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Jean-Christophe Babin über die US-Zölle, das Schmuckgeschäft und die Babyboomer als neue Zielgruppe.
Jean-Christophe Babin gilt als einer der profiliertesten Manager in der Luxusgüterindustrie. Er hat den römischen Juwelier Bulgari in 13 Jahren erfolgreich ganz neu positioniert.
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Durchsetzungskraft und Vision zeichnen Jean-Christophe Babin aus. Seit 2013 führt der Franzose das römische Traditionshaus Bulgari und hat die Marke in eine beispiellose Wachstumsphase geführt: Der Umsatz hat sich in dieser Zeit mehr als verdoppelt, und Bulgari zählt heute zu den profitabelsten Marken im LVMH-Portfolio. Vor allem mit der preisgekrönten Octo-Finissimo-Linie hat er Bulgari in der Uhrmacherei international etabliert und ihr einen Platz in der Spitzenklasse gesichert. Parallel wuchsen das Schmuck- und das Hotelsegment rasant. Als CEO von LVMH Watches trägt Babin zudem die Verantwortung für TAG Heuer, Zenith und Hublot – eine seltene Konzentration von Markenverantwortung. Das Gespräch mit ihm fand im frisch renovierten Hauptsitz von Bulgari Watches in Neuchâtel statt.
Ich war sehr überrascht, hoffe nun aber, dass es nicht dabei bleibt. Die letzten paar Monate haben gezeigt, dass sich die Dinge manchmal sehr rasch ändern können. Die Hoffnung besteht, am Ende der Verhandlungen EU-Niveau zu erreichen. Das wäre etwas leichter zu verdauen, aber natürlich immer noch wesentlich mehr als in der Vergangenheit.
Wir haben zunächst keine Änderungen vorgenommen. Wir haben einiges Inventar in den USA und sind nicht gezwungen, sofort zu reagieren. Die Gespräche laufen, und wir beobachten die Situation sehr genau, stellen uns aber erst einmal darauf ein, dass es bei den 39 Prozent bleibt, und prüfen verschiedene Optionen, um die beste Entscheidung zu fällen.
Wenn man heute eine ehrgeizige Luxusmarke ist, sind die USA neben China und Europa sehr wichtig, denn das ist die Welt des Luxus. Die USA sind allein schon wegen der Grösse zentral und auch wegen des Potenzials für uns in Zukunft. Nirgends ist das Begehren nach Luxus grösser, und nirgends gibt es in absoluten Zahlen so viele sehr wohlhabende Leute. Bulgari ist im Vergleich zu anderen Luxusmarken ja noch nicht sehr lange in den USA präsent. Nicola Bulgari hat den Markt 1972 mit High Jewelry betreten – und die Marke auch in dem Bereich positioniert. Daher galt Bulgari dort auch als sehr teuer.
Wir haben vor zehn Jahren entschieden, dass die USA einer unserer wichtigsten Märkte werden sollten, und dann angefangen, unsere regulären Kollektionen, namentlich Alltagsuhren und -schmuck, zu pushen – mit Werbung und Ausbau des Distributionsnetzes. Den Umsatz haben wir damit inzwischen verdreifacht, und aus einem mittleren Markt ist für uns eine tragende Säule geworden. Die USA sind heute unter unseren Top 3, vor zehn Jahren waren sie auf Rang 11.
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Interessanterweise ist es genau das High-End-Segment, das aktuell besser Widerstand leistet als der ganze Rest. Wir werden das nutzen, um einige Schwächen beim Einstiegslevel zu kompensieren und so bei gleich bleibenden Preisen bessere Margen zu erzielen.
Jean-Christophe Babin blickt der Zukunft lachend entgegen und sieht einen «riesigen Booster für unsere Industrie» am Horizont.
Torvioll JashariJean-Christophe Babin blickt der Zukunft lachend entgegen und sieht einen «riesigen Booster für unsere Industrie» am Horizont.
Torvioll JashariEs kommt gerade viel zusammen. Einige Marken leiden, während einige andere weiterhin sehr stark unterwegs sind. Viele werden das Jahr voraussichtlich etwa auf dem Vorjahresniveau abschliessen. Von einer generellen Krise würde ich da nicht reden. Aber: Die Leute sind vorsichtiger geworden und verschieben teure Anschaffungen auf später. Das wirkt sich selbstverständlich auf den Umsatz aus.
Das ist der Punkt. Wenn Sie eine neue Markentasche sehen, die Ihnen gefällt, kaufen Sie sie, weil Sie damit rechnen müssen, dass es sie nächstes Jahr nicht mehr gibt, weil sich in der Modebranche alles ändern muss, um das Rad am Laufen zu halten. Bei Uhren und Schmuck machen die erfolgreichsten Marken genau das Gegenteil. Meine Uhr hier gibt es nächstes Jahr und das Jahr darauf auch noch. Es gibt entsprechend null Druck, jetzt zu kaufen.
