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Ex-Signa-Berater

«Hier ­haben sich unfassbare Abgründe aufgetan»

Dieter Berninghaus über seine Rolle im Pleitekonzern, Abhör­software auf Familien-iPads und seine 115-Millionen-Forderung gegenüber René Benko.

Marc Kowalsky

<p>Während Jahren stand Dieter Berninghaus dem fallierten Immobilientycoon René Benko zur Seite – und gewann dabei einzigartige Einsichten in ein verschachteltes Firmenimperium.</p>

Während Jahren stand Dieter Berninghaus dem fallierten Immobilientycoon René Benko zur Seite – und gewann dabei einzigartige Einsichten in ein verschachteltes Firmenimperium.

Gian Marco Castelberg für BILANZ

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Als Berater war er eng an der Seite des gescheiterten Immobilienunternehmers René Benko. Doch seit Dieter Berninghaus 2023 krankheitsbedingt bei der später kollabierten Signa ausstieg, äusserte er sich nie. Bis jetzt.

Herr Berninghaus, Sie waren über zwei Jahre lang abgetaucht. Jetzt sprechen Sie. Warum erst jetzt?

Ich war nicht abgetaucht, ich war einfach nicht in den Medien präsent. Die letzten zwei Jahre waren gesundheitlich, familiär und auch beruflich sehr schwer. Es gab keinen Raum und auch keine Veranlassung, öffentlich aktiv zu werden.

2008 wird der ehemalige Rewe-Chef bei der Migros als erster Ausländer Mitglied der Generaldirektion und Leiter des neu geschaffenen Departements Handel. 2012 sucht er über einen Signa-Manager, den er bei der Geburtstagsfeier eines deutschen Unternehmers in Nürnberg kennenlernt, den Kontakt zu René Benko, der damals als Shooting Star der Immobilienbranche gilt. Später vermittelt er Benko den Kontakt zu seinem Freund Nicolas Berggruen, was in der Übernahme von Karstadt durch Signa mündet: der Einstieg der Signa ins Handelsgeschäft.

 

Als sich 2016 mit der bevorstehenden Pensionierung von CEO Herbert Bolliger bei der Migros eine Zeitenwende anbahnt, heuert Berninghaus bei Benko an. Weil er nicht im Tagesgeschäft und nicht in Konzernstrukturen eingebunden sein will, unterschreibt er keinen Arbeits-, sondern einen Beratervertrag. Später geht er dennoch in die Boards von Signa Sports United und Globus. Die Honorarrechnungen schreibt Berninghaus’ Frau Helena, Anwältin, Multiverwaltungsrätin und Investorin, über ihre Obwaldner Firma.

Sie waren eine von Benkos engsten Bezugsperson, er hat Sie jeden Abend angerufen. Wenn Sie im Urlaub waren, hat Benko Ihren Flieger auf Flightradar verfolgt, damit er Sie nach der Landung gleich anrufen konnte.

Das wusste ich gar nicht. Wir hatten bis Mitte 2022 eine sehr enge Beziehung, die ich auch lange Jahre sehr geschätzt habe, auch wenn sich 95  Prozent aller Gespräche immer ums Geschäft gedreht haben. Wir hatten ähnliche Arbeitsweisen: Auch für mich hatte der Beruf schon immer Priorität, und ich bin geschäftlich eigentlich 24/7 erreichbar. Und das war bei Benko auch so.

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Und abends, wenn er die Leute angerufen hat, soll Benko nicht mehr immer ganz nüchtern gewesen sein, kann man den Berichten entnehmen.

Ich möchte es so formulieren: Ab Mitte 2022, als sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen speziell in seinem Kerngeschäft Immobilien deutlich verschlechterten, war ihm die Belastung klar anzumerken, und sein physischer Zustand war nicht immer der beste.

Seit 1999 geht Benko nach der immer gleichen Methode vor: Luxusimmobilien bauen oder kaufen und renovieren, teu(r)er vermieten, so buchhalterisch aufwerten und höher belehnen, mit den erhaltenen Krediten neue Projekte anstossen. Ab 2013 expandiert Benko in den Detailhandel. Die Vision: eine europäische Luxuswarenhauskette. Nichts weniger als die Innenstädte wiederbeleben will er so. Berninghaus soll ihm ab 2016 dabei helfen. Eine Schlüsselrolle spielen die eigenen Kaufhäuser in der Sparte Signa Retail: Sie müssen überhöhte Mietzinsen an die Schwestergesellschaft Signa Prime zahlen, um so den Immobilienwert zu steigern. Immer grösser wird das Rad, das Benko dreht, auf dem Höhepunkt nennt Signa auf ihrer Website ein Immobilienvermögen von 28  Milliarden Euro.

Ich möchte Sie mit einem Zitat vom Dezember 2021 konfrontieren. Es lautet: «Unsere Immobilienstrategie hat Zinsänderungsrisiken immer sehr langfristig akzeptiert. Signa hat bei einer Verschuldung von unter 50  Prozent die Hypothekarkredite im Durchschnitt auf fast 20  Jahre zinsgesichert. Niemand ist so langfristig finanziert.» Wer hat das gesagt?

