Guten Tag,
Der CEO von Sportradar über den Markt, der immer recht hat, und Fussballtrainer, die er coachen könnte.
Carsten Koerl lässt sich vom dümpelnden Aktienkurs nicht entmutigen, sondern spannt die Muskeln umso mehr.
Dan Cermak für BILANZWerbung
In seinem Büro am Hauptsitz in St. Gallen ist Carsten Koerl doppelt präsent: einmal in echt und einmal auf einem grossen Gemälde. Er hat es 2022 geschenkt bekommen, als ihn EY zum Unternehmer des Jahres kürte – und weiss offenbar nicht, wohin damit. Jedenfalls lehnt es in Plastik gewickelt an der Wand, halb verdeckt vom ledernen Sofa, auf dem er es sich jetzt nicht bequem macht: Koerl postiert sich zuvorderst auf der Kante, gespannt auf die erste Frage.
Ich bin schwer am Überlegen. 27,66? Nein.
Das wusste ich nicht. Wir hatten bei 27,0 den IPO Strike fixiert.
Das war wahrscheinlich diese oder letzte Woche?
Die Frage ist gut und beschäftigt mich sehr. Wir wachsen jedes Jahr mit mehr als 20 Prozent beim Umsatz und beim operativen Gewinn. Unsere Ebitda-Marge ist auf 20 Prozent gewachsen, die Cash Conversion auf fast 50 Prozent. Das alles sind wichtige Kennzahlen. Und sie entsprechen nicht nur dem, was wir im Börsenprospekt versprochen haben, sondern sie sind noch ein bisschen besser.
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Carsten Koerl (59) wuchs im Allgäu (D) auf und studierte an der Uni Konstanz Elektro- und Prozesstechnik. 2001 hat er die Tech-Firma Sportradar mit Sitz in St. Gallen gegründet und 2021 in New York an die Börse gebracht. Es war sein zweites IPO, nachdem er den von ihm gegründeten Onlinewettdienst Bet-and-win (heute Bwin) kurz vor Platzen der Internetblase in Wien börsenkotiert hatte. Heute liefert er Live-Daten von Sportevents an rund 900 Buchmacher rund um den Globus, observiert die Rechtmässigkeit von Ergebnissen, entwickelt Software für «Gaming and Betting»-Anbieter. Koerl ist Vater von drei Kindern und lebt in Teufen AR.
Investoren sind nie blöd, und der Markt ist auch nie blöd. Der Markt kann aber kurzfristig sehr irrational sein. Mittel- bis langfristig wird der Markt immer den Kurs widerspiegeln, den das Unternehmen verdient hat. Punkt. Verwaltungsrat und Management arbeiten intensiv daran. Ich bin schon lange in diesem Geschäft und mache mir keine Sorgen. Vielleicht müssen wir unser Messaging verbessern.
Wir mussten unseren Forecast in Bezug auf den Umsatz – nicht den Gewinn – leicht nach unten korrigieren, das erste Mal seit dem IPO.
Ein Grund: Der Euro ist signifikant stärker als der Dollar, verglichen mit November letztes Jahr, als wir das Budget gemacht haben. Solche Dinge sind ausserhalb der Kontrolle der Firma.
Carsten Koerl ist in Bezug auf die künftige Bewertung von Sportradar zuversichtlich.
Dan Cermak für BILANZCarsten Koerl ist in Bezug auf die künftige Bewertung von Sportradar zuversichtlich.
Dan Cermak für BILANZWerbung
Wir haben einen Stellenabbau angekündigt. Wir wollen bei unserer Workforce etwa zehn Prozent einsparen und werden damit unsere Effizienz erhöhen. Das tut jedem Unternehmen gut von Zeit zu Zeit. Wir wollen uns damit auf das zukünftige Wachstum vorbereiten.
Genau. Aber es geht mir hier nicht in erster Linie darum, Kosten zu sparen. Mit der Massnahme erhöhen wir den Druck, Prozesse und Strukturen zu optimieren. Wir agieren weltweit in einem ebenso kompetitiven wie lukrativen Markt. Da gibts nur eins: Wir müssen immer besser werden. Wir erwirtschaften 2023 rund 900 Millionen Euro Umsatz und wollen 2024 deutlich über die Milliarde gehen. Dafür muss man einiges tun.
