Guten Tag,
Martha und Daniel Gantenbein haben ein neues Team aufs Gut geholt. Ein exklusiver Besuch vor Ort.
Nicolas Greinacher
Am Rand des Weindorfs Fläsch im Bündner Rheintal liegen die Weinberge von Gantenbein.
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Martha und Daniel Gantenbein sind glücklich. Über vierzig Jahre lang haben sie mit Herzblut und Ehrgeiz ihr kleines Weingut in den Olymp der besten Häuser des Landes hochgearbeitet. Dank ihrem Engagement gewann die Marke Schweizer Wein auch international an Ansehen. Mit dem Näherrücken des Pensionsalters traten Fragen zu einer Nachfolgeregelung zunehmend in den Vordergrund. Der Traum der beiden war stets, Erfahrung und Wissen an eine neue Generation weiterzugeben, um so die Zukunft ihres Lebenswerks zu sichern. Gesagt, getan. Im Innenhof des Weinguts empfängt mich an diesem strahlenden Sommertag der neue Geschäftsführer der Gantenbein Wein AG, Andreas Hütwohl. «Der Kontakt zu Martha und Daniel entstand durch meinen Stiefvater Hans-Günter Schwarz, der über Jahrzehnte beim bekannten Weingut Müller-Catoir an der deutschen Weinstrasse tätig war.» Hütwohls Ehefrau Ulrike Hütwohl arbeitete bei ihrem Vater Wolfgang in der Rebschule Krapp in Bad Dürkheim. Das Ehepaar verbindet eine gemeinsame Winzerlehre sowie ein abgeschlossenes Önologiestudium im hessischen Geisenheim. Andreas Hütwohl ergänzt, dass sein erster Besuch bei den Gantenbeins bereits 15 Jahre zurückliegt.
Im Obergeschoss begrüssen mich Martha und Daniel Gantenbein, Ulrike Hütwohl sowie ihr Vater Wolfgang, der als helfende Hand beim Umzug von Familie Hütwohl angereist ist. Wie die neue Aufgabenverteilung genau aussehe, möchte ich wissen. Grundsätzlich liege die Verantwortung für alle Arbeiten neu bei den Hütwohls. «In der Realität machen wir dennoch vieles gemeinsam», ergänzt Andreas Hütwohl. «Nur müssen Martha und Daniel nicht mehr jeden Tag um halb acht im Keller oder im Weinberg stehen.»
Ein Gläschen auf die Zukunft: Martha und Daniel Gantenbein sowie Ulrike und Andreas Hütwohl.
Nicolas GreinacherEin Gläschen auf die Zukunft: Martha und Daniel Gantenbein sowie Ulrike und Andreas Hütwohl.
Nicolas GreinacherOb man nach so langer Zeit einfach so loslassen könne, möchte ich von Martha Gantenbein wissen. «Ja, sehr gut sogar», antwortet sie und betont, dass die Zusammenarbeit mit den Hütwohls reibungslos verlaufe. «Ich bin begeistert von der Sorgfalt und Präzision, mit der Ulrike mit den Maschinen im Weinberg arbeitet», berichtet Daniel Gantenbein stolz.
Jeden Tag sprechen die vier miteinander. «Martha und Daniel teilen ihre wertvollen Erfahrungen mit uns, angefangen beim Föhnwind bis hin zu Feinheiten im Keller.» Es sei ein sehr schönes Miteinander, ergänzt Ulrike Hütwohl. Und obwohl es ihr an ihrem neuen Wohnort Fläsch GR sehr gut gefalle, müsse sie sich noch an die nächtlichen Glockenschläge der Kirche gewöhnen.
«Wir sind weiterhin jedes Jahr ausverkauft», erzählt Daniel Gantenbein. Mittlerweile gehen 40 Prozent der Gesamtproduktion in den Export – ein Rekordwert für Schweizer Verhältnisse. Die grösste Auslandzuteilung erhält Österreich, gefolgt von Deutschland und den USA. «Das waren auch die ersten Exportländer, in denen sowohl die Importeure als auch deren Kundschaft an uns geglaubt haben.» Loyalität geniesst im Weingut Gantenbein nach wie vor einen hohen Stellenwert. Manche Privatkunden und Restaurants, die bereits in den 1980er- oder 1990er-Jahren ab Hof kauften, werden noch heute bevorzugt behandelt. «Es kommt auch vor, dass wir Weine mit befreundeten Weinfreaks tauschen, zum Beispiel alte Jahrgänge», ergänzen die Gantenbeins.
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Während unseres Gesprächs verkosten wir eine Auswahl aller Gantenbein-Weine: Riesling, Chardonnay und Pinot noir. Der Riesling ist mit jährlich 1200 bis 2000 Flaschen äusserst rar. Die Reben wachsen auf kalkhaltigen Tonschieferböden und liefern seit 2002 Trauben, die zunächst mit Restsüsse und seit 2012 auch trocken ausgebaut werden. Gärung und Reifung über zwölf Monate erfolgen im Stahltank, unter Ausschluss der malolaktischen Gärung. Lange stand er im Schatten seines roten Bruders Pinot noir, doch in den letzten Jahren hat sich der Gantenbein-Chardonnay zu einem Kultwein gemausert. Für Jahrgänge wie 2013 müssen Interessenten bei Auktionen mit derzeit über 400 Franken pro Flasche rechnen. Der fassvergorene Weisswein reifte früher zu 100 Prozent in neuer französischer Eiche, heute liegt der Neuholzanteil bei etwa der Hälfte. Im Gegensatz zum Riesling durchläuft er stets die malolaktische Gärung, wobei die Reifezeit mit einem Jahr identisch ist.