Das war jahrelang René Benkos wichtigste Kernbotschaft in allen Signa-Präsentationen, es war das vermeintliche Alleinstellungsmerkmal von Signa schlechthin. Das hätte Ihnen jeder im Signa-Umfeld so gesagt.

Das Zitat ist von Ihnen. Wieso haben die Zinserhöhungen der Signa dann trotzdem das Genick gebrochen?

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Das müssen Sie René Benko und die Immobilienexperten fragen, denn jeder Investor und Geschäftspartner – auch ich – waren von der Solidität und der Langfristigkeit der Immobilienfinanzierung immer voll überzeugt.

Im Nachhinein zeigt sich: Signa war ein Schneeballsystem.

Das vermag ich nicht ansatzweise zu beurteilen. Das untersuchen ja nun eine Vielzahl von Insolvenzverwaltern, Wirtschaftsprüfern und Gerichten.

Sie waren Chairman des Executive Board der Signa Holding, Sie haben die Handelssparte Signa Retail mitgeleitet. Sie haben das alles mitgetragen.

Nein. Ich habe als sehr aktiver Coach des Retail-Geschäfts selbstverständlich die strategischen Entscheidungen dort unterstützt. Dieses Board war aber schon vor meiner Zeit nur ein informeller Arbeitskreis für interne Organisationsentwicklung und Mitarbeiterkommunikation. Es war organschaftlich und formell seit 2013 ohne jede Funktion und Bedeutung. In all meinen Jahren seit 2016 hat es daher auch kein einziges Mal getagt, sich getroffen, fachlich irgendwo mitdiskutiert oder irgendwelche Infos erhalten.

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Wenn das so war, warum haben Sie sich dann mit diesem Titel geschmückt?

Wie gesagt, es war schon immer nur ein Marketing- und Kommunikationsinstrument. Als ich als Externer 2016 dazukam, war im Aufbau der Retail-Sparte nach aussen eben auch ein Titel wichtig, gerade fürs Networking im angelsächsischen Raum. Da eignete sich dieser schon existente Titel einfach besser als beispielsweise die Bezeichnung Senior Consultant.

Benko hatte formell keine Funktion. Er stellt es so dar, Sie seien «eine Art Gesamt-CEO» gewesen.

Das ist so absurd, dass es nicht wert ist, weiter kommentiert zu werden. Jeder weiss, dass ohne Benko nichts ging im Konzern und in den Stiftungen.

Die Kaufhäuser in der Signa Retail mussten bis zu 30  Prozent des Umsatzes an die Signa Prime abgeben. Branchenüblich sind 10 bis 11  Prozent. Sie sind Retail-Profi. Sie wussten, dass das langfristig nicht funktionieren kann.

Fakt ist, dass eine Vielzahl der Mietverträge mit den Warenhäusern Karstadt und Kaufhof schon seit 2013 bestanden. Die Mietverträge mit der Luxusgruppe wurden 2015 zwischen Signa und Central geschlossen. Diese Verträge basierten auf Mieten und Umsatzerwartungen, die nach Corona nicht mehr ansatzweise erreicht werden konnten. Und natürlich haben dann die Vertreter des Handels, speziell die Central Group, immer wieder versucht, Mietsenkungen durchzusetzen. Fakt ist aber: Das war einfach nicht möglich, weil die Immobilieneigentümer, also die Gesellschafter der Signa Prime Selection, nicht bereit waren, die Mieten zu senken.

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<p>Berninghaus und Benko 2020 in den damaligen Büros<br />der Signa Retail in Zürich.</p>

Berninghaus und Benko 2020 in den damaligen Büros der Signa Retail in Zürich.

Philipp Mueller Photography
<p>Berninghaus und Benko 2020 in den damaligen Büros<br />der Signa Retail in Zürich.</p>

Berninghaus und Benko 2020 in den damaligen Büros der Signa Retail in Zürich.

Philipp Mueller Photography

Laut Benko hat das Handelsgeschäft über die Jahre kumuliert 1,5 Milliarden Verlust gemacht.

Diese Zahl kann ich nicht nachvollziehen.

Benko-Berater und Ex-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer sagte 2024 in einem Interview: «Die sündteuren Ausflüge in den Handel haben die Signa überhaupt derart in Schieflage bringen können.» Er sieht die Schuld für den Zusammenbruch also bei Ihnen.

Ich kenne Herrn Gusenbauer kaum, und weshalb er den Handel verantwortlich macht, kann ich nicht nachvollziehen. Fakt ist, dass der Bereich Handel über all die Jahre der wichtigste Mietzahler des Immobilienbereichs war und keine Zahlungsausfälle hatte, nicht mal in Corona-Zeiten, die den Handel massivst belasteten. Und durch das Upgrade der Häuser etwa im Luxusbereich hat die Handelssparte sehr stark zu den gewaltigen Wertsteigerungen der Immobilien beigetragen. Und schauen Sie: Die Mehrzahl der Handelsunternehmen gibt es unter anderen Eigentümern heute noch. Sie haben als Einzige den Zusammenbruch der Gruppe überstanden.

