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BILANZ-Briefing

Beinahe Höchstnote für Nationalbank-Chef

Themen dieser Woche: Schlegels Start, Lagarde und WEF, CS-Chuzpe, Resilienz, bitte.

Dirk Schütz

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«Aber um nicht zu vorweihnachtlich gütig zu erscheinen, müssen wir doch einen Kritikpunkt nennen: Martin Schlegels harte Haltung bei der UBS-Regulierung», sagt BILANZ-Chefredaktor Dirk Schütz. 

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Der Gegensatz könnte kaum grösser sein: Dort Notenbank-Leitwolf Jay Powell, der seine Tage an der Fed-Spitze zählen kann und am Mittwoch seine Zinssenkung nur gegen offenen Widerstand durchsetzen konnte. Hier Nationalbank-Chef Martin Schlegel, der noch am Anfang seines Regnums steht und gestern souverän-bestimmt und ohne Widerstände den aktuellen Zinsstand von 0,0 bestätigte. Was am Ende seines ersten vollen Präsidenten-Jahres zu der Frage führt: Wie schlägt sich Schlegel? Die Antwort lautet: ziemlich gut. Mit der Zinssenkung von nicht erwarteten 0,5 Prozent vor einem Jahr gleich zum Antritt Durchsetzungsstärke demonstriert, seitdem behutsam und mit klar kommunizierter Negativ-Zins-Phobie unterwegs, dazu eine leichte, wenn auch primär symbolische Transparenz-Öffnung durch die Veröffentlichung von Sitzungsprotokollen, abgemischt mit offen demonstriertem Teamgeist. Bewertung: Nah an der Höchstnote.

Aber um nicht zu vorweihnachtlich gütig zu erscheinen, müssen wir doch einen Kritikpunkt nennen: Schlegels harte Haltung bei der UBS-Regulierung. Vielleicht hilft ein Blick auf die einst mächtigste Notenbank der Welt: Die Bank of England veröffentlichte kürzlich einen Bericht mit Massnahmen, die explizit die Wettbewerbsfähigkeit der britischen Banken stützen sollen. Die haben es nötig, mag man da anmerken. Doch der risikoarmen UBS die höchsten Kapitalquoten der Welt aufzubrummen, ist ein Vergehen am Finanzplatz und damit am Schweizer Wohlstand - eine Einsicht, die immer stärker auch im Parlament reift. Bei seinem Medienauftritt gestern zeigte Schlegel bereits taktische Souplesse: Die Frage nach der UBS-Regulierung spedierte er filigran an seinen Vize Antoine Martin, zuständig für die Bankenstabilität, und der kultivierte die Kunst des Nicht-Sagens. Mehr Widerstand gegen die Kapitalturbos bei Finma und Finanzdepartment: Das gäbe die volle Höchstnote.

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Lagarde-Spekulationen

Und wo wir schon in der grossen Notenbank-Welt sind: Nicht nur in Washington, sondern auch in Frankfurt nähert sich ein Regnum dem Ende – mit indirekten Auswirkungen auf die Schweiz. EZB-Präsidentin Christine Lagarde tritt zwar erst im Oktober 2027 ab, doch das Nachfolge-Karussell dreht bereits – am Montag verkündete das deutsche Direktoriums-Mitglied Isabel Schnabel offen Interesse. Das will nicht viel heissen: Dass Deutschland neben dem EU-Kommissions-Vorsitz auch das EZB-Präsidium besetzt, ist wenig wahrscheinlich. Der Weg führt wie das letzte Mal über Paris. Und hier kommt ein Faktor in Spiel, der den Prozess beschleunigen könnte. Franzosen-Präsident Macron muss seinen Posten im Mai 2027 räumen, hat aber bereits signalisiert, dass er bei der Auswahl des wichtigsten Eurozonen-Postens sein Gewicht einbringen will. Und das könnte den Prozess beschleunigen – und Lagarde, wenn sie denn will, schon früher als bislang angenommen zur WEF-Präsidentin ausgerufen werden. Denn noch immer, so hält es die WEF-Satzung fest, darf Gründer Klaus Schwab seine Nachfolge selbst regeln, und Lagarde ist seine erklärte Favoritin. Wie wusste doch schon der grosse Forschungsreisende Alexander von Humboldt: «Alles hängt mit allem zusammen».

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Rudloffs Vermächtnis

Von den Notenbanken zu den Grossbanken: Da gilt es den Tod eines Mannes zu beklagen, der in den achtziger Jahren Ikonen-Status hatte: Hans-Jörg Rudloff. Letzte Woche im Alter von 85 Jahren in seiner Wahlheimat Genf verstorben, baute der schweizerisch-deutsche Bankgrande für die Credit Suisse in London mit Charme, Chuzpe und Rasanz das Geschäft mit Eurobonds auf, was ihm das Etikett des «King of the Euromarkets» einbrachte. Sein Vorteil sei es gewesen, sagte Rudloff einst, «dass ich die Erlaubnis hatte, um 10 Uhr abends einen Deal abzuschliessen, während ich bei jeder anderen Bank zu zehn verdammten Komitees hätte gehen müssen, um überhaupt irgendeinen Deal abzuschliessen.» Laut Financial Times besiegelte er die Geschäfte gern bei Champagner in dem Nachtclub Annabel’s, dessen Chef er war. Er stürmte mit der CS auch als erste internationale Grossbank Anfang der neunziger Jahre ins chaotische Russland. Am Ende gab es dort einen Milliardenverlust, da war er schon weg. So war damals das wilde Bankerleben, spätere Herzinfarkte inklusive – aber vor allem bei der Credit Suisse. Jetzt gibt es die Bank nicht mehr. Die UBS zählte schon damals zu den Banken mit all den verfluchten Komitees.  «Culture eats strategy for breakfast» lautet das legendäre Verdikt des Managment-Gurus Peter Drucker. In der Tat.

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Nächste Woche: Widerständsfähige Schweiz 

Es ist die letzte volle Woche vor Weihnachten, die Terminkalender der Wirtschaft dünnen sich, es bleiben die letzten Firmen-Weihnachtsfeiern nach einem ermattenden Jahr. Zwar wollen uns KOF und Seco am Montag noch mit ihren Konjunktur-Prognosen für den Winter beglücken, und die Frage wird sein, ob sie trotz Zolleinigung weiter einen Rückgang des Wachstums unter die 1-Prozent-Schwelle prognostizieren. Aber davon sollten wir uns keinesfalls die Vor-Weihnachtsfreude stören lassen. Wenn die Schweizer Wirtschaft in diesem Jahr einmal mehr eines gezeigt hat, dann ist es ein Aggregatzustand, der neudeutsch mit «Resilienz» beschrieben wird. Diese Prognose sei gewagt: Sie wird sie auch im Neuen Jahr demonstrieren.

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Dirk Schütz

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