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Welcher Empfangschef, welche Restaurantleiterin, welche Spa-Managerin verdienen besonderes Lob? 217 Experten zogen Bilanz und kürten ihre Favoriten in der Schweiz.
Claus Schweitzer
Katharina Sarrot ist ein bemerkenswertes junges Talent: In der Doppelrolle als Restaurantleiterin und Sommelière im Gourmetlokal The Restaurant, das zum The Dolder Grand in Zürich gehört, sorgt sie für die nötige Dosis Lockerheit.
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Bei allem Hype, der um Hotels gemacht wird: Es sind herausragende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, welche die Hotels zum Strahlen bringen, und nicht umgekehrt.
Egal, wie luxuriös die Ausstattung, wie spektakulär das Design oder wie feinsinnig die Gastronomie daherkommt – es ist letztlich immer das Hotelteam, das den Aufenthalt für die Gäste zu etwas Besonderem macht. Das wichtigste Kapital: Authentische Mitarbeitende, die sich intuitiv in jeden einzelnen Gast hineindenken können und den Anforderungen des Moments souverän gerecht werden, statt roboterhaft einem Katalog von Service-Standards zu folgen.
Die Gäste kommen in Hotels, um eine gute Zeit zu verbringen. Gastfreundschaft heisst, andere Menschen glücklich zu machen und Emotionen zu schaffen, die im Optimalfall noch lange in schöner Erinnerung bleiben.
Hoteliers des Jahres 2024
Jenny & Heinz E. Hunkeler, Kulm Hotel St. Moritz
Jeder wünscht sich, Gastgeber wie Jenny und Heinz Hunkeler zu haben, jeder Gast und jeder Mitarbeitende und jeder Hotelbesitzer. Gastgeber, die sich das Hotel zu ihrer Herzenssache machen und denen die Empathie vor allem für das Hotelteam, aber auch für die Gäste und für die Region aus jeder Pore funkelt – und dabei trotzdem gelassen bleiben. Das hebt die beiden aus der Masse anderer erstklassiger Hoteliers heraus, das unterscheidet sie vor allem auch von den meisten jüngeren Kolleginnen und Kollegen, die ein Hotel emotional nicht so nah an sich heranlassen und auch die Verwurzelung mit dem Standort nicht in solchem Grade suchen. Das ging schon im «Kronenhof» in Pontresina so, als sie 2008 zum ersten Mal mit dem BILANZ-Titel «Hoteliers des Jahres» ausgezeichnet wurden. Und dieses besondere Engagement geht nun bereits im zwölften Jahr im «Kulm» weiter. Das Direktionspaar brachte das monumentale Grandhotel baulich und atmosphärisch in die Neuzeit und führte es zu nicht für möglich gehaltenen Erfolgen – auch in den zuvor schwierigen Sommersaisons. Doch gerade im Sommer ist es noch viel wichtiger, dass die Gastgeber die Region verstehen, dass sie das Team mitreissen und den Anspruch generationenübergreifender Gastlichkeit in jedem Moment selbst vorleben. Als sich Jenny und Heinz in den 1990er-Jahren an der Hotelfachschule EHL in Lausanne kennenlernten (und im Jahr 2000 promovierten), hatten viele Nachwuchs-Hoteliers noch Bernie Thompson aus dem Film «Pretty Woman» als Archetyp eines Hoteldirektors vor Augen, den allwissenden, doch diskreten Manager einer Luxusherberge in Beverly Hills. Seit den «Pretty Woman»-Tagen ist dieser Job sehr viel unternehmerischer und strategischer geworden, doch bei allen Veränderungen in der Hospitality-Welt sehen sich die Hunkelers vor allen Dingen als Gastgeber, indem sie die grundlegenden Dinge verlässlich gut machen und sich mit Herz und Seele um die Gäste kümmern. Das klingt einfach, ist es aber nicht – wie man beim heute vielleicht bekanntesten fiktiven General Manager erahnt, dem zynischen, von enervierenden Gästen geplagten Armond in der ersten Staffel der amerikanischen Fernsehserie «The White Lotus».