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Signa hat Ende 2021 den Onlinesporthändler Signa Sports United (SSU) an die New Yorker Börse gebracht, Sie waren Mitglied im Verwaltungsrat, haben den Governance- und den Nominations-Ausschuss präsidiert. In der ersten Woche verlor die Firma 836 Millionen Dollar an Börsenwert, später ging sie als erste Signa-Gesellschaft pleite. Was lief falsch?

Die SSU ist in der Tat eine unternehmerische Geschichte, über deren Ausgang ich selbst sehr enttäuscht bin. Denn die Idee, den hoch fragmentierten Sport- und Onlinemarkt zu konsolidieren, war sicher zur damaligen Zeit richtig und sehr attraktiv. Und vor dem Börsengang wurde sie auch konsequent umgesetzt, die SSU hatte über lange Zeit ein tolles Wachstum bei Umsatz und Profitabilität, war Marktführer in verschiedenen Segmenten. Dann kam die Entscheidung, das weitere Wachstum durch weitere Akquisitionen über einen Börsengang zu finanzieren – über das Finanzierungsmodell eines SPAC, was damals sehr populär war. Von heute aus gesehen war diese Entscheidung falsch. Es gab erste Anzeichen eines Rückgangs des SPAC-Markts im Herbst 2021. Rückblickend hätte man damals auch entscheiden können, den Börsengang abzusagen oder mindestens zu verschieben.

Warum hat man das nicht getan?

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Alle Weichen waren auf weiteres Wachstum über neues Geld aus dem Kapitalmarkt gestellt. Und es war auch der erste Börsengang für Signa. Alle haben da – und ich sage das nicht, um hier Verantwortung zu delegieren – dem Rat der begleitenden Banken vertraut und deshalb entschieden, das weiter durchzuziehen. Diese Entscheidung war rückblickend falsch, denn der Börsengang kam aus heutiger Sicht sechs bis zwölf Monate zu spät, und genau im Moment des IPO brachen die SPAC-Märkte endgültig zusammen. Die Investoren haben dann ihr Geld weltweit zurückgezogen. Und parallel dazu bekam das Unternehmen genau Ende 2021 die volle Wucht der Lieferketten-Disruption zu spüren, die als Folge von Corona alle Konsumgütermärkte massiv beeinträchtigt hat. Dann folgte unmittelbar die Ukraine-Krise mit Inflation und Nachfrageeinbruch. Das war dann einfach zu viel.

Wo haben Sie selber Fehler gemacht?

In der rückwärtigen Betrachtung weiss man vieles besser, und nach dem Krieg ist jeder General. Natürlich haben wir Fehler gemacht. Wir alle haben den Umfang und die Auswirkungen aus dieser Kombination von Negativfaktoren deutlich unterschätzt. Und dann wohl auch zu spät und viel zu wenig radikal gegengesteuert, in der falschen Hoffnung, die Märkte würden sich schnell wieder erholen.

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<p>«Damals herrschte Hochstimmung in der Signa-Welt.»</p>

«Damals herrschte Hochstimmung in der Signa-Welt.»

Gian Marco Castelberg für BILANZ
<p>«Damals herrschte Hochstimmung in der Signa-Welt.»</p>

«Damals herrschte Hochstimmung in der Signa-Welt.»

Gian Marco Castelberg für BILANZ

Warum hat man Selfridges gekauft zu einem Zeitpunkt, als man sich das schon gar nicht mehr leisten konnte?

Dass man sich das nicht leisten konnte, das sagen Sie jetzt. Zum Zeitpunkt des Kaufs gab es die genau gegenteilige Wahrnehmung. Der Selfridges-Deal wurde Ende 2021 unterschrieben, als die Zahlen der Signa auf dem absoluten Höhepunkt waren. Damals herrschte Hochstimmung in der Signa-Welt, die Selfridges-Übernahme wurde als wichtigster Schritt in der Firmengeschichte gefeiert. René Benko liess keinen Zweifel daran, auch gegenüber dem thailändischen Partner, dass die Finanzierung völlig problemlos sei.

Wieso hat man nicht nachverhandelt, als der Ukraine-Krieg die Märkte erschütterte?

In den wenigen Monaten zwischen Signing und Closing gab es kein Krisenbewusstsein zum Thema Finanzierung, im Gegenteil, es hiess: alles null Problem. Nachverhandeln war deshalb kein relevantes Thema.

Aufgrund seiner früheren Tätigkeiten ist Berninghaus im internationalen Handel bestens vernetzt, kennt etwa die Signa-Investoren Ernst Tanner (Executive Chairman von Lindt  & Sprüngli) oder Torsten Toeller (Gründer von Fressnapf) gut. Mit der Zeit entwickelt sich auch die Betreuung der Schweizer Investoren, darunter die Industriellenfamilie Arduini oder Kaffeemaschinenkönig Arthur Eugster, zu einer seiner Aufgaben bei Signa.

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Wie hat es Benko geschafft, solch hochrangige Manager und Unternehmer wie Ernst Tanner, Unternehmensberater Roland Berger oder Multimilliardär Klaus-Michael Kühne um den Finger zu wickeln?