Die von den Architekten Valentin Bearth, Andrea Deplazes und Daniel Ladner gebaute Kelter- und Degustierhalle mit perfekten Bedingungen für den Gärprozess der Trauben.
PRDie von den Architekten Valentin Bearth, Andrea Deplazes und Daniel Ladner gebaute Kelter- und Degustierhalle mit perfekten Bedingungen für den Gärprozess der Trauben.
PREine rund 4 Hektar grosse Rebfläche, aufgeteilt in mehrere Parzellen, ist mit Pinot noir bepflanzt und liefert die Trauben für den einzigen Rotwein der Gantenbeins. Die verschiedenen Lagen werden separat vinifiziert, mit vollständiger Entrappung und einer Kaltmazeration von bis zu zwei Wochen. Nach gut einem Jahr in leicht getoasteter französischer Eiche werden die Weine ungeschönt und ungefiltert abgefüllt.
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Modernes Design trifft auf moderne Weinkultur: In diesen Eichenfässern werden die Trauben vergoren.
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PRDie 14 verkosteten Weine – vom blutjungen 2023er bis zum vollständig ausgereiften 2005er – zeigten über alle drei Rebsorten hinweg eine konstant hohe bis sehr hohe Qualität. Kein einziger Wein fiel ab, im Gegenteil: Qualität und Konstanz ziehen sich wie ein roter Faden durch das Sortiment. Besonders beim Chardonnay und Pinot noir tritt zudem die gesicherte Lagerfähigkeit über mehrere Jahrzehnte hervor. Auffällig ist auch, dass die jüngeren Jahrgänge (noch) mehr Präzision und Eleganz zeigen als in der Vergangenheit.
Für das neue Team im Fläscher Vorzeigebetrieb ist es eine perfekte Situation. Die profunde Erfahrung von Martha und Daniel Gantenbein verbindet sich mit frischer Energie, Motivation und einer gehörigen Portion Ehrfurcht vor dem neuen Lebensabschnitt von Ulrike und Andreas Hütwohl. Auf die nächsten vierzig Jahre!
Weinexperte Nicolas Greinacher hat 14 ausgewählte Weine von Gantenbein verkostet. Das sind seine Kurznotizen:
Expressiv und floral, mit feinen Zitrusnoten und einem Hauch von Feuerstein. Extrem lebendig und filigran. Jetzt bis 2040. 94/100.
Sehr sortentypisch und duftig, mit konzentriertem grünem Apfel und verführerischer Intensität. Straff und mineralisch. Jetzt bis 2043. 94/100.
Honig und getrocknete Blüten, dazu Zedernholz und Stroh. Kraftvoll, hedonistisch und voll ausgereift. Zwanzig Jahre nach der Ernte auf dem Zenit. Jetzt austrinken. 93/100.
Verspielte Feuersteinnote, spannungsvoll und exakt. Perfekte Balance aus Reduktion, konzentrierter Frucht, vibrierender Säure und feinem Eichenholz. Jetzt bis 2035. 94/100.
Markanter Feuerstein, gelber Apfel, feine Würze und leichtes Zedernholz. Glasklar, mit enormer Dichte. Ein Traumwein. Jetzt bis 2042. 96/100.
Feine Feuersteinaromen, Zitronenfleisch und Jasminblüten, untermalt mit etwas Austernschale. Trinkreife: 2028 bis 2048. 95/100.
Frische Zitronenzeste, Feuerstein, Austernschale. Breit und kräftig. Ein herausragender Gantenbein-Chardonnay. Jetzt bis 2044. 95/100.
Vielschichtige, einladende Aromatik mit Feuerstein, Zitronenfleisch, gelbem Apfel, weissem Pfirsich und edlem Zedernholz. Athletisch, zugleich mit Finesse und -Tiefgang. Jetzt bis 2045. 94+/100.
Dezent rauchig mit etwas Minze, rotfruchtig, Waldboden und feines Leder. Hochkomplex, mit mittlerem Körper. Jetzt im idealen Trinkfenster, bei guter Lagerung mit Potenzial für weitere zehn Jahre. 93/100.
Charakterstark und vornehm, mit schwarzer Kirsche und extrem fein eingebundenem Eichenholz. Bereits jetzt herrlich trinkig, Lagerpotenzial bis 2042. 94/100.
Ausgeprägte Pinot-Aromatik mit schwarzer Kirsche, roter Pflaume, leichtem Rauch und dezentem Zedernholz. Exzellent. Trinkreife: 2030 bis 2050. 95/100.
Frische rote Frucht, mittlerer Körper, schlank und feingliedrig mit fein integrierter Eiche. Geschmeidig und mit lebendigem Finish. Trinkreife: 2028 bis 2046. 93/100.
Anfänglich leichte Reduktion. Mit etwas Luft reife rote und schwarze Kirsche, zurückhaltende Eiche. Gross, braucht Zeit. Trinkreife: 2034 bis 2052. 95/100.
Anmutig und zugänglich, reife dunkle Frucht, ein Hauch von Rauch. Lediglich rund 5000 Flaschen abgefüllt. Trinkreife: 2030 bis 2048. 94/100.
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Dieser Artikel ist im Millionär, einem Magazin der Handelszeitung, erschienen (September 2025).
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