ZVGConcierge des Jahres 2024
Laura Bründler, Hotel Waldhaus Sils
Das Concierge-Team eines Hotels ist das Bindeglied zur Aussenwelt. Im «Waldhaus Sils» beeindruckt Laura Bründler seit vier Jahren als eine der wenigen Frauen ihrer Zunft. Die Freude, Gäste glücklich zu machen und deren Ferien das besondere Etwas zu verleihen, steht ihr ins Gesicht geschrieben. Der Umgang mit den ständig wechselnden Gegebenheiten im spannenden Mikrokosmos Hotel erfordere eine Mischung aus guter Vorbereitung, Improvisationstalent und innerer Gelassenheit. So lässt sich die Schwyzerin, die auch Vizepräsidentin der Berufsvereinigung «Les Clefs d’Or Suisse» ist, von keinem Spezialwunsch aus der Ruhe bringen. Im Gegenteil: «Wenn Gäste uns herausfordern, laufen meine Concierge-Kollegen und ich zur Hochform auf», sagt sie. Man müsse immer alle Hebel in Bewegung setzen und manchmal mit Engelszungen auf die Leute einreden, damit diese den Extraschritt gehen. Ihr sorgsam gepflegtes weltweites Kontaktnetz hilft ihr dabei ebenso wie ihre lokale Verankerung – beide Faktoren geben sehr viel mehr her als die vermeintlich alleskönnenden Smartphones, insbesondere wenn unvorhergesehene Situationen eintreffen oder es um den Zugang zu einem Ort geht, zu dem es eigentlich keinen Zugang mehr gibt (zum Beispiel ein ausgebuchtes Restaurant oder ein ausverkauftes Konzert). «Social Media ist grossartig, wird jedoch niemals persönliche Kontakte schlagen», sagt die sympathisch hartnäckige, von gesunder Neugier geleitete Menschenversteherin aus Überzeugung. «Natürlich wissen wir grundsätzlich, welche Gäste kommen und was deren Ansprüche und Erwartungen sind, doch am Ende weiss man doch nicht, welcher Gast welchen Service braucht und welches Know-how an uns Concierges gestellt wird.»
ZVGEmpfangschef des Jahres 2024
Jochen Ebert, Castello del Sole, Ascona
Der stets ausgeglichene Chef des Empfangsbereichs arbeitet zwar erst im dritten Jahr im Resort, doch passt er so gut ins Team und zum Haus, dass er bereits ein heimlicher Star im Castello del Sole ist: bei Stammgästen, deren Vorlieben und Marotten er inzwischen kennt und achtet, bei neuen Gästen, die er mit seinem munteren Charme rasch für sich gewinnt sowie bei den Arbeitskolleginnen und -kollegen, zu deren positiven Teamgeist er massgeblich beiträgt. Jochen Ebert punktet mit guter Menschenkenntnis und der Fähigkeit, Stimmungen lesen zu können, sodass er intuitiv versteht, was für jeden einzelnen Gast und Mitarbeitenden relevant ist, egal welcher Kultur und Generation dieser entstammt. Obendrein ist er für die Direktion und Besitzerschaft ein Segen: Als Profi im Revenue Management versteht er es, Auslastung und Zimmerraten zu optimieren – heutzutage ein Grundpfeiler jedes wirtschaftlich erfolgreichen Hotels.