Ganz ehrlich: Diese Frage müssten Sie eigentlich jedem Einzelnen dieser Investoren stellen. Und dazu hat wahrscheinlich auch jeder seine persönliche Wahrnehmung und Meinung. Warum? Weil René Benko zu jedem seiner Investoren eine sehr enge bilaterale Kommunikation gepflegt hat. Das war eines seiner Grundprinzipien.

Sie haben ebenfalls bei ihm investiert. Wie hat er Sie um den Finger wickeln können?

René Benko war, gerade in den Anfangsjahren unserer Zusammenarbeit, ein sehr offener Gesprächspartner, ein ambitionierter und fleissiger Unternehmer, der auch zuhören und seine Ansprüche nachvollziehbar erklären konnte. Er war jemand, dem man gerne vertraute. Auch weil er einem das Gefühl vermitteln konnte, dass man für ihn etwas Besonderes war und dass er unbedingt mit einem zusammenarbeiten möchte.

Welche Rolle spielte die Gier?

In jedem Investment, das man in Private Equity, Venture Capital oder individuelle Assets macht, spielt Gier eine gewisse Rolle. Die Bereitschaft, höhere Risiken einzugehen, um höhere Renditen zu erzielen, liegt in der Natur eines aktiven Investors. Und natürlich waren über viele Jahre die Ergebnisse, das Wachstum, die Dynamik von Signa scheinbar auch sehr beeindruckend.

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Wie ist denn Ihr Verhältnis zu den Investoren heute?

Mit den allermeisten habe ich weiter ein freundschaftliches Verhältnis, und wir grillieren durchaus noch die eine oder andere Wurst zusammen.

Mit welchen nicht mehr?

Ich will hier nicht auf Einzelne eingehen.

Wie konnten Investoren wie Tanner, Eugster oder Toeller im Juni 2023 noch mal Geld nachschiessen? Da pfiffen die Spatzen ja schon von den Dächern, dass es Probleme gibt.

Ich bin ja wegen meiner Krebserkrankung im Mai 2023 ausgeschieden und kann deswegen die Detailgespräche nach dieser Zeit nicht kommentieren. Grundsätzlich aber muss man unterscheiden zwischen dem, was Medienspatzen von den Dächern gepfiffen haben, und dem, was alle Investoren an – vermeintlichen – Fakten vorgelegt bekommen haben. Die Investoren waren über viele Jahre bei Signa engagiert. Sie hatten grosse Solidarität mit der Firma, den Menschen und auch mit René Benko. Und als erfahrene Unternehmer war ihr Selbstverständnis, dass man gerade in einer Krise loyal an der Seite seiner Firma stehen muss. Es gab einen grossen Kampfgeist.

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Benko hat ausgesagt, diese letzte Kapitalerhöhung sei eine Idee von Ihnen gewesen, und Sie hätten auch die Gespräche mit den nichtösterreichischen Investoren geführt.

Zu dieser Frage bin auch ich bereits als Zeuge befragt worden und habe entsprechend ausgesagt, genau wie die anderen Holding-Gesellschafter. Meine Aussagen haben sich dann in den österreichischen Medien wiedergefunden.

Demzufolge haben Sie ebenso wie andere Zeugen ausgesagt, die Idee sei bei einem gemeinsamen Gespräch aufgebracht worden, und nicht Sie, sondern Benko habe den Gesellschaftern die Kapitalerhöhung präsentiert. Sie behaupten weiterhin, technische Themen, die die Finanzen betrafen, habe Benko immer selber mit allen Investoren besprochen, und mit der Zusammensetzung der Kapitalerhöhung hätten Sie auch nichts zu tun gehabt.

Dem habe ich nichts hinzuzufügen.

Die ersten Jahre schüttet Benko dicke Dividenden aus. Die verwöhnten Investoren hätten schon ganz genau hinschauen müssen, um Alarmzeichen zu finden: etwa dass das Konzerngeflecht immer komplexer wird und die Transparenz darunter spürbar leidet. Oder dass die Jahresabschlüsse viel zu spät veröffentlicht werden: bis zu fünf Jahre nach Stichtag bei der Prime, bis zu vier Jahre bei der Holding. Dass nie jemand einen konsolidierten Konzernabschluss zu sehen bekommt. Oder dass Benko mit zunehmendem Erfolg immer seltener erreichbar wird, dafür immer mehr mit seinem Wohlstand protzt: Eine Jacht, zwei Privatjets, ein Jagdrevier, prunkvolle Büros und Privatdomzilie, unter anderem mit einem Nachbau der Capri-Grotte, nennt er sein Eigen. Insgesamt über eine Milliarde Euro zahlt er sich als Dividenden aus, lässt zudem private Ausgaben über die Firmen laufen.

Sie haben genauso wie alle anderen Geldgeber jahrelang keinen konsolidierten Geschäftsbericht gesehen. Wieso haben Sie sich das gefallen lassen?

Natürlich wurden den Gesellschaftern und damit auch mir Jahresabschlüsse und testierte Zahlen gezeigt, aber eben nicht auf konsolidierter Ebene. Das war ein Dauerthema seitens der Investoren. Aber René Benko wollte das einfach nicht.

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Ihre Anteile standen immerhin mit knapp 200 Millionen im Feuer.