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Jean-Christophe Babin (66) ist in Paris geboren und heute «Neuchâtelois d’adoption». Er hat an der HEC in Paris General Management & Marketing studiert und war danach bei den Konsumgüterfirmen Procter & Gamble, Benckiser und Henkel unter Vertrag. Im Jahr 2000 wechselte er in die Uhrenindustrie und übernahm die Leitung von TAG Heuer; 2013 wurde Babin CEO von Bulgari. Seit dem 1. April 2025 führt er zusätzlich die Uhrendivision von LVMH mit den Marken TAG Heuer, Hublot und Zenith. Babin ist verheiratet und Vater von sechs Kindern.
Sehr vielversprechend. Ich sehe einen grossen Wachstumstreiber am Horizont. Es wird in den nächsten Jahren eine massive Verschiebung von Ressourcen von den Babyboomern zu jüngeren Generationen stattfinden. Ich bin jetzt 66, und in 20 Jahren bin ich gemäss Statistik vermutlich nicht mehr auf der Welt. Eine meiner Töchter ist dann in ihren Dreissigern – und es wird für sie buchstäblich Geld vom Himmel regnen.
(Lacht.) Natürlich! Stellen Sie sich vor, Babyboomer besitzen heute 70 Prozent des weltweiten Vermögens. Diese Ressourcen werden in den kommenden Jahren an die Millennials und die Gen Z vererbt, und sie werden damit umzugehen haben. Das eröffnet spannende Zukunftschancen für Marken, die frühzeitig auf die Bedürfnisse dieser Generationen eingehen.
Wir haben die Babyboomer nun zu einer wichtigen Zielgruppe erklärt. Sie haben Geld, wissen, dass sie keine sechzig Jahre mehr leben, und wollen es umso mehr geniessen. Bislang hat sich die Luxusindustrie ja kaum um diese Generation gekümmert, was auch der Grund dafür ist, dass sie Luxus nicht gross konsumieren. Gelingt es uns, sie zu gewinnen, können wir hier kurzfristig ein interessantes Geschäft aufbauen.
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Ja, sicher, ich bin ja einer von ihnen, aber ausbreiten werde ich das zum jetzigen Zeitpunkt nicht.
Ich nenne keine Zahlen, kann aber sagen, dass Schmuck und High Jewelry die wichtigsten Divisionen von Bulgari und viel grösser als alle anderen Divisionen sind. Und sie wachsen stetig und solid zweistellig.
Wir werden dort die Mitarbeiterzahl von 1100 auf 1600 steigern und den Umsatz bis 2029 verdoppeln.
Die neuen Kapazitäten werden nicht zu einer Überproduktion führen, sondern dazu dienen, mehr intern herzustellen und weniger auszulagern. Zudem: Es werden erst etwa 25 Prozent mit Schmuck umgesetzt, der von einer global operierenden Marke wie Bulgari oder Cartier hergestellt wird. Der grosse Rest ist vollkommen zersplittert, da gibt es viel Potenzial für uns.
Drei Dinge. Erstens: Es ist absolut zentral, eine einfache Vision zu entwickeln und dann alle im Unternehmen darauf einzuschwören. Als ich bei Bulgari angefangen habe, hat etwas ganz Wesentliches einfach gefehlt: das Bewusstsein, dass wir Römer sind. Diese wundervolle Tatsache ist heute der Nukleus unseres Selbstverständnisses, der Rahmen für unseren Style, die Inspirationsquelle für das Design – und ein Schlüssel für unseren Erfolg.
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Fokus. Unser Fokus sind Uhren und Schmuck. Darüber rangieren High-End-Schmuck und -Uhren und darunter Einstiegsprodukte wie Accessoires und Düfte.
Bulgari hat sich im Bereich Uhren innert zehn Jahren etabliert.
Torvioll Jashari für BILANZBulgari hat sich im Bereich Uhren innert zehn Jahren etabliert.
Torvioll Jashari für BILANZDie Hotels füttern unsere High Jewelry und die High-End-Uhren. Mit ihnen ziehen wir eine Klientel an, die bereit ist, für eine Nacht 5000 bis 15’ 000 Euro zu bezahlen. Diese Leute können auch eine Million oder mehr ausgeben für ein schönes Collier oder eine halbe Million für eine Grande Complication.
Gewissermassen. Diese Klientel zu gewinnen, ist für uns herausfordernd. Eine Modemarke wie Louis Vuitton hat die wohlhabende Kundschaft bereits, welche die Haute Couture kauft. Wenn diese Marke dann anfängt, wertvollen Schmuck zu machen, hat sie bereits einen Kreis von Leuten, die bei ihr schon schön viel Geld ausgeben. Und die dann auch interessiert sind, wenn die Marke ihnen auch noch schönen Schmuck anbietet. Unser Weg führt über unsere Hotels.