ZVGHotelkoch des Jahres 2024
Guy Ravet, Grand Hôtel du Lac, Vevey
Wer sich eine Vorstellung von der Koch-Community machen will, schaut die aktuelle TV-Serie «The Bear». Das fiktionale Küchendrama zeigt den Irrsinn und den Stress am Herd, die Schönheit des «Prinzips Dringlichkeit» und die Herausforderung des jungen Gourmetkochs Carmy, sein widerspenstiges Team zusammenzuhalten, das sich letztlich zu seiner Wahlfamilie entwickelt. Im «Du Lac» in Vevey geht es entspannter und respektvoller zu. Bei aller Härte, Intensität und Passion der Sterne-Gastronomie zeigt Guy Ravet, wie cool, unverkrampft und menschlich umsichtig man die Aufgabe eines Executive Chefs in einem mittelgrossen Luxushotel mit drei Restaurants meistern kann. Er beherrscht die ganze Klaviatur der Kochkunst und kümmert sich mit derselben Hingabe um eine Kräuter-Omelett zum Frühstück wie um das sechsgängige «Menu Emotions» im Gourmetrestaurant oder die asiatischen Dim-Sums in der sommerlichen «Buddha-Bar Beach». Als Chef ist er wie als Typ auch: aufgeschlossen, ruhig und fair. Pfannen fliegen keine durch die Küche, und trotz der manchmal energiegeladenen Dynamik bei vollem Haus gelingt es dem 41-jährigen Romand, die Leichtigkeit zu bewahren und ein Arbeitsklima zu schaffen, in dem sowohl die gute Laune des zwanzigköpfigen Teams wie auch die gastronomische Exzellenz gesichert bleibt. Gelernt hat Guy das Handwerk (sowie den Respekt für Mensch und Umwelt) bei seinem Vater Bernard Ravet, mit dem er im legendären, inzwischen geschlossenen «Ermitage» in Vufflens-le-Château 19 Gault-Millau-Punkte erkochte. Natürlich ist es für einen so talentierten jungen Küchenchef ökonomisch einfacher und sinnvoller, unter dem Dach eines Luxushotels wie dem «Du Lac» zu wirken (erst recht, wenn dieses eine ausgeprägt gastro-affine Direktion hat wie hier), doch bewies Guy Ravet in den letzten anderthalb Jahren zwei wesentliche Dinge: Dass erstens seine fröhlich wirkenden Gerichte, die oft moderne Interpretationen klassischer Rezepturen sind und sich stark auch mit heimischen Ressourcen befassen, für glückliche Gäste sorgen – und dass er zweitens die F&B-Umsätze bestens auf Kurs hält. Vevey: auch kulinarisch eine Reise wert.
ZVGRestaurantleiterin des Jahres 2024
Katharina Sarrot, The Dolder Grand, Zürich
«Kellnern ist im Grunde Schauspielerei. Das Publikum strömt an deinen Arbeitsplatz und beobachtet jede deiner Bewegungen.» So beschreibt es die im Service arbeitende Protagonistin im Roman «Das Glashotel» der kanadischen Schriftstellerin Emily St. John Mandel. Dieser Standpunkt mag einen Kern Wahrheit enthalten, doch geht es beim Service in jedem ernstzunehmenden Restaurant bei weitem nicht nur darum, formvollendet Teller an den Tisch zu tragen und Gläser aufzufüllen. Für das Gästeerlebnis ist der Service heute genauso wichtig wie das Essen. Es geht um das Willkommensgefühl bei der Ankunft, die Art, wie man an den Tisch gebracht wird und dort betreut wird, und um das Gespür des Serviceteams, auf die sehr unterschiedlichen Erwartungen der Gäste einzugehen. Die einen wollen ein ungestörtes Gespräch unter vier Augen führen, bei dem der Service wie ein Uhrwerk im Hintergrund ablaufen soll, andere möchten ihren Stellenwert wahrgenommen wissen und pausenlos gehätschelt werden, und für Dritte wertet eine gut erzählte Geschichte rund um die Produkte oder Produzenten ein Gericht entscheidend auf. Dabei kommt es längst nicht mehr auf Etikette oder Regeln an, sondern auf gelebte Aufmerksamkeit und Authentizität, angeführt von einer Gastgeberpersönlichkeit, die ein eingespieltes Serviceteam zusammenhält und auch in Stresssituationen weder Übersicht noch Fassung verliert. Katharina Sarrot ist eines dieser bemerkenswerten jungen Talente. Sie ist das Alter Ego des Küchenchefs Heiko Nieder im Gourmetlokal The Restaurant und sorgt in der Doppelrolle als Restaurantleiterin und Sommelière für die nötige Dosis Lockerheit, sodass sich jeder Gast in guten, ja in besten Händen fühlt.
