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Mann des Monats

Wie Hubert Keller bei Lombard Odier die Nachhaltigkeit ausbaut

Traditionelles Genfer Private Banking, ­gemischt mit einer ­gehörigen Portion Umweltbewusstsein – wie Hubert Keller ­Lombard Odier in die Zukunft führen will.

Erik Nolmans

Genève, 13 janvier 2023.Hubert Keller, Senior managing partner de la banque LODH.©François Wavre | Lundi13

Mit Hubert Keller übernimmt ein neuer Typus Banker die Rolle des Senior Partners bei der 227 Jahre alten Privatbank Lombard Odier.

François Wavre | Lundi13

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Anfang der neunziger Jahre war es, Hubert Keller sass etwas verloren an seinem Pult im Flur des Hauptgebäudes der altehrwürdigen Investmentbank S.G. Warburg in London, wohin sich der frischgebackene Uniabgänger von der HEC Lausanne aufgemacht hatte. «What are you doing here?», fragte ihn einer der Banker im Vorbeigehen. «Mein Vater hat mich hergeschickt, damit ich etwas über Banking lerne», antwortete er. «Okay, komm mit», sagte der Mann und liess sich den jungen Schweizer sechs Monate lang bei jedem Call und jedem Geschäft über die Schulter schauen.

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Der Mann hiess Michael Cohrs, war Direktor bei Warburg und später Vorstandsmitglied der Deutschen Bank. Fast 15 Jahre war Cohrs in der Folge der Chef von Keller: «Er wurde der beste Mitarbeiter, den ich jemals hatte», schwärmt er noch heute über seinen ehemaligen Zögling: «Sehr clever, sehr ehrgeizig, morgens der Erste im Büro, abends der Letzte, der ging.»
 

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Ganz oben

Der junge Mann aus dem Hallway in London ist inzwischen selbst ganz oben angekommen: Per Anfang Jahr hat er Patrick Odier als Senior Partner der Privatbank Lombard Odier ersetzt – und ist damit der Primus inter Pares im sechsköpfigen Führungsgremium. Mehr als ein Jahr hatten sich Keller und Odier die Aufgabe geteilt, damit sich Keller optimal darauf vorbereiten kann. Nun muss der 55-Jährige alleine ran.

Bei der Bank ist er schon lange: 2006 wechselte er von der Deutschen Bank direkt ins Gremium der geschäftsführenden Teilhaber von Lombard Odier. Dort gilt das Anciennitätsprinzip: Wer am längsten dabei ist, wird am Ende neuer Primus im Gremium. Der 67-jährige Odier, der die Altersgrenze erreicht hat, hatte seit 2008 als Senior Partner gewirkt.
1796 wurde die Bank gegründet, die mit vollem Namen Lombard Odier Darier Hentsch heisst. Odier vertrat seine Familie in sechster Generation. Mit seinem Ausscheiden ist erstmals kein Träger des Firmennamens mehr im obersten Führungsgremium. Dennoch verkörpert auch Keller die Mischung zwischen traditioneller Verankerung und Bankkompetenz, die ein Mitglied des Kreises der geschäftsführenden Teilhaber idealerweise mitbringen soll.

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Genève, 13 janvier 2023.Hubert Keller, Senior managing partner de la banque LODH.©François Wavre | Lundi13

Vom Investmentbanker zum Banquier privé – seit über dreissig Jahren ist der 55-Jährige im Geschäft (Bild: Kellers Büro im Hauptsitz in Genf).

François Wavre | Lundi13
Genève, 13 janvier 2023.Hubert Keller, Senior managing partner de la banque LODH.©François Wavre | Lundi13

Vom Investmentbanker zum Banquier privé – seit über dreissig Jahren ist der 55-Jährige im Geschäft (Bild: Kellers Büro im Hauptsitz in Genf).

François Wavre | Lundi13

Schon sein Vater Pierre Keller war Teilhaber, 24 Jahre lang, von 1970 bis 1994, und eine ganz starke Figur. Er verpasste der Bank einen Modernisierungsschub, etwa durch den Aufbau des erfolgreichen Londoner Office. Noch heute hat der inzwischen 95-Jährige ein Büro am Hauptsitz, das er rege benützt – ein Recht, das allen ehemaligen Partnern zusteht. Auch Hubert Kellers Bruder Jean, der heute eine eigene Finanzfirma betreibt, war ehemals in Diensten der Bank. Der Einstieg von Hubert 2006 war endgültig ein Fanal, dass sich im Innern eine neue Art von Dynastie zu etablieren begonnen hatte – nebst dem halben Dutzend bisher prägender Familien. Von seinem Chef Cohrs verabschiedete sich Keller mit den Worten: «Du wusstest, dass eines Tages der Moment kommen wird, dass ich zu Lombard Odier gehe. Heute ist dieser Tag gekommen», erinnert sich Cohrs.

