Guten Tag,
Themen der Woche: Loud Fredy, Six-Desaster, Accenture-Semantik, Budligers Auftritt.
«Fredy Gantner, einst zurückhaltend, tritt nun lautstark auf und verbreitet seine Botschaften von der EU-Kritik bis zur Vermögenssteuer», ortet Chefredaktor Dirk Schütz.
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Von «Big Fredy» zu «Loud Fredy»: Erst verordnete sich Partners-Group-Grande Fredy Gantner Auftritts-Askese, dann drehte er richtig auf – von Arena über Tages-Anzeiger bis zu Gredig Direkt bringt er dieser Tage seine Rettungsbotschaft vom Zoll-Ablass im Oval Office unter die Leute. Und alle fragen sich: Was will er? Die grosse Politkarriere? Das Land retten? Geliebt werden?
Kleinster gemeinsamer Nenner: Sich bloss nicht festlegen. Unberechenbar, unvorhersehbar, widersprüchlich – das scheint in Zeiten von Trumps zur Strategie verklärter «ambiguity» auch sein Motto zu sein. Gegen die EU auf harter SVP-Linie schiessen, aber die linke Idee einer Erhöhung der Vermögenssteuer begrüssen. In einer monumentalen Parkanlage mit Seeanstoss ein Oligarchen-Anwesen errichten, aber rekordhohe Spenden verteilen. Als Bulldozer auftreten, aber sich als Prediger empathisch gegenüber den wirklich Bedürftigen zeigen. Und ja: Dazu noch eine Weltfirma aufbauen, den Deal mit dem mächtigsten Mann der Welt aufgleisen und den Bundesrat mit seiner Anti-EU-Initiative maximal verschrecken. Larger-than-life-Fredy: Zu gross für konventionelle Einordnungen.
Er kann sogar diplomatisch, was seine Annäherung an den Politbetrieb belegt. «Ich finde die Kritik wegen des Telefonats mit Trump unberechtigt», flötet er über das verunglückte Keller-Sutter-Telefonat mit dem Präsidenten – das krasse Gegenteil von dem, was im kleinen Kreis zu hören ist. Aber die wahre Politik wird nun mal in Parlament und Regierung gemacht, und deshalb muss er für eine echte Politkarriere den Sprung in eine Partei wagen. Doch schon da wird es schwierig. SVP? Rechte Mitte oder FDP? Weiss er wohl selbst nicht. Mit seiner zelebrierten Unberechenbarkeit signalisiert er Distanz zu den Niederungen der Parteipolitik. Doch sie nutzt sich schnell ab. Bald gilt das Motto: Put up - or shut up.
Da sage noch einer, CS-Leute seien vollkommen chancenlos bei der UBS. Zwar sitzt kein CS-Manager in der UBS-Konzernleitung. Doch wenn wie kolportiert der frühere CS-Schweiz-Chef André Helfenstein das Präsidium des Börsenbetreibers SIX übernimmt, dürfen wir hier zumindest ein leichtes Vertrauenssignal in die CS-Führungsriege sehen: Die UBS ist der grösste SIX-Aktionär, de facto kann Konzernchef Sergio Ermotti den neuen Präsidenten bestimmen. Dass sich Helfenstein, für die Integration des CS-Schweiz-Geschäfts bis Sommer letzten Jahres an Bord der UBS, im Übernahme-Prozess geflissentlich-geschmeidig präsentiert hat, war sicher ein Asset.
Jedoch: Dass die Six auf eine derart abschüssige Bahn geriet, hat auch er zu verantworten - mit fünf VR-Jahren ist er genauso lang dabei wie der glücklose Thomas Wellauer, den er jetzt beerben soll. Gewiss, die wilde Expansion mit der Beteiligung am französischen Zahlungsdienstleister Worldline fiel noch in die Amtszeit von Wellauer-Vorgänger Romeo Lacher, dessen Wirken mit «glücklos» deutlich zu mild beschrieben wäre. Aber beim Krisenmanagement glänzten weder Wellauer noch Helfenstein. Die SIX wacht über die borsenkotierten Schweizer Firmen und pocht auf harte Transparenzregeln. Wäre sie selbst kotiert, wie die meisten anderen grossen Börsenbetreiber, wäre ihr Missmanagement der letzten Jahre schneller und klarer transparent geworden.
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Wirklich bekannt ist die Amerikanerin Julie Sweet in der Schweiz nicht. Nur Insider kennen sie durch ihre unrühmliche Rolle im WEF-Drama: Die Chefin des Beratungsriesen Accenture war Mitglied des Audit and Risk-Komitees, das ohne Rücksprache mit den anderen Stiftungsrats-Mitgliedern aufgrund hanebüchener anonymer Anschuldigungen eine Untersuchung gegen den Gründer Klaus Schwab lostrat. Sie lösten sich in Luft auf. Substanz: Dünn.
Jetzt fällt sie mit einer interessanten Marketing-Offensive auf. Weit verbreitet ist ja mittlerweile, dass sich die Leitenden der Personalabteilungen nicht mehr «Head of HR», sondern «Chief People Officer» nennen. Klingt deutlich empathischer. Doch was macht man, wenn man der fast unglaublichen Zahl von 800 000 Angestellten vorsteht? Sie einfach Mitarbeitende «employees» nennen? Deutlich zu trivial. Bei Accenture ist jetzt jeder von ihnen auf Sweets Anordnung hin ein «Reinventor» – ein Neuerfinder also. Und es sind natürlich all die neuen AI-Tools, mit denen sie die Welt der ihrer Kunden neu erfinden sollen. Kann man für eine geniale Marketing-Idee halten. Oder ein Alarmsignal, dass der AI-Hype schon die luftigen Höhen der Semantik braucht, um die Kunden zu erreichen.
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Da hat auch sie ihr Schweigen gebrochen: Nach Gantners Grossoffensive meldete sich am Dienstag die Seco-Chefin Helena Budliger Artieda via NZZ zu Wort. Offensichtlich ist der Aufklärungs-Bedarf gross: Der Blick erhob in einer Umfrage eine verstörend-weltfremde Deal-Ablehnung von 69 Prozent. Man könnte fast sagen: Budliger ist das neue Kraftzentrum in Bern, umso mehr, als dass ihr Chef Parmelin nächstes Jahr Bundespräsident wird und die Schweizer Delegation bei den grossen Trump-Festspielen im Januar in Davos anführen wird.
Stark: Sie tritt wohltuend bescheiden auf, und dazu noch kompetent. Wer sich überzeugen will: Sie ist auch Gast in unserem «Bilanz Business Talk», der erstmals am Sonntag und dann mehrere Male in der nächsten Woche ausgestrahlt wird - mit prominenten Mitstreitern.
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