ZVGSommelier des Jahres 2024
Torsten Noack, Victoria-Jungfrau, Interlaken
Die Leidenschaft für Weine und Spirituosen ist nicht nur eine persönliche Angelegenheit für Torsten Noack. Es ist offenkundig eine innere Freude, die er mit allen teilen möchte. Im «Victoria-Jungfrau» findet er hierfür den optimalen Spielraum, letztlich geht es im Gastgewerbe darum, den Leuten ein schönes Erlebnis und exquisite Genussmomente zu bieten. Im Fine-Dining-Restaurant «Radius by Stefan Beer» balanciert er virtuos mit der regionalen Weinbegleitung aus dem Kanton Bern zum «Menü vo hie», welches sich auf Zutaten aus dem Umkreis von 50 Kilometern beschränkt. Genauso gelungene «Food Pairings» gelingen ihm bei Wein-Trouvaillen aus aller Welt, selbstredend in allen Restaurants im Haus, und auch bei alkoholfreien Alternativen ist er stets auf der Jagd nach neuen treffenden Vorschlägen – etwa den hochwertigen Preiselbeersaft, der einem Bordeaux-Wein überraschend nahekommt. Torsten Noack hat zudem die Gabe, sich bestens auf den Kenntnisstand des Gegenübers einstellen zu können und die erklärenden Worte so zu wählen, dass sie sowohl dem Getränk angemessen wie auch dem Nicht-Experten leicht verständlich sind. Auf eines ist Verlass – es landet stets das Passende im Glas.
www.tinasturzenegger.comBarchef des Jahres 2024
Erik Koren, Hotel Einstein, St. Gallen
Lange war die Einstein Bar, die mit ihren Chesterfield-Sesseln und dem dunklen Mahagoniholz wie ein britischer Gentlemen-Club wirkt, ein eher langweiliger Ort. Das änderte sich rasch, als Erik Koren vor sechs Jahren das Ruder übernahm und die Bar «von Null auf Hundert» brachte, wie Hoteldirektor Michael Vogt hervorhebt. Mit einem durchdachten Konzept (zu dem auch die erneuerte Cigar Lounge gehört), subtil abgestimmter Musik und vielseitiger Drink-Kultur – wahlweise auch mit sehr wenig oder ganz ohne Alkohol – sorgt die Crew für ein zeitgemässes Ambiente, das Hotelgäste gleichermassen anspricht wie die Locals. Dem ruhigen, auf diskrete Art passionierten Barchef, der soeben eine Motorradreise von Indien in die Schweiz unter die Räder genommen hat, gelingt es, sich in zwei Welten zu bewegen und trotzdem authentisch zu sein. Koren achtet insbesondere darauf, den Bedürfnissen und Wertvorstellungen seines jungen Teams gerecht zu werden. «Wenn ein Mitarbeitender mit ehrlicher Freundlichkeit auf die Gäste zuzugehen versteht und so zur guten Atmosphäre im Haus beiträgt, ist uns das wichtiger als ein Wahnsinnswissen über alte Whiskys», sagt der 45-jährige Münsterianer und ergänzt: «Den nötigen professionellen Durchblick zu den angebotenen Spirituosen und Cocktails können wir einem neuen Teammitglied beibringen, eine offene Geisteshaltung nicht.»
