagen werden müssen. Zudem schätzen es bestimmt nicht alle, so viele detaillierte Daten über ihre Konsumgewohnheiten preiszugeben. Wer beim Rabattsystem nicht mitmacht, zahlt dann halt mehr.

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Die Schweizer Kundschaft gilt als qualitätsbewusst. Eine Zahnpasta der Aldi-Eigenmarke kostet 49 Rappen. Treffen solche Angebote wirklich den Nerv der Schweizerinnen und Schweizer, oder haben sie das Gefühl, zu dem Preis müsse das minderwertige Ware sein?

Solche Zurückhaltung gab es vor 20 Jahren bestimmt, doch das hat sich geändert. In zahlreichen unabhängigen Tests von Konsumentenmagazinen schneiden unsere günstigen Eigenmarken regelmässig gut ab und schlagen teure Markenartikel. Ein Beispiel: Unsere Paprikachips waren bei einer gross angelegten Blinddegustation von «Kassensturz» Testsieger, deutlich vor einer bekannten Schweizer Marke.

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Als einziger Discounter bietet Aldi den Onlineversand von Lebensmitteln. Sie haben das Liefergebiet zuletzt allerdings eingeschränkt. Hat das für Aldi wirklich Zukunft?

Wir wollen Aldi-now weiterhin anbieten. Generell ist es schwierig, qualitativ gute Lieferdienste mit genügend Kapazitäten zu finden. Für uns ist aber klar: Im Gegensatz zu einigen unserer Konkurrenten gibt es keine Quersubventionierung des Onlineversands.

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Der Weg in einen Supermarkt ist ja meist kurz. Die Schweiz hat eines der dichtesten Netze von Lebensmittelläden weltweit. Warum ist das eigentlich so?

Viele benutzen öffentliche Verkehrsmittel auf dem Weg zur Arbeit. Eingekauft wird öfter im Laden um die Ecke auf dem Weg nach Hause. Der grosse Wocheneinkauf wird seltener. Zudem ging es den grossen Schweizer Platzhirschen auch darum, Flächen zu besetzen, damit weniger Platz für aufstrebende Konkurrenten bleibt.

Die Migros stellt für ihr 100-Jahr-Jubiläum ein-Budget von über 70 Millionen Franken bereit und mietet zwei Tage lang das Gelände des Eidgenössischen Schwing- und Älplerfests. Wie feiert Aldi seine 20  Jahre in der Schweiz?

Wir feiern das im angemessenen Rahmen im September im Kongresshaus Zürich. Das wird eine richtig gute Party, um an diesem Tag allen Mitarbeitenden ein herzliches Dankeschön auszusprechen.

Sie sind schon 18 Jahre bei Aldi Suisse und seit gut fünf Jahren Länderchef. Nun kommt nach der Expansion die Phase der Konsolidierung. Ist es Zeit für etwas anderes?

Nein, mir wird es hier überhaupt nicht langweilig. Ihre Fragen zeigen, wie vielfältig die Themen sind. Ich will mit Aldi Suisse weiterhin wachsen. Derzeit liegt unser Marktanteil im prozentual einstelligen Bereich. Unser Ziel ist es, dass wir irgendwann eine zweistellige Zahl sehen. Ich bin überzeugt, dass wir das schaffen können. Ich habe ein Superteam in der Schweiz und bin voll motiviert.

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Zuletzt gab es Gerüchte über eine Fusion von Aldi Nord mit Aldi Süd. Wie würde dies das Schweizer Geschäft, das zur Unternehmensgruppe Süd gehört, tangieren?

Darüber mache ich mir keine Gedanken. Diese Gerüchte gibt es, schon seitdem ich bei Aldi bin. Daher sind solche Spekulationen für mich nicht relevant.

Über die Autoren
Erich Bürgler, Redaktor BILANZ - fotografiert im September von Paul Seewer für BILANZ

Erich Bürgler

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