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Nein. Wir haben an einzelnen Standorten Panels mit Schmuck, den man kaufen kann. Aber darum geht es uns gar nicht. In einer Boutique haben Sie einen Kunden für 20 Minuten bis eine Stunde bei sich. Im Hotel bleiben die Leute eine Nacht bis ein paar Tage und entdecken Facetten wie Stil, Service, Italianità und Noblesse von Bulgari, in der Bar, im Spa, in der Suite.
Höchstens ganz subtil: In Mailand schlägt ihnen der Concierge vielleicht vor, in der Boutique an der Via Napoleone einen Kaffee trinken zu gehen oder dort die Einkaufstüten zu deponieren. Sind sie dann da und man sieht, dass ihre Uhr eine Politur vertragen könnte, schlagen wir das vor und machen es. Lauter solche Kleinigkeiten eben, das schafft Verbindung zur Marke, der Rest kommt dann von allein.
Neun sind derzeit in Betrieb, und in den nächsten vier Jahren werden wir fünf weitere eröffnen. Es handelt sich um die teuerste und mit durchschnittlich nur 85 Suiten auch exklusivste Hotelgruppe der Welt.
«Ich gebe mir gerade viel Mühe, dass meine Kollegen jetzt verstehen, dass das nicht das Ende der Welt ist.»
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Immer, wirklich immer, positiv sein …
Generell und in Zeiten wie diesen muss man in der Organisation für Zuversicht sorgen. Ich bin von Natur aus ein fröhlicher und optimistischer Typ und gebe mir gerade viel Mühe, dass meine Kollegen jetzt verstehen, dass das nicht das Ende der Welt ist, sondern nur eine neue Welt, die es zu gestalten und deren Vorteile es für sich zu nutzen gilt.
★ Berge oder Meer? Ich liebe den Neuenburgersee und die wunderschöne Aussicht auf die Berge dahinter.
★ Paris oder Rom? Natürlich Rom, die meisten Menschen wollen irgendwann da hin, und die Stadt ist das grösste Juwel von Bulgari.
★ Massanzug oder von der Stange? Von der Stange. Ich habe das Glück, dass ich normalerweise perfekt in Grösse 50 oder 52 passe. Meine Anzüge für den Alltag kaufe ich am liebsten bei den kleinen italienischen Herstellern – von denen es in Rom viele gibt.
★ Dior oder Louis Vuitton? Für Männer Louis Vuitton. Selber trage ich einen Anzug von Zegna, wenn es sehr elegant sein soll.
★ Porsche oder Ferrari? Für mich als Italiener: Ferrari. Aber ich besitze auch einen Porsche.
★ Tanzen oder Joggen? Ich bin ein lausiger Tänzer.
★ Skifahren oder Tauchen? Ich bin ein klassischer Saisonsportler: Im Winter fahre ich Ski, im Sommer tauche ich. Dazwischen bin ich sportlich wenig aktiv.
★ Buch oder Film? Film, wegen der Bewegung, der Musik, des Ausdrucks. Weckt bei mir viel mehr Emotionen.
★ Tag oder Nacht? Tag, weil er meist länger ist als die Nacht.
★ Champagner oder Rotwein? Rotwein, keinen bestimmten, da bin ich vielseitig.
Dass kein Tag, keine Stunde gleich ist. Das ist sehr stimulierend.
Ich bin nun seit 13 Jahren bei Bulgari und habe ein starkes Team, an das ich vieles delegieren kann. Das verschafft mir Kapazität. Bulgari Watches ist in Neuchâtel, also in unmittelbarer Nähe zu den drei Marken, und ich verbringe auch aus familiären Gründen jede Woche Zeit hier. Jetzt einfach noch etwas mehr.
Strategie und Markenpositionierung schärfen, Portfolios und Preise überdenken und für die nächsten Jahre definieren. Zudem möchte ich mit meinen 35 Jahren Erfahrung in der Industrie jüngeren Managern den Wert von raschen Entscheiden schmackhaft machen, die sich lohnen, auch wenn man ab und zu riskiert, Fehler zu machen. Ist doch besser, als zu warten und Marktanteile zu verlieren.
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Ich schätze alle vier gleichermassen aus verschiedenen Gründen, ich verstehe ihre Stärken und Unterschiede, und ich mag die Leute, die dort arbeiten.
In Italien kann man ab 67 in Rente gehen, die Regierung empfiehlt Alter 70. Bei LVMH haben wir die Philosophie, gute Leute möglichst zu behalten. Solange Herr Arnault Lust hat, mit mir zu arbeiten, ich Energie habe und meine Frau einverstanden ist, habe ich keinen Grund, aufzuhören.
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