ZVGHousekeeper des Jahres 2024
Armanda Moreira de Sousa, The Omnia, Zermatt
«Housekeeping!» Manche Gäste erfüllt diese Ankündigung – in der Regel nach zweimaligem Klopfen an der Tür – mit Freude, andere mit Schrecken. Die einen sind entzückt über frische Wäsche, blitzblanke Bäder und als kleine Aufmerksamkeit einen aufgefüllten Teller mit den geliebten Aprikosen. Die andern wollen möglichst nicht gestört werden und fürchten, dass alle persönlichen Gegenstände von den Zimmermädchen verschoben werden und kein Kleidungsstück mehr dort liegt, wo es zuvor war. Im «Omnia» braucht sich keiner zu sorgen: Armanda Moreira de Sousa gibt der Individualität der Gäste Raum. Sie spürt intuitiv, wie viel Housekeeping-Präsenz im Zimmer erwünscht ist und versteht es, insbesondere Laptop, Arbeitsmaterialien und Pflegeutensilien so weit wie möglich unangetastet zu lassen. Mit erdender Ruhe koordiniert Armanda die guten Geister auf den Etagen, und wie in den letzten acht Jahren, in denen sie zunächst als stellvertretende, dann als verantwortliche Hausdame im «Omnia» tätig war, wird sie aller Voraussicht auch dafür sorgen, dass Hoteldirektor Christian Eckert auch weiterhin keine einzige Gästereklamation bezüglich des Housekeeping haben wird.
ZVGSpa Manager des Jahres 2024
Susann Schilf, Chenot Palace Weggis
Alle reden über Longevity. So wie vor drei Jahrzehnten der Begriff Wellness aufgetaucht ist und daraufhin jedes zweite Ferienhotel zum Wellnesshotel mutierte (gänzlich unabhängig von der Qualität der Infrastruktur und der therapeutischen Kompetenz), so geht es heute mit dem Begriff Longevity. Kaum ein Wellnesshotel, das sich heute nicht an den Hype anhängt, ein paar neue Apparaturen anschafft und rund um das Modewort einen hochgeföhnten Internetauftritt hinlegt. Da können die Verantwortlichen der wirklichen Gesundheits-Retreats nur leise lächeln. Zum einen wird Longevity oft falsch gedeutet – es geht nicht um eine Verlängerung des Lebens, sondern darum, möglichst lange fit und gesund zu bleiben. Zum andern haben Vorzeigebetriebe wie das Chenot Palace Weggis ein jahrelang aufgebautes Know-how und Dutzende von professionellen Therapeutinnen und Spezialisten – von millionenschwerer High-Tech-Grundausstattung im Dienst der wissenschaftlichen Longevity und holistischen Wellness gar nicht erst zu reden. Um hier den Überblick zu behalten und jedem Gast eine beruhigende Nahtlosigkeit des ganzheitlichen Gesundheitserlebnisses zu gewährleisten, braucht es ein Spa-erfahrenes, vielsprachiges und auch betriebswirtschaftlich kundiges Organisationstalent wie Susann Schilf. Sie kümmert sich mit ihrem ausserordentlich präsenten Rezeptionsteam darum, dass alle Behandlungen harmonisch aufeinander abgestimmt sind und die Abläufe zwischen den einzelnen Abteilungen fliessend ineinandergreifen.
ZVGDoorman des Jahres 2024
Sepp Kressig, Grand Resort Bad Ragaz
Herzlich, aber nicht gekünstelt, anpackend und mit wachem Blick auf das Geschehen im Eingangsbereich, sorgt Sepp Kressig (im Foto mit einer Lernenden) bei den an- und abreisenden Gästen für einen tadellosen ersten und letzten Eindruck – zwei essenzielle Momente jeder Hotelerfahrung. Der vom ganzen Team geschätzte Rheintaler spürt augenblicklich, wie jeder Gast drauf ist, ob dieser im Schnellverfahren einchecken oder sich lieber erst einmal gemütlich umschauen will. Er kümmert sich zuverlässig um Gepäck und Auto, hat für jeden ein nettes Wort oder gegebenenfalls einen Regenschirm parat und interpretiert den Beruf des Doorman – auch Bellman genannt – auf seine ganz eigene, unaufgeregte Art. Stammgäste, die Sepp Kressig teilweise schon mehr als zwanzig Jahre kennen, wissen, dass er privat auch seinen Bergbauernhof im Taminatal hoch über dem Resort betreibt. «Die Gegensätze von Landwirtschaft und Luxuskosmos bieten für mich den perfekten Ausgleich zwischen den beiden völlig verschiedenen Welten», sagt er. «Ich möchte weder die eine noch die andere missen.» Kürzer treten muss und will Kressig deshalb beim Grand Resort Bad Ragaz nicht, denn die Arbeit als Doorman und die stets von Neuem interessanten Begegnungen mit den Gästen gefallen ihm schlicht zu gut.