Ich habe genau wie alle anderen René Benkos Darstellungen, Bewertungen und Aussichten für die Gruppe voll vertraut. Und es gab häufige Nachfragen der Holding-Gesellschafter nach konsolidierten Zahlen. Sie wurden uns immer wieder für die Zukunft in Aussicht gestellt, aber aufgrund der hohen Dynamik, die jeweils herrschte, lägen sie eben im Augenblick noch nicht vor.

Eine extrem ungewöhnliche Eigenheit der Signa war die extrem verschachtelte Struktur mit Tausenden von Tochterfirmen. Der Insolvenzverwalter brauchte 46  Seiten im A3-Format, um das Organigramm darzustellen. Wieso hat Sie das nicht misstrauisch gemacht?

Wie komplex die Struktur war, habe ich genauso wie alle anderen auch erst im Nachhinein aus den Medien erfahren.

Das Firmenbuch, das dem Handelsregister in der Schweiz entspricht, ist auch in Österreich öffentlich einsehbar.

Da habe ich, ehrlich gesagt, nicht nachgeschaut. Ich hatte auch keine Veranlassung dazu.

Wann kamen Ihnen die ersten Zweifel an der Erfolgsgeschichte Signas?

Dass die ganze Gruppe in dieser Form zerfallen würde, habe ich bis zum letzten Tag nicht für möglich gehalten.

Also bis zur Insolvenzanmeldung?

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Ja. Und die zahlenmässige Dimension, die heute im Raum steht, habe ich mir ebenfalls nicht ansatzweise vorstellen können. Dass Signa wirtschaftlich in schweres Fahrwasser geriet und dass es auch intern offensichtlich nicht mehr reibungslos funktionierte, wurde mir erst im Laufe von 2023 zunehmend bewusst. Allerdings wurden uns allen Mitte 2023 noch Zahlen präsentiert, die nicht ansatzweise Indikatoren waren für massive Engpässe oder Krisen und schon gar nicht für einen möglichen Zerfall der gesamten Gruppe. Zumal gleichzeitig Massnahmen zur Liquiditätssteuerung und -sicherung im Umfang von Hunderten Millionen präsentiert wurden.

Wann kamen Ihnen Zweifel an der charakterlichen Eignung von René Benko?

Charakterliche Eignung ist hier der falsche Begriff. Ich kann nur kommentieren, wann und wie sich unser ursprünglich enges Verhältnis verändert hat.

Nämlich?

Die Übernahme von Selfridges war für René Benko Ende 2021, Anfang 2022 der Höhepunkt seines bisherigen unternehmerischen Schaffens. Und an diesem Punkt, so habe ich das persönlich wahrgenommen, haben sich dann seine Flughöhe, sein Auftritt und seine Selbstwahrnehmung verändert. Er sah sich angekommen in der Position des führenden europäischen Immobilien- und Handelsunternehmers im Kreis von international renommierten Grossinvestoren. Die Aufmerksamkeit, die Signa und Rene Benko selbst durch diese Transaktion zuteil wurde, hat dann auch dazu geführt, dass sich in seinem Umfeld vieles veränderte.

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Konkret?

Konkret hielt er sich ab dann sehr häufig in Middle East auf, führte dort Investoren- und Fundraising-Gespräche und holte neue Berater an Bord. Vom operativen Geschäft hat er sich immer weiter wegbewegt. Er arbeitete zunehmend auf Themen und mit Leuten, zu denen ich gar keinen Bezug hatte und die ich nicht kannte. So wurden unsere Schnittstellen weniger und unsere Telefonate auch weniger fachlich.

<p>«Es gab keinen Einzel-Event. Es war eine Entfremdung.»</p>

«Es gab keinen Einzel-Event. Es war eine Entfremdung.»

Gian Marco Castelberg für BILANZ
<p>«Es gab keinen Einzel-Event. Es war eine Entfremdung.»</p>

«Es gab keinen Einzel-Event. Es war eine Entfremdung.»

Gian Marco Castelberg für BILANZ

Wann kam es zum Bruch?

Es gab keinen Einzel-Event. Es war eine Entfremdung. Sicher war ich auch enttäuscht, in bestimmten Schlüsselentscheidungen für den Handel nicht mehr wirklich um Rat gefragt worden zu sein.

Konkret?

Zum Beispiel die Aufnahme saudi-arabischer Investoren in das neue Selfridges-Konstrukt. Da war ich in die Gespräche nicht involviert und habe von den Details erst nachträglich erfahren.

Wie hat René Benko auf Ihren Ausstieg im Mai 2023 reagiert?

Da er die gesundheitlichen Hintergründe meines Ausstiegs kannte, hat er – so schien es mir – erschrocken, besorgt und verständnisvoll reagiert. Wie soll man sonst auf so eine Situation reagieren?

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Trotzdem blieben Sie weiter mit Benko in regelmässigem telefonischem Kontakt. Warum?