Ach was, das war im Spass gemeint. Für mein Leben macht es keinen Unterschied. Geld ist kein Antrieb, jeden Tag 12 bis 14 Stunden zu arbeiten. Ich kann Geld nicht essen, nur einsetzen, für meine Familie zum Beispiel oder für das weitere Wachstum von Sportradar. Dieser Reichtum ist auf Papier und wird für mich nur zum Thema, wenn BILANZ die Liste der 300 Reichsten publiziert. Und natürlich bei der Vermögenssteuer. Die bezahle ich gern. Ich finde sie kein schlechtes Instrument, um einen Ausgleich zu schaffen zwischen sehr gut Verdienenden und Leuten, denen es vielleicht nicht so gut geht.
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Richtig. Ich will gewinnen. Ich will uns verbessern. Wenn ich das gut mache, wird der Börsenkurs das reflektieren. Aber nur den monetären Wert zu betrachten, ist bizarr. Ich habe nicht vor, die Firma zu verlassen. Im Gegenteil, ich werde mich ständig verbessern, damit der Kurs in die Richtung geht, die das Unternehmen verdient hat.
Ich habe ihn vor drei Wochen in Palm Beach getroffen. Wir haben drei Stunden gesprochen und dabei nicht ein Wort über den Börsenkurs verloren. Er ist sehr engagiert, wenn es um Sport geht, aber auch, wenn es um Daten geht. Und er kennt das Wettgeschäft sehr genau. Wir haben daher darüber geredet, wie ich ihn mehr in unser Kerngeschäft einbinden kann, ob er bereit wäre, beim Investorentag mitzuarbeiten. Michael denkt langfristig. Deshalb passt er perfekt zu Sportradar.
Diese Stimmrechte helfen mir für die Art, wie ich das Unternehmen manage. Nachdem ich etwas für mich reflektiert habe, treffe ich Entscheidungen gern relativ schnell. In einem starken und paritätisch besetzten Verwaltungsrat einer gelisteten Firma kann das auch etwas länger dauern. Jede Entscheidung, die ich treffe, ist mit dem Board abgestimmt. Wir hatten in den vergangenen Jahren keine kontroverse Entscheidung. Kontroverse Debatten schon, und das ist gut so.
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Ich glaube, ich habe nie gesagt, dass China meine treibende Vision ist, sondern dass es einfach eine Option ist und dass ich China mittel- bis langfristig sehe, nicht kurzfristig. Bisher hat die Regierung den Markt aber nicht liberalisiert. Sehr bullish sind wir nach wie vor in Bezug auf Indien und dort auf Cricket im Speziellen. Auch das dauert ein bisschen länger als gedacht. Dafür geht es schneller als geplant in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Generell sind wir sehr zufrieden, wie sich der weltweite Markt für uns entwickelt.
Nein. Aber die Schweiz ist für mich emotional sehr relevant. Ich habe das Land als meine Heimat gewählt. Ich würde hier geschäftlich gerne mehr tätig sein. Aber: Sportwetten sind monopolisiert. Ob das effizient ist oder nicht, könnte man in der Tat diskutieren.
Das haben Sie jetzt gesagt. Was ich sage: Unser Schicksal wird sich nicht an der Durchdringung des Schweizer Markts entscheiden. Aber er liegt mir am Herzen, und ich finde, man könnte viel machen. Ich glaube etwa, dass es möglich ist, ein Schweizer Fussballteam mittels unserer Daten in der Champions League nach vorne zu bekommen. Ich hätte viel Spass daran.
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Der Sportradar-CEO und -gründer Koerl am St. Galler Hauptsitz.
Dan Cermak für BILANZDer Sportradar-CEO und -gründer Koerl am St. Galler Hauptsitz.
Dan Cermak für BILANZWas ich gelernt habe: Es gibt so vieles, wo man allein via Datenanalyse zu deutlich besseren Entscheidungen und damit zu Erfolgen kommen kann. Wir können mit hoher Wahrscheinlichkeit prognostizieren, was in den nächsten zehn Minuten auf dem Spielfeld passieren wird und könnten dem Trainer am Spielfeldrand in Echtzeit Empfehlungen abgeben, um sich einen Vorteil zu verschaffen.
Ich weiss nicht, ob er Hilfe braucht. Aber falls ja, dann könnten wir live mit Sicherheit sehr gute Hinweise geben. Allen Trainern natürlich. Aber monetär ist das leider wenig lukrativ. Denn wenn ich einem Team sagen kann, wie es wahrscheinlicher gewinnt, wird dieses Team es nicht gerne sehen, wenn ich mit unseren Daten auch noch anderen Mannschaften helfe.