ZVGHotelunternehmer des Jahres 2024
Bettina und Richard Plattner, Hotel Maistra 160, Pontresina
Hotelunternehmer, die den Mut zur Lücke haben und etwas Neues schaffen, gibt es selten. Umso bemerkenswerter ist das Engagement von Bettina und Richard Plattner. Nachdem die beiden lange in führenden Positionen im Hotel Saratz in Pontresina und im Hotel Castell in Zuoz gearbeitet hatten, machten sie sich vor zwölf Jahren selbständig und schufen die Marke «Alpine Lodging» mit smarten, hotelähnlich bewirtschafteten Ferienwohnungen an mehreren Standorten in Pontresina. Das Thema Hotel liess sie dennoch nicht los, und so wurde aus der Vision eines architektonisch und atmosphärisch modernen Berghotels das im November 2023 eröffnete «Maistra 160». Die Essenz ihrer Lebenserfahrung haben die Plattners in das Konzept hineingesteckt und den radikal mit Baukonventionen brechenden Bündner Architekten Gion A. Caminada mit der Gestaltung beauftragt. Entstanden ist etwas sorgfältig Ausgeklügeltes, das nicht jedem gefallen muss, aber der designaffinen Gästeschaft schon. Zu den Besonderheiten zählen der fabelhafte Concept Store, die neu- und einzigartige «Creative Box» (eine professionell betreute Atelier-Werkstatt für kreative Gäste und Einheimische) sowie die tausend Bücher starke Hotelbibliothek über alle Facetten des Engadins und zu diversen aktuellen Themen.
ZVGKleine Aufmerksamkeiten, hinter denen ein menschliches Wohlwollen steht, werden als grosse Gesten erkannt und empfunden – von Leuten, die oft alles haben, aber nicht immer mit ehrlicher Zugewandtheit verwöhnt sind. Dieser persönliche Effort macht nicht nur den Unterschied für die Gäste, sondern verleiht der Arbeit im Hotel eine Sinnhaftigkeit, die weit übers Bedienen und Servieren hinausgeht.
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«Doing good makes us feel good», so eine wissenschaftliche Erkenntnis der Glücksforscher. Oder in den Worten von Andrea Scherz, Hausherr im Gstaad Palace: «Nichts ist sinnstiftender, als gemeinsam etwas zu schaffen. Wir brauchen einander alle, um als Ganzes zu begeistern. Man kann noch so viele Millionen in eine atemberaubende Infrastruktur investieren – wenn dem Hotelteam die Seele fehlt oder einzelne Mitarbeitende mit bewusster Gleichgültigkeit gegenüber ihren Arbeitskollegen und den Gästen agieren, bedeutet alles nichts.»
Zu den zentralen Anliegen jedes Hoteliers zählt die Frage, wie sie ihre Gäste wieder und wieder verzaubern können. Und zuweilen gelingt es einer Hotelcrew, magische Momente entstehen zu lassen. Das ist dann pure Service-Exzellenz: Wenn harmonisch zusammenwirkende Mitarbeiter so gut motiviert sind, dass sie aus innerem Antrieb einfach mal Dinge tun, die sie weder tun müssen noch in der Stellenbeschreibung stehen, doch aus der unmittelbaren Situation und Euphorie heraus dennoch tun – was für beide Seiten ungeheuer befriedigend sein kann, weil sie einen Wow-Moment beim Gast auslösen, den dieser nicht erwartet hat.