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Der Wechsel in der Rolle des Senior Partners Ende letzten Jahres verlief ebenfalls von langer Hand geplant. Der Abschied von Odier war eine grosse Sause: 1200 Mitarbeiter und Gäste waren am 20. Dezember in der grossen Veranstaltungshalle in Genf zugegen, Keller hielt die Abschiedsrede, als Geschenk gab es für Patrick Odier ein Buch mit persönlichen Mitteilungen von über hundert Mitarbeitern.
Auch wenn Odier nicht mehr Managing Partner ist und somit auch nicht mehr an den Sitzungen des Gremiums teilnimmt, hat er als Chairman des Supervisory Boards der Kommanditgesellschaft, welche die ehemals als Gemeinschaft unbeschränkt haftender Teilhaber fungierende Firma 2014 als neue Organisationsform gewählt hat, eine wichtige regulatorische Funktion behalten.
 

Umzug geplant

Zum Gespräch mit BILANZ hat Keller ins Hauptgebäude von Lombard Odier an der Rue de la Corraterie im Zentrum von Genf geladen. Ein mächtiges Steingebäude, eine Art Burg fast, eine Festung für die Banquiers privés und ihr Geschäft mit den reichen Privatkunden, deren höchste Tugenden bis heute Diskretion und Sicherheit sind. Kellers Büro ist klein und spärlich eingerichtet: ein Pult, Computer, alte Stiche an der Wand. Protzen ist hier nicht angesagt, Bescheidenheit ist traditionell eine der Tugenden der Genfer Privatbanquiers.

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Lange wird man allerdings nicht mehr dort sein: 2024 soll der neue Hauptsitz an den Gestaden des Genfersees bezogen werden. Das Gebäude für 2600 Mitarbeiter, konzipiert von den Basler Stararchitekten Herzog & de Meuron, ist aus Glas und damit auch ein Statement für Transparenz. Der Umzug hat Symbolcharakter: Eine neue Zukunft für das Schweizer Private Banking steht an, Offenheit wird wichtig, vorbei sind die Zeiten, als das Geld vor allem mit dem Horten von Schwarzgeld verdient wurde.

sd

Per 2024 zieht die Bank von der Genfer Innenstadt in den neuen Hauptsitz, der etwas ausserhalb an den Gestaden des Genfersees liegt.

PD
sd

Per 2024 zieht die Bank von der Genfer Innenstadt in den neuen Hauptsitz, der etwas ausserhalb an den Gestaden des Genfersees liegt.

PD

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Für Keller soll dieser Neuaufbruch zudem mit einer der anderen ganz grossen Entwicklungen der heutigen Zeit verbunden werden: der nachhaltigen Ausrichtung der Wirtschaft in all ihren Facetten. «Rethink everything» lautet nicht von ungefähr das Motto, das Lombard Odier in ihrem Werbeauftritt kommuniziert. Auf die fundamentalen Werte der über 200 Jahre alten Bank wie Verlässlichkeit und Diskretion soll «eine gehörige Portion Innovation und zeitgemässe Relevanz» gesetzt werden, wie es Chief Branding Officer Fabio Mancone vor ein paar Jahren gegenüber BILANZ formulierte. «Sustainability» – Nachhaltigkeit – ist seither das neue Schlagwort und Keller selber der eifrigste Vertreter.
Dem Interview mit BILANZ geht ein Lunch voraus, und Keller redet beim Essen vor allem über Nachhaltigkeit. Man spürt seine Begeisterung für das Thema, der Mann ist ein wandelndes Lexikon, fast alle Einschätzungen untermauert er mit allerlei Zahlen, vom Anteil von Neuzulassungen für Elektroautos bis hin zur weltweit für die Viehwirtschaft statt für die Ernährung von Menschen benutzten Agrarflächen.
Dass die Bank in ESG-Fragen («Enviromental, Social, Governance») einfach einem Modetrend folgt wie viele Konkurrenten auch, lässt er nicht gelten und verweist auch hier auf die lange Tradition in solchen Fragen. So riet Alexandre Lombard 1841 seinen Partnern in einer Anlageempfehlung, sich von US-amerikanischen Unternehmen zu trennen, die auf Sklavenarbeit als nicht nachhaltiges Geschäftsmodell setzten.