Schauen Sie, wenn Sie sich viele Jahre mit so einem grossen Handelsbereich so identifiziert und so eng mit jemandem zusammengearbeitet haben, wenn Sie weiterhin beteiligt sind und wissen, dass das Unternehmen, alle Mitgesellschafter und auch die Teams durch schwierige Zeiten gehen: Dann schalten Sie ja nicht einfach Ihr Telefon völlig ab. Selbst wenn die Behandlung der Krankheit in dieser Phase absolute Priorität für mich haben musste. Aber wenn ich mal eine freie Minute hatte, dann nahm ich den Hörer in die Hand und hielt Kontakt. Das war für mich selbstverständlich. Und ab und zu konnte ich auch noch einen Input geben. Aber mitarbeiten konnte und wollte ich gesundheitsbedingt nicht mehr. Und selbst wenn ich gesund gewesen wäre: Helfen hätte aus dem Retail wohl eh niemand können, nach dem, was bis heute zum Thema Finanzierung und Verschuldung der Gruppe bekannt geworden ist.

Inzwischen weiss man: Signa Prime, das Filetstück des Konzerns, schreibt schon seit 2014 operativ rote Zahlen. Gewinne gibt es nur durch Aufwertungen. Benko stopft die Löcher, indem er neue Investoren an Bord holt, und verschiebt die frischen Gelder zwischen den Konzerneinheiten. Mit der Pandemie wendet sich das Blatt: Die Kaufhäuser bleiben monatelang geschlossen, als Folge davon müssen sie in Deutschland zweimal in ein Schutzschirmverfahren. Durch die globalen Lieferkettenprobleme steigen die Materialkosten, als im Februar 2022 Russland die Ukraine überfällt, explodieren die Energiepreise. Beides treibt die Baukosten nach oben. Zudem erhöhen die Notenbanken im Rekordtempo die Zinsen, die Finanzierung neuer Projekte wird deutlich teurer. Benko, der sich so lange im Erfolg gesonnt hatte, igelte sich zunehmend ein. Und entwickelt ein starkes Misstrauen gegenüber seinen Verbündeten – speziell gegenüber Berninghaus.

René Benko hat Sie durch eine israelische Sicherheitsfirma überwachen lassen. Hatten Sie das damals gemerkt?

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Es fällt mir wirklich schwer, überhaupt über dieses Thema zu sprechen, weil es so unvorstellbar ist und nach wie vor so zutiefst erschreckend. Aber ja, richtig ist, dass René Benko meine Familie und mich offensichtlich über Monate durch einen ausländischen Privatermittler hat überwachen und bespitzeln lassen. Davon habe ich nichts gemerkt.

Wie lange und wo wurden Sie überwacht, nach Ihren Rekonstruktionen?

Wir gehen Stand heute von mindestens sechs bis neun Monaten aus. Ich habe Dokumente gesehen, die die Vermutung nahelegen, dass diese Bespitzelung spätestens im Februar 2023 begonnen hat und auch während meiner Erkrankung weiterlief. Offensichtlich wurden meine Familie und ich dabei nicht nur in unserem Zuhause am Zürichsee bespitzelt, sondern auch in unserem Familiendomizil in Frankreich, zudem in Florida, wo ich einen Teil meiner Rekonvaleszenz verbracht habe.

Warum hat René Benko das gemacht?

Schauen Sie, es ist völlig müssig und unangebracht, über die grotesken Fantasien, die solch einem skrupellosen Verhalten zugrunde liegen, überhaupt nur zu spekulieren. Es gibt einfach keinen auch nur ansatzweise nachvollziehbaren Grund, einen langjährigen Partner, Vertrauten, Co-Investor, Mitstreiter persönlich und in seinem familiären Umfeld bespitzeln, ausspionieren, beschatten zu lassen.

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Bankunterlagen ihrer Familie sind in der österreichischen Presse aufgetaucht.

Ja, das ist leider ein weiteres erschreckendes Detail. Uns wurden persönlichste Dokumente entwendet: Depotauszüge, Rechnungen, Kommunikation mit externen Dienstleistern etc. Sie sind offenbar in dem Dossier des ausländischen Privatermittlers bei Benko gefunden worden, unfassbar …

Der ausländische Privatermittler, wie Sie es ausdrücken, heisst Moshe Buller und arbeitete früher für den israelischen Geheimdienst Schin Bet. Buller hat die Bespitzelung im Auftrag von Benko zugegeben. Das Dossier, das er über Sie erstellt hat, liegt BILANZ vor. Kannten Sie den Mann?

Natürlich nicht.

Hat er alleine gearbeitet?

Davon ist nicht auszugehen. Wir haben versucht, zu verstehen, wann, wo und in welchem Umfang diese Bespitzelung stattgefunden hat, und haben forensische Untersuchungen anstellen lassen. Dabei mussten wir feststellen, dass auch geheime Überwachungssoftware auf iPads der Familie installiert wurde.

Wer hat die Software dort installiert?

Wir vermuten, dass das durch langjährige, enge Mitarbeiter geschehen ist, die für unsere Familie gearbeitet haben.

Diesen Mitarbeitern haben Sie inzwischen natürlich gekündigt?

Nein, sie sind vorher verschwunden.

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Haben Sie eine Ahnung, wohin?

Ja, aber keine Gewissheit.

Haben Sie Strafanzeige eingereicht?

Noch nicht.

Werden Sie das noch?

Dazu möchte ich mich im Moment nicht äussern.

