Abo
BILANZ-Briefing

Abgang mitten in der Sparphase

SRF-Direktorin Nathalie Wappler kündigt nach sieben Jahren ihren Rücktritt an. Ihr Abgang fällt in eine kritische Phase für den Sender, da eine wichtige Abstimmung bevorsteht.

Dirk Schütz

Bilanz Briefing Dirk Schütz  Bilanz Briefing
«Nathalie Wapplers Abgang wirkt nicht gerade verantwortungsbewusst», sagt Chefredaktor Dirk Schütz.  Bilanz

Werbung

Dieser Abgang wirkt freiwillig: Dass SRF-Direktorin Nathalie Wappler auf Ende April nach dann mehr als sieben Jahren an der Spitze geht, ist kein Rausschmiss, und dass sich die einstige Kultur-Journalistin besten Management-Sprech angeeignet hat, belegen ihre Begründungen: Länger im Amt als der CEO-Durchschnitt, neue Herausforderungen vor der bösen 60, grosse Dankbarkeit. Aber dennoch, so viel Kritik muss sein: Die Abstimmung zur Halbierungs-Initiative findet voraussichtlich im März oder Juni statt, also kurz vor oder nach ihrem Abgang. Der Sender ist durch das grosse Sparprogramm ohnehin schon geschwächt, jetzt tritt Wappler mit ihrem Abgang mitten in der Abstimmungsphase ohne Not eine Nachfolgedebatte los. Ihr 60. Geburtstag ist übrigens erst in zweieinhalb Jahren. Da neigen wir hier zur calvinistischen Seite: Wirkt nicht gerade verantwortungsbewusst.

Adieu Freixe

Was gibt es Schöneres, als Franzose zu sein? Der geschasste Nestlé-Chef Laurent Freixe wuchs in Paris auf, und natürlich hat man in der Stadt der Liebe wenig Verständnis für einen Rausschmiss wegen einer Affäre mit einer Untergebenen. Dem glücklosen Präsidenten Hollande wurde nie seine Affäre vorgehalten – nur dass er sich nachts zu ihr auf dem Motorroller klandestin aus dem Elysee stahl: Das ging gar nicht. Der Rausschmiss des Nestlé-Chefs werfe viele Fragen auf, befindet dann auch das Pariser Nachrichtenmagazin Le Point  – er sei eine «Attacke auf Intimität und Privatleben» und ein «Eindringen des Aktionärs in das Schlafzimmer des Managers». Dass Freixe gegen den von ihm unterschriebenen Code of Conduct verstossen und den Verwaltungsrat belogen hat: Aus Pariser Optik Petitessen - macht doch jeder. Die calvinistischen Schweizer: Sinnenfeindliche Moralapostel. Und dass ein derartiges Verhalten auch bei den entscheidenden angelsächsischen Grossanlegern auf dem Index steht und schon deshalb dem Verwaltungsrat keine Wahl blieb: In Paris nicht so relevant.
 
Aber natürlich: Die Investoren-Optik lieferte zusätzliche Argumente. Unter dem glücklosen Minimal-Dynamiker Freixe war der Kurs um 20 Prozent gesunken – hätte der Verwaltungsrat bei einer Verdoppelung ähnlich rüde gehandelt? Wir werden es nie erfahren. Der 63-jährige war nach  Kurssturz und ernüchternden Halbjahreszahlen ein Mann auf Abruf, nur sollte der Abschied eher einige Monate nach Antritt des neuen Präsidenten Pablo Isla im nächsten April kommen. Der Kurs lag gestern schon wieder ordentlich über der Delle nach der Rausschmiss-Verkündung. In seiner Heimat bleibt Freixe voll vermittelbar. «L'amour n'a jamais, jamais connu de loi»: Die Liedzeile aus Bizets Carmen ist de facto ein französisches Grundrecht. Die Liebe steht eben immer, immer über dem Gesetz. La France…

Partner-Inhalte

Müllers Austritt

Und auch dieser Mann geht freiwillig: Nach nur viereinhalb Jahren als Raiffeisen-Präsident und im fast schon jugendlichen Präsidentenalter von 60 Jahren hat Thomas Müller am Dienstag seinen Rückzug auf die nächste Generalversammlung verkündet. Selbstverständlich gibt es auch hier die schönen offiziellen Begründungen: Gute Geschäftszahlen, hervorragende Kapitalisierung, Start in eine neue Strategieperiode «als richtigem Zeitpunkt, um das Präsidium in neue Hände zu legen.» Aber das ist kaum alles. Fakt ist: Die Bestellung des neuen CEO Gabriel Brenna ist kein Zeichen von Kontinuität – offenbar gab es im Verwaltungsrat ein starkes Lager, dass über die Wahl des ETH-Mc-Kinsey-Mannes mit dürftigem Raiffeisen-Stallgeruch deutlich mehr Strategie-Änderung forderte als Müller für notwendig hielt. Interims-Chef Christian Poerschke war der Kandidat der Kontinuität. Er fiel durch und muss ins zweite Glied zurücktreten – und offenbar geht Müller lieber, als sich mit weitgehend fachfremden Räten eine neue Strategiedebatte anzutun. Motto: Muss ich nicht haben.

Nächste Woche: Bayrous Adieu

Schliessen wir mit Frankreich und einem weiteren Abgang: Am Montag dürften wir die heroische inszenierte Abtritts-Variante erleben. Die erwartbare Niederlage des französischen Premiers Bayrou bei der von ihm ohne Not einberufenen Vertrauensfrage dürfte die Regierung nach gerade acht Monate zum Stürzen bringen. Frankreich wird das neue Italien, doch immerhin: Bayrou blieb auch als Regierungschef Bürgermeister der Pyrenéen-Stadt Pau, und da liess er während seiner Zeit in Paris sein Büro für mehr als 40 000 Euro renovieren. Jetzt kann er gediegen zurückkehren. La France…

Werbung

Über die Autoren
Dirk Schütz

Dirk Schütz

Dirk Schütz

Werbung