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Delle im Ergebnis

Keller begrüsst zwar die Unterstützung durch die Politik, sieht aber die Wirtschaft selbst als wichtigste Triebkraft des ökologischen Wandels – «einfach weil Unternehmen, die sich auf den Übergang einstellen, langfristig profitabler sein werden». Für ihn ist die Positionierung der Unternehmen im Hinblick auf den ökologischen Wandel daher auch ein wichtiger Faktor bei der Zusammenstellung von Portfolios für Lombard-Odier-Kunden: «Natürlich ist die Performance ihres Portfolios weiterhin das zentrale Anliegen unserer Kunden. Wir sind fest davon überzeugt, dass nachhaltiges Wirtschaften auf lange Sicht nicht nur die Welt verbessert, sondern auch die Performance unserer Anlagelösungen.»

2675

Mitarbeiter beschäftigt die Gruppe weltweit an 25 Standorten.

29,5

Prozent beträgt die Kernkapitalquote der Bank.

310

Mrd. Fr. an Kundenvermögen verwaltet die Bank.

 

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310 Milliarden Franken an Kundenvermögen verwaltet das Institut laut dem Halbjahresbericht von Ende August letzten Jahres. Gegenüber der Vorjahresperiode entspricht das einem Rückgang von 13 Prozent. Auch der Reingewinn ist in jener Periode gesunken, um 5 Prozent auf 136 Millionen Franken. Die Delle im Business ist allerdings zu einem grossen Teil auf Devisenschwankungen und die schlechte Börsenlage im letzten Jahr zurückzuführen – der Krieg in der Ukraine, die Zinswende und die Inflationsängste haben fast überall die Märkte unter Druck gesetzt.
Die Zahlen für das Gesamtjahr 2022 werden erst in einigen Wochen kommuniziert. Odier hatte schon im Herbst gegenüber dem Branchenportal «Finews» angedeutet, dass die zweite Jahreshälfte «noch ein wenig schwieriger werde als das erste Semester». Laut Keller werde sich das Jahresergebnis schlussendlich gar nicht so schlecht präsentieren, liege aber natürlich unter den Zahlen des Topjahrs 2021. Langfristig gesehen ist die Performance von Lombard Odier eindrücklich: Vor zehn Jahren lagen die Kundengelder noch bei 188 Milliarden Franken, heute sind es also gut zwei Drittel mehr.
Noch immer ist das traditionelle Geschäft mit den Privatkunden die Basis, aber auch das Asset Management, für das Keller in seiner Zeit als Managing Partner in den letzten zehn Jahren zuständig war, spielt heute eine bedeutende Rolle. Inzwischen gilt der einst kriselnde Bereich als stabilisiert. Auch wenn Lombard Odier keine Detailzahlen zu den Erträgen der Sparten ausweist, trägt die Division Keller zufolge erheblich zum Gewinn der gesamten Gruppe bei. Rund 63 Milliarden Franken verwaltet der Bereich heute. Zudem hat die Sparte über die letzten Jahre ein erfolgreiches Private-Equity-Offering aufbauen können.
 

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Schwieriger Start

Die Verantwortung für das Kerngeschäft Private Banking teilen sich die Managing Partner Frédéric Rochat und Denis Pittet. Der per Anfang 2022 als neuer Teilhaber gewählte Jean-Pascal Porcherot, der heute für das Asset Management verantwortlich ist, ist schon seit 2009 bei der Bank und gilt als Vertrauter von Keller, haben die beiden doch lange zusammengearbeitet. Ex-Credit-Suisse-Banker Alexandre Zeller ist verantwortlich für Technologie und Organisation, die Schwedin Annika Falkengren, die 2017 von der Grossbank SEB kam, für die Bereiche Risk sowie Kommunikation. Als Head «One Roof» (die heutigen fünf Standorte in Genf sollen am neuen Standort unter einem Dach zusammengefasst werden), hat sie auch die Oberaufsicht über das grosse Neubauprojekt.Der Start von Keller bei Lombard Odier war schwierig. Er war geholt worden, um das Asset Management aufzubauen und den kriselnden Bereich zu sanieren. Doch seine Sparte kumulierte in den ersten Jahren zunächst einmal Verluste. In den Folgejahren gelang es Keller zwar, die Ergebnisse zu verbessern. Doch der Bereich hob einfach nicht richtig ab, mehrere Wachstumsinitiativen brachten nicht die erhofften Resultate, immer wieder sprangen zudem gute Leute ab, was in der Branche zu reden gab. Das Asset Management wurde denn auch zum Feld des Disputs im Gremium der Managing Partner, ja zum Anlass eines gehässigen Streits zwischen einzelnen Alphatieren in der Gruppe. 