Haben Sie Hinweise darauf, dass Benko auch andere Menschen in seinem Umfeld hat bespitzeln lassen?

Kein Kommentar.

Wie weit würden Sie René Benko zutrauen zu gehen, um seine Interessen durchzusetzen, wenn er schon zu solchen Methoden greift?

Meine Vorstellungskraft hat schon nicht ausgereicht, diese verstörenden Methoden für möglich zu halten. Deswegen will ich auch gar nicht weiter denken. Die Priorität liegt nach dieser schlimmen Erfahrung darauf, die Familie weiter zu schützen, meine Frau wurde eh schon bedroht.

<p>Ehefrau Helena (hier 2017 beim Lucerne Festival) rechnete die Honorarforderungen gegenüber Benko über ihre Firma ab und wurde dafür bedroht.</p>

Ehefrau Helena (hier 2017 beim Lucerne Festival) rechnete die Honorarforderungen gegenüber Benko über ihre Firma ab und wurde dafür bedroht.

Toni Lindroos
<p>Ehefrau Helena (hier 2017 beim Lucerne Festival) rechnete die Honorarforderungen gegenüber Benko über ihre Firma ab und wurde dafür bedroht.</p>

Ehefrau Helena (hier 2017 beim Lucerne Festival) rechnete die Honorarforderungen gegenüber Benko über ihre Firma ab und wurde dafür bedroht.

Toni Lindroos

Konkret?

Eines Tages lag eine Postkarte an meine Frau in unserem Briefkasten, in der ihr wortwörtlich angedroht wurde, dass physisch und psychisch noch einiges auf sie zukommen wird.

BILANZ konnte die Postkarte einsehen.

Bei Beginn seiner Beratertätigkeit 2016 kauft sich Berninghaus über sein Family Office Sarpis für 35  Millionen Euro zu fünf Prozent in die Signa Holding ein. Im September 2017 verkauft er den Anteil an der Signa Holding an die Familie Benko Privatstiftung für 44  Millionen und erwirbt zeitgleich 3,5 Prozent an der Signa Holding in Form von Phantom Shares ohne Stimmrecht. Berninghaus und Benko vereinbaren zusätzlich eine Call-/Put-Option, die zunächst Ende Januar 2021 ausgeübt werden kann. Im Januar 2021 will Berninghaus die Put-Option ziehen und die Phantom Shares im Wert von 180 Millionen Euro verkaufen.

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Warum haben Sie das schliesslich doch nicht getan?

René Benko bat mich, dies wegen der möglichen negativen Aussendarstellung nicht zu tun. Er hat die exzellente Bonität und die soliden Zukunftsaussichten der Signa-Gruppe und seiner Stiftung betont. Damals standen offiziell nur 500 Millionen Schulden in der Holding-Bilanz. Wenn ich gewusst hätte, dass es tatsächlich wie jetzt berichtet drei Milliarden sind, hätte ich natürlich anders entschieden.

So aber verzichtet Berninghaus auf die Ausübung der Put-Option. Dafür erhält er eine vorgezogene Auszahlung in Höhe von 31,25 Millionen Euro; die Optionsausübungsfrist wird bis Ende Januar 2026 verlängert. Die technische Umsetzung der Auszahlung erfolgt auf Benkos Wunsch in Form eines verzinsten, mit dem Wert der Phantom Stocks gedeckelten Darlehens von der Familie Benko Privatstiftung. Nach der Übernahme von Selfridges im Mai 2022 – der Wert der Phantom Shares liegt inzwischen bei 196 Millionen Euro – verlängert Berninghaus auf Wunsch von Benko seine Verträge und die Optionsausübungsfrist ein weiteres Mal von 2026 auf 2028 und erhält dafür eine weitere vorgezogene Teilauszahlung über 16,7 Millionen Euro, technisch wiederum in Form eines verzinsten Darlehens, diesmal von Signa, besichert durch die Stiftung.

Wegen der zweiten Auszahlung ermittelt jetzt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft WKStA gegen Sie. Der Verdacht lautet auf Untreue zulasten der Signa.

Dazu habe ich den Behörden bereits alle Fakten und Verträge offengelegt und gehe daher davon aus, dass sich die Dinge sehr bald klären werden. Mehr möchte ich deshalb dazu nicht sagen.

Sie behaupten, Benko habe versucht, eine Medienkampagne gegen Sie zu inszenieren.

Das behaupte ich nicht, sondern es sind im Mai dieses Jahres Dokumente von Anfang 2024 aufgetaucht – speziell eine E-Mail von René Benko offensichtlich an sein Kommunikationsteam –, in denen er eine Vielzahl von teilweise völlig absurden Falschbehauptungen auflistet, die medial verbreitet werden sollten. Eine war zum Beispiel, Signa hätte die Zusammenarbeit mit mir im September 2023 beendet, obwohl jeder weiss, dass ich schon im Mai 2023 wegen meiner Krebserkrankung in Behandlung musste und aus allen Rollen ausgeschieden war.

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BILANZ konnte die Mail einsehen.

