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Rennräder

Hightechrenner und Klassiker: Rund ums Rad

Das Rad kann man nicht neu erfinden. Aber alles drum herum. So sind die neusten Rennräder wahre Hightech-Boliden. Parallel dazu geht der Trend aber zu klassischen alten Stahlrennern.

Stephan Gubler

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Tour de France 2015 – wer das härteste und längste Radrennen der Welt ­in diesem Jahr ­gewinnen wird, steht noch in den Sternen. Bereits weitestgehend bekannt ist dafür das Siegervelo. Man weiss zwar noch nicht, welche Marke ­gewinnen wird, doch man weiss schon ganz genau, wie das Rad des Champions beschaffen sein wird: Es wird ­praktisch ausschliesslich aus dem Hightech-Verbundwerkstoff Karbon bestehen. Wer an einem ­modernen Rennvelo noch ­Metall finden will, muss sehr lange danach ­suchen. Wenn überhaupt, kommt höchstens eine ultraleichte Titan­le­gierung an Zahn­rädern und Kurbelkranz zum Einsatz.

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Kohlefaser wurde einst für die Raum- und Luftfahrt entwickelt. Dann hielt der superleichte und sündhaft teure Verbundwerkstoff in der Formel 1 und beim Bau von Supersportwagen Einzug. Und schliesslich hat er sich auch beim ­Hightechvelo durchgesetzt.

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Teure Verarbeitung

Teuer ist ­übrigens nicht das Material an sich – teuer ist ­dessen ­Verarbeitung. Viel ­Handarbeit ist gefragt. Aus diesem Grund werden selbst die edelsten Rennräder, die 15'000 ­Franken und mehr kosten können, in Asien her­gestellt. «Made in Italy» zum Beispiel ­bedeutet bei Kultmarken wie Colnago, Bianchi und Co. nur noch, dass die Räder in Italien kon­zipiert, lackiert und zusammen­gebaut worden sind. Die Teile stammen indes aus Fernost.

Puristen mögen dies bedauern. Das ist wohl auch mit ein Grund, warum man eine Alternative zu den ultra­leichten ­Karbon-Raketen mitunter in der ­Ver­gangenheit sucht: Neben dem Trend zu immer leichteren und schnelleren Hightechrädern ist nämlich ein Gegentrend zu klassischen Rennvelos aus ­Vaters oder Grossvaters Zeiten auf den Strassen unübersehbar. Wer noch eines im Keller stehen hat, hat für viele das Zeug zum König der Strasse.

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Ein weiterer Grund für die Renaissance der alten Eisen: Bei genauerem Hinsehen wird deutlich, mit wie viel Liebe zum Detail die Zweiräder in den siebziger und achtziger Jahren gebaut worden sind. «Vintage-Rennvelos sind aber nicht nur schön – sie verfügen auch über eine ausserordentliche Qualität. Viele dieser Renner wurden schon früher mit hochwertigen Komponenten gebaut, und diese sind einfach nicht totzu­kriegen», meint Marco Luzzatto, Gründer des ­Zürcher Vintage-Rennrad-Restau­rators Rennstahl. Und: «Ein gebrauchtes Rennvelo hat eine eigene Geschichte sowie ein individuelles Aussehen. Zudem sind Edelstahlrahmen sehr dynamisch zu fahren.»

Verbrauchsteile ersetzen

Parallelen zum Boom der alten ­Autoklassiker sind offensichtlich. Doch worauf muss man bei Velos achten, die schon 20, 30 oder mehr Jahre auf dem Buckel haben? «Wichtig ist vor allem ein intakter Rahmen ohne Risse und mit gutem Lager. Auf jeden Fall sollten die Verbrauchsteile ersetzt werden, also alles aus Gummi wie Reifen, Schläuche und Bremsen», rät Experte Luzzatto.

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Wer ­keinen dieser alten Schätze im Keller ­stehen hat, findet übrigens auf ­Internetbörsen wie eBay oder Ricardo problemlos Angebote. Die Preisspanne reicht von ein paar hundert bis etwa 2000 Franken für ein seltenes, restauriertes Toprad. Will man sich die Zeit zum ­Suchen und Instand­setzen sparen, gibt es auch genügend Händler, die auf den Retrozug ­auf­gesprungen sind.

Renner aus dem Windkanal

Während die alten Zweiräder von ­Ästheten entwickelt wurden, entstehen die neuen Hightechrenner in den gleichen Windtunnels wie Kampfjets und Formel-1-Boliden. Als erster Veloher­steller verfügt die Marke Specialized über einen eigenen Windkanal. Kein Wunder also, dass Giro-d’Italia-Sieger Alberto Contador oder Sprinter Mark ­Cavendish auf Rädern des kalifornischen Herstellers unterwegs sind.

Weil an ihren Gefährten jedes Gramm weniger einige tausend Franken mehr kostet, darf nicht einmal der Gedanke an Chromverzierungen aufkommen. Genau das aber haben die alten «Göppel» mit ihren handgeschweissten Stahlrahmen eben noch zu bieten. Und nicht nur dies – auch die Anbauteile sind ein Augenschmaus par excellence. Kettenblätter wurden von den Herstellern mit viel Liebe graviert (in der Fachsprache pan­tografiert). Dasselbe gilt für Lenker, Vorbau und sogar Sattelstützen.

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Besser als bei den Profis

Heute verwenden sämtliche Hersteller Stangenware von den drei Komponentenriesen Shi­mano, Campagnolo und SRAM. Das Trio liefert sich ein veritables Hightech-Wettrüsten. Beispiel: Geschaltet wird beim modernen Velo immer mehr elektronisch. Das heisst, dass der Fahrer via Schaltknöpfe nur noch den elektronischen Impuls gibt, der danach den Gangwechsel via Minimotor am ­vorderen und hinteren Umwerfer auslöst.

Die neuste Version, die SRAM dieses Jahr vorstellen wird, sendet den Befehl bereits per Funk statt Kabel. Davon konnten die Radprofis in den späten siebziger Jahren noch nicht einmal träumen. Dafür hatten sie Ganghebel, die von Hand ausgefräst waren, um Gewicht einzusparen.

Mehr zum Thema lesen Sie in der aktuellen «BILANZ» (Ausgabe 13/14), erhältlich am Kiosk oder mit Abo jeweils bequem im Briefkasten.

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