Für Disney geht es darum, sich die nächsten 10 bis 20 Jahre zu erschliessen. Das Abo-Modell für Filme und Serien wird es nicht tragen, das Kino auch nicht. Sie müssen wesentlich digitaler werden, mit Daten über ihre Nutzer arbeiten und versuchen, ihr Produkt so zukunftsfähig zu machen. Spannend wird auch sein, wie Amazon und Netflix das sehen. Oder Apple. Die beziehen die globalen Sportdaten von uns.
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Ich möchte kürzere Wege. Wir haben brillante Köpfe im Bereich Forschung und Entwicklung, überall auf der Welt. Und ich möchte sie gern an einem zentralen Ort zusammenbringen und für sie ein Umfeld schaffen, an dem sie kreativ und optimal zusammenarbeiten können. Das kann in Zürich gut gelingen, im Silicon Valley und vielleicht noch in New York. Aber sonst? Google ist nicht von ungefähr in Zürich.
Etwa 100, mehr brauchen wir derzeit nicht.
Eine Zahl kann ich Ihnen nicht nennen, das wäre ja börsenrelevant. Was ich sagen kann: Es ist vor allem ein Investment in Menschen, und das sind sehr begehrte und sehr gut bezahlte Mitarbeiter.
Nein.
★ Privatjet Pilatus PC-24 oder First Class? Für meinen persönlichen Lebenskomfortlevel: PC-24.
★ Erling Haaland oder Harry Kane? Harry Kane. Weil Bayern München.
★ Wellness oder Camping? Camping. Ich muss aber meine Kinder noch davon überzeugen.
★ Rolex oder Omega? Ich trage keine Uhr.
★ St. Gallen oder New York? St. Gallen. Es ist Heimat für mich. Ich liebe die Natur. Aber ich brauche auch Abwechslung, daher auch gern New York.
★ Michael Jordan oder Dirk Nowitzki? Michael. Er ist natürlich mit keinem Sportler im Basketball vergleichbar, auch wenn Dirk Nowitzki ein grosser Sportsmann ist.
★ Golf oder Tischtennis? Meine Passion ist sicherlich Golf. Aber: Im Tischtennis bin ich besser.
★ Trump oder Biden? Um es diplomatisch auszudrücken: Ich bin bei beiden der Überzeugung, dass die Amerikaner eine andere Führung verdienen würden.
Ich habe das noch nie mit einer grossen Passion betrieben. Seit 15 Jahren steht zudem in meinen Verträgen, dass ich Wissen, das wir generieren, nicht benutzen darf, um für mich privat etwas herauszuholen.
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Ich habe kein schlechtes Gewissen, aber Sportradar beschäftigt sich sehr damit, wie wir helfen können. Verantwortung ist hier der Schlüsselfaktor. Wir sind ausschliesslich in regulierten Märkten tätig. Wir beraten Regierungen. Wie kann man etwa kontrollieren, dass jeder, der eine Wette mit einem lizenzierten Unternehmer abschliesst, auch die Steuer dafür entrichtet? Hier gibt es viele technische Möglichkeiten, um so etwas zu validieren. Damit hat man aber auch die Daten über das Verhalten eines Sportwetters. Man kann mit digitalem Scoring kritische Profile identifizieren und Hinweise auf eine drohende Spielsucht entdecken. Und das wird auch gemacht. Wenn nicht, gräbt sich die Industrie das eigene Wasser ab. Das ist meine Grundüberzeugung. Danach handeln wir.
Wir haben einen grossen Vertrag mit der ATP, Details darf ich keine nennen. Aber ich kann Ihnen verraten, dass die ATP, bei der Novak Djokovic ja Mitglied ist, die Verträge direkt mit dem Buchmacher abschliesst und eben nicht mit Sportradar. Wir erhalten also lediglich eine Vermittlungsgebühr. Zudem: Bei der ATP haben die Sportler ein Mitspracherecht – drei von neun im Board of Directors sind Spielervertreter. Da muss also ein bisschen am Informationsfluss gearbeitet werden.
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Das habe ich nicht gesagt. Er ist ein brillanter Tennisspieler. Aber vielleicht sollte er sich damit beschäftigen, wie die ATP im Bereich Sportwetten Vermarktung macht und was sie an Substrat generiert. Es ist sehr erheblich.
YB.
Da fragen Sie jetzt einen eingefleischten Bayern-München-Fan, der leider Indikatoren hat, dass sein Team da nicht dabei ist. Ich wäre nicht überrascht, wenn wir wieder zwei Teams aus England haben. Man City scheint gewiss, beim zweiten streiten sich die Gelehrten noch.
Da müssen Sie Murat Yakin fragen. Ich habe hier keine Daten und würde nur einen Tipp abgeben.
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