Sie haben für die Vermittlung der Karstadt-Übernahme durch Benko 5,2 Millionen Euro Honorar erhalten, bei Signa seit 2016 zuerst 1,5 Millionen, nach der Selfridges-Übernahme 2022 pro Jahr 2,5 Millionen Euro Beraterhonorar verdient. Dazu kamen Erfolgshonorare von 1,1 Millionen für den Börsengang der SSU und 1  Million für die Akquisition von Selfridges. Zusätzlich haben Sie Vorabzahlungen für Phantom Shares von 49  Millionen erhalten. Macht total brutto über 65  Millionen Euro. Sie haben sich dank Signa eine goldene Nase verdient.

Zunächst mal gilt es Einkünfte aus Beratungstätigkeit und Investment zu trennen. Als Berater und Handels-Coach habe ich über sieben Jahre gut, aber auch angemessen verdient. Über unser Family Office haben wir zweistellig investiert und durch die Insolvenz letztendlich dreistellig verloren.

Gehen Sie in diesem Zusammenhang gegen Benko wegen Anlegertäuschung vor?

Das Thema wird ja gerade in grossem Stil von Behörden und Insolvenzverwaltern aufgearbeitet.

Sie haben Ansprüche von 115 Millionen gegenüber der Familie Benko Privatstiftung angemeldet. Wie viel davon hat der Insolvenzverwalter genehmigt?

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Er hat bei allen Gläubigern 98  Prozent der Ansprüche nicht anerkannt. Auch bei mir.

Ein Insolvenzverwalter vertritt grundsätzlich die Interessen des Schuldners und versucht daher, möglichst viele Ansprüche abzuweisen. Insgesamt wurden bisher gegen die Signa Holding 8,6, gegen die Signa Prime 10,8 und gegen die Signa Development 2,3  Milliarden Euro an Forderungen angemeldet, ausserdem gegen René Benko als Privatperson Ansprüche von 400 Millionen und gegen seine Stiftung von 2 Milliarden. Gläubiger der Holding werden leer ausgehen, weil dort die einzigen Vermögensposten die Aktien der mittlerweile insolventen Signa Prime und Signa Development waren. Die Gläubiger dieser beiden Tochtergesellschaften werden nur einen Teil ihrer Forderungen wiedersehen, und das auch nur, wenn sie Pfandrechte auf den Immobilien haben eintragen lassen. Unklar ist, ob das Vermögen in Benkos Stiftungen hinzugezogen werden kann.

 

Die WKStA hat gegen Benko Anklage erhoben wegen Untreue, Betrug und Bankrott. Zudem wirft sie ihm vor, Teile des Konzernvermögens in seine Privat- und Familienstiftungen verschoben zu haben, als sich der Kollaps abzeichnete («betrügerische Krida»). Der Prozess beginnt am 14.  Oktober in Innsbruck. Im Falle einer Verurteilung muss Benko mit zehn Jahren Haft rechnen. Ermittlungen wegen zahlreicher weiterer Verdachtsmomente laufen. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Wann hatten Sie dann das letzte Mal Kontakt zu René Benko?

Im November 2023.

Wie war das Verhältnis da?

Das Verhältnis war zerstört.

Wie würden Sie Ihren Blick auf ihn heute beschreiben?

Hier haben sich unfassbare Abgründe aufgetan. Ich empfinde in jeder Hinsicht tiefste Enttäuschung.

Was haben die sieben Jahre bei Signa mit Ihnen gemacht?

Ich hatte viele gute Zeiten. Ich habe tolle Menschen kennengelernt aufseiten der Investoren und des Managements, von denen ich zu vielen noch guten Kontakt habe. Ich war über viele Jahre unternehmerisch völlig committet, der Aufbau der Luxuswarenhaus-Gruppe etwa war ein Traumthema für mich. Ich versuche, diese positiven Erfahrungen und Erinnerungen zu behalten. Aber der Schock, wie die gesamte Signa-Gruppe geendet hat, und die Auswirkungen, die das auf alle Beteiligten, auf mich, aber vor allem auch auf meine Familie hatte, dieser Schock wirkt nach.

Würden Sie im Rückblick noch einmal bei Signa unterschreiben?

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Nein, natürlich nicht.

Wo haben Sie selbst Fehler gemacht?

Die Frage beschäftigt mich sehr, nach all den Jahren. Klar ist: Auch ich war zu leichtgläubig.

Ihre Lehraufträge an der HSG und an der Uni Zürich haben Sie aufgeben müssen.

Ja, wegen meiner Erkrankung. Aber möglicherweise wird Lehrtätigkeit wieder ein Thema, ich habe das sehr gerne gemacht.

Und Ihre Beratermandate bei ausländischen KMUs?

Die habe ich weiter.

Wie sieht Ihre Zukunftsplanung sonst aus?

Zunächst mal bin ich froh, dass ich gesundheitlich wieder fit bin, sodass ich überhaupt nach vorne schauen kann. Und ich bin dankbar, dass mein privates und mein berufliches Netzwerk in den schwierigen letzten 24 Monaten stabil geblieben sind. Auf diesen beiden Säulen kann ich jetzt wieder aufbauen, denn ich möchte mich auch zukünftig unternehmerisch engagieren. Wo genau, mit wem und wie, das wird die Zeit zeigen.

Über die Autoren
Marc Kowalsky

Marc Kowalsky

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