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2014 hatte Lombard Odier den Schweizer Hugo Bänziger ins Gremium der Managing Partner geholt. Bänziger, lange Risikochef der Deutschen Bank, sollte die internen Strukturen auf Vordermann bringen. Dass der Mann nicht ins Gremium der noblen Banquiers passte, wurde bald klar. Bänziger, Panzeroffizier im Schweizer Generalstab, eine eher ruppige Persönlichkeit, war von Anfang an ein Fremdkörper im Gremium. Es kam bald zu Meinungsverschiedenheiten, die zu einem regelrechten Streit eskalierten. Laut mit den Geschehnissen Vertrauten warf Bänziger Keller vor, seine Zahlen im Grunde durch Quersubventionen aus dem erfolgreichen Private Banking zu schönen; Keller soll gekontert haben, Bänziger verstehe das interne Zahlenwerk offenbar nicht, und riet ihm, sich doch besser erst mal schulen zu lassen. Als Bänziger vorschlug, die Bank solle sich vom Teil des institutionellen Asset Managements trennen, war endgültig Feuer im Dach.

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Es war ein Affront gegenüber Keller, der damit seinen Bereich verlieren würde, aber auch gegen die Gesamtbank, war die Abstützung auf die beiden Säulen doch vor vielen Jahren gemeinsam festgelegt worden. Die Stimmung im Gremium kippte endgültig gegen Bänziger: Im Oktober 2018 gab die Bank seinen Abgang bekannt, laut Communiqué wegen «Divergenzen betreffend die Führung und die Umsetzung der Strategie».
Keller ging gestärkt aus der Episode hervor. Den Ball flach zu halten, war danach das Motto. Parallel dazu bereitete Odier seine Nachfolge gewissenhaft vor und stärkte Keller bei jeder Gelegenheit auch gegen aussen den Rücken, indem er keine Zweifel darüber aufkommen liess, dass dieser ihn, wie bereits lange zuvor bestimmt, ersetzen werde. Die Übergabe der Verantwortung verlief denn auch ohne Friktionen.

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In der Belegschaft hat Keller ein gutes Standing – er gilt als nahbar und ohne Allüren, auch wenn natürlich viele Odier vermissen werden, der intern und extern sehr beliebt war. In vielem, etwa hinsichtlich der Strategie des Unternehmens, seien sie sich ähnlich, sagt Keller, aber es gebe auch Unterschiede, insbesondere bezüglich ihrer Fokusbereiche. Als Beispiel nennt er etwa die politische Rolle, die Odier in der Branche spielte, der sich 2009 zum Präsidenten der Bankiervereinigung wählen liess, just in der Zeit des Kampfes um das Bankgeheimnis, das von aussen unter Druck geraten war. Auf die Frage, ob er sich vorstellen könne, auch einmal eine ähnliche Rolle oder Funktion anzunehmen antwortet Keller mit einem klaren «Nein».

Genève, 13 janvier 2023.Hubert Keller, Senior managing partner de la banque LODH.©François Wavre | Lundi13

Als Primus inter Pares setzt Keller die Agenda im Gremium der gleichberechtigten Managing Partner.

François Wavre | Lundi13
Genève, 13 janvier 2023.Hubert Keller, Senior managing partner de la banque LODH.©François Wavre | Lundi13

Als Primus inter Pares setzt Keller die Agenda im Gremium der gleichberechtigten Managing Partner.

François Wavre | Lundi13

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Er sieht seine Rolle eher darin, die Nachhaltigkeitsagenda voranzutreiben, bei der die Bank eine wichtige Rolle spielt. Keller selbst ist hier sehr aktiv. Er war die treibende Kraft hinter der im Juli 2021 beschlossenen Zusammenarbeit mit der Universität Oxford, deren Ziel es ist, nachhaltigen Investment Research zu fördern, unter anderem durch eine eigens geschaffene Professur. Ende jenes Jahres beteiligte sich Lombard Odier zudem an Systemiq, die international in der Beratung von Unternehmen und Regierungen in Fragen der Nachhaltigkeit tätig ist.
 

Wirtschaft treibt Veränderung

Systemiq-Gründer Jeremy Oppenheim, ein ehemaliger McKinsey-Mann, hatte Keller vor zweieinhalb Jahren zu einem Lunch getroffen und war beeindruckt: «Wir teilten unsere Sicht der Dinge. Ihm ging es nicht einfach um Corporate Social Responsibility, sondern darum, in die Zukunft des Planeten zu investieren.» Gemeinsames Thema sei gewesen, wie man in grossem Umfang in leistungsfähigere Energie-, Lebensmittel-, Natur- und Materialsysteme investieren könne, sodass man am Ende sowohl eine florierende Wirtschaft als auch ein gesundes Klima habe. Woher kommt dieses Interesse am Thema, fragen wir Keller, gab es für ihn einen Aha-Moment?

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Natürlich habe er auch in den Bergen, wo er Ferien machte, gesehen, wie die Gletscher kleiner wurden, und seien ihm die vielfältigen Veränderungen in der Natur aufgefallen. Schub in der Sache habe aber die Erkenntnis gebracht, dass hier ein ganz grosser Shift im Gange ist, vor allem auch im ökonomischen Sinne, und dass sich dadurch massive Opportunitäten für Anleger ergeben.
Bei der Deutschen Bank habe er um die Jahrtausendwende den Internetboom hautnah miterlebt. Das Gefühl, dass da etwas ganz Grosses im Gange sei, eine tiefgreifende Änderung passiere, habe er jetzt auch in Sachen Ausrichtung der Wirtschaft auf Nachhaltigkeit. Sie werde eine ähnlich bedeutende Wirkung haben auf die Geschehnisse, die Profite der Firmen und die Art, wie wir alle leben und arbeiten werden, wie jene Revolution vor rund zwanzig Jahren.

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Er selbst ist oft und gerne in der Natur. Er hat lange in England gelebt und fühlt sich mit dem Land noch immer stark verbunden. Noch heute ist er so oft wie möglich auf seinem Landsitz rund 50 Kilometer nördlich von Oxford, einem grosszügigen Anwesen, wo er auch sein Pferdegestüt hat. Keller reitet leidenschaftlich gerne, er hat vier Reitpferde und ein halbes Dutzend eher älterer Pferde, die für den Reitsport nicht mehr so geeignet sind und die ihm teilweise Freunde in Obhut gegeben haben.
Er reite gerne über Land, eigentliche Wettkämpfe bestreitet er nicht. Er sei der Einzige in der Familie, der dem Hobby fröne: «Ich bin kein hochbegabter Reiter und falle ab und zu vom Pferd – das hat meine Frau und meine Kinder wohl abgeschreckt», scherzt er.

Er hat zwei Töchter und einen Sohn im Alter von 28, 26 und 24 Jahren. Seine Gattin Caroline hat er schon in der Schule kennengelernt, die beiden sind seit über dreissig Jahren verheiratet. Sie hat ein Medizinstudium absolviert, aber nie als Ärztin gearbeitet, denn schon bald nach dem Abschluss zogen die beiden nach London und wurden Eltern.
Stolz erzählt Keller, dass er sogar schon Grossvater sei – seine ältere Tochter habe zwei Mädchen im Alter von zweieinhalb und eineinhalb Jahren, diese Weihnacht haben alle zusammen verbracht. Die ältere Tochter hat offenbar das Mediziner-Gen von der Mutter geerbt: Sie arbeitet in England als Chirurgin. Die jüngere Tochter arbeitet im Finanzwesen in Genf. Der Sohn ist im Management-Consulting tätig.

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Ambitionierte Pläne in der Deutschschweiz

Die Niederlassung in Zürich ist das grösste Office von Lombard Odier ausserhalb von Genf. Seit 1989 ist die Bank in der Limmatstadt präsent und stetig gewachsen. Bereits über 140 Mitarbeiter betreuen unter der Leitung von Andreas Arni die wachsende Kundschaft im Deutschschweizer Markt – und die Bank plant nach eigenen Angaben, weiter kräftig zu expandieren. So soll der Personalbestand der Zürcher Banker in den nächsten fünf Jahren um über 20 Prozent steigen.

 

 

sf

Andreas Arni, Leiter Markt Schweiz und der Zürcher Niederlassung von Lombard Odier.

PD
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Andreas Arni, Leiter Markt Schweiz und der Zürcher Niederlassung von Lombard Odier.

PD

Dabei soll Zürich durch den Ausbau der internationalen Franchise ein zunehmend wichtiger Hub für die internationale Kundschaft werden, mit Fokus auf Kunden aus Grossbritannien, Lateinamerika, Asien und Westeuropa. Zudem wurden kontinuierlich Backoffice-Funktionen in Zürich aufgebaut, etwa in den Bereichen Compliance, HR und Legal, denn dafür bietet Zürich in der Schweiz den grössten Talentpool.Die Strategie der Gesamtbank, Anlagelösungen vermehrt nach Kriterien der Nachhaltigkeit zu gestalten, soll auch in der Deutschschweiz vorangetrieben werde, etwa durch den Ausbau der Präsenz bei gemeinnützigen Organisationen, Stiftungen und NGOs. Auch auf Partnerschaften setzt die Bank: So wurde Lombard Odier von der Basellandschaftlichen Kantonalbank (BLKB) als Partner für nachhaltige Anlagen ausgewählt, Mitte 2022 gabs das erste gemeinsame Produkt.

Lombard Odier Building in Zürich

20 Prozent mehr Personal ist geplant. Bild: Utoschloss, Niederlassung von Lombard Odier in der Nähe des Zürcher Opernplatzes.

PD
Lombard Odier Building in Zürich

20 Prozent mehr Personal ist geplant. Bild: Utoschloss, Niederlassung von Lombard Odier in der Nähe des Zürcher Opernplatzes.

PD

Genfer Familiensitz ist eine Villa im noblen Vorort Vandœuvres, Hubert Keller ist kulturell interessiert, geht gerne mal in die Oper oder besucht Porträtausstellungen, doch ein Gesellschaftslöwe ist er nicht, man sieht ihn und seine Frau nur selten auf roten Teppichen oder an gesellschaftlichen Anlässen. Er geht gerne Ski fahren und spielt etwas Tennis.
In Genfer Bankierkreisen weiss man denn auch nicht allzu viel über ihn zu berichten, doch er soll sich gut eingelebt haben in der Calvin-Stadt: «Ein guter Mann, er wird die Bank sicher hervorragend führen», sagt etwa Bénédict Hentsch, der ihn persönlich seit Langem kennt. Als junger Mann habe Keller eine typische Investmentbanker-Karriere verfolgt, so Hentsch, seither habe er wichtige Private-Banking-Skills dazu addiert. Ein anderer langjähriger Vertreter der Branche beschreibt Keller gar als typischen Genfer Privatbanquier, «sehr, sehr traditionell, aber auch sehr, sehr pragmatisch».
Die Aufgabe von Keller bei Lombard Odier wird nicht einfach werden, die Vermögensverwaltungsbranche ist im Umbruch, die Margen sind seit Jahren unter Druck, und die Regulierungsvorgaben steigen stetig. Die Kosten müssen im Griff behalten werden, was nicht ohne teilweise einzuführende Digitalisierung der Aufgaben geht, was wiederum den engen persönlichen Austausch mit den Kunden – ein zentrales Element des Genfer Private Bankings – nicht gefährden darf.

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Wichtig wird sein, weiterhin auch neue, junge Kunden dazuzugewinnen. Doch da könnte das von Keller gepushte Thema der Nachhaltigkeit der Bank einen Vorteil verschaffen. Daher ist entscheidend, in diesen Fragen wirklich glaubhaft zu sein, Fehler darf sich die Bank keine erlauben, denn schnell ist in der sehr kritischen Community der Klimaschützer der Vorwurf von Greenwashing da.
Keller will weiter stark ins Nachhaltigkeits-Research investieren, die Zahl der Anlagespezialisten im hauseigenen Environmental-Team soll von heute 50 weiterhin stetig ausgebaut werden, und auch von der Zusammenarbeit mit der Universität Oxford und dem neuen Partner Systemiq verspricht er sich viel.
Dabei soll das interne Team mit Vertretern verschiedener Disziplinen verstärkt werden, nicht nur klassische Finanzanalysten oder Ökonomen dazustossen, sondern etwa auch Biologen oder Physiker. «Nicht nur das Portfoliomanagement wird sich ändern», sagt Keller, «auch das Berufsbild des Bankers wird zukünftig wohl ein anderes sein.»

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Über die Autoren
Erik Nolmans

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