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Die Erfüllung, einen aussergewöhnlichen, kleinen oder grossen Moment auf die Beine gestellt zu haben sowie die sofort spürbare Dankbarkeit und Wertschätzung der Kundschaft, suchen Mitarbeitende in vielen anderen Branchen vergeblich.
Das 28. BILANZ-Hotel-Ranking zeigt die aktuellen Spitzenreiter, die Aufsteiger und die Newcomer quer durch Europa und in der Schweiz.
«90 Prozent aller Gäste-Feedbacks zu unserem Hotel betreffen die Mitarbeitenden», sagt Didier Bru, General Manager im La Réserve Genève. «Und die Gäste geben ihrer Erfahrung einen Namen – sie kommen mit der spezifischen Rückmeldung auf uns zu, dass beispielsweise die Massage bei Alexandra oder der Service bei Raffaele herausragend war.» Ein Aufenthalt in einem Hotel sei eine Abfolge von Kontakten mit Teammitgliedern, vom Doorman über die Rezeptionistin und die Gouvernante bis zum Barkeeper und dem Frühstückskeller. «Jeder Einzelne von ihnen kann mit seinem persönlichen Beitrag das Gasterlebnis zum Hochgenuss oder zum Debakel machen», so Didier Bru.
Zur Unternehmenskultur eines ambitionierten Hotels gehört heute, den Mitarbeitenden ein Verständnis dafür zu vermitteln, dass sie Teil eines Netzwerks sind, welches sich für das tiefe Wohlbehagen der Gäste einsetzt. «Das bedeutet, dass man sich auf die Bedürfnisse anderer einstellt, sich in andere hineinversetzt, emotionale Intelligenz und Empathie haben muss», sagt Philippe Clarinval, der als Hotelier und Team-Coach zahlreichen Betrieben zu mehr gesundem Menschenverstand und einer gewissen Leichtigkeit des Seins verholfen hat.
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Es gebe viele Theorien über Management, so Clarinval, aber im Grunde genommen gehe es darum, eine freudige Grundstimmung im Team zu schaffen und aufrechtzuerhalten und dafür zu sorgen, dass sich jeder wahrgenommen, zugehörig und in die abteilungsspezifischen Entscheide eingebunden fühlt. Das Betriebsklima sei für die meisten Mitarbeitenden wichtiger als die inzwischen zum Standard gehörenden Bonus- und Goodie-Programme – vorausgesetzt natürlich, dass die Anstellungsbedingungen fair und zeitgemäss sind und stets Perspektiven zur beruflichen Weiterentwicklung im Blickfeld bleiben.
Markus Granelli, General Manager im «Dolder Grand», bestätigt dies. «300 Franken mehr Lohn hat man rasch vergessen, nicht aber das Wohlgefühl bei der Arbeit und diesen ganz besonderen Zusammenhalt, den man in einem guten Hotelteam hat.» Granelli ergänzt: «Es macht einfach riesigen Spass, gemeinsam mit engagierten Menschen aus den unterschiedlichen Berufszweigen im Hotel an einem Strang zu ziehen, Freude im Leben der Gäste zu schaffen und eine einzigartige Atmosphäre zu erzeugen.»
Noch anschaulicher beschreibt René Bornmann vom «The Dylan» in Amsterdam die Faszination hinter den Kulissen im Mikrokosmos Hotel: «Wenn wir am frühen Abend eine Hochzeit oder ein Geburtstagsfest veranstalten, führt der ganze Tag auf diesen Moment hin. Wunderbar sind die 30 Minuten, bevor die ersten Gäste eintreffen, und die ganze Erwartung, die darüber liegt. Alles glänzt im Raum. Der Champagner ist kaltgestellt. Die Jazzmusiker machen einen letzten Soundcheck. Und das ganze Team weiss: Wir sind bereit. Die Gäste strömen herein und wir können sie in unserem Haus willkommen heissen.»
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Die grösste Herausforderung der Branche liegt unverändert darin, liebenswürdige, ehrliche und sich normal verhaltende Fachkräfte zu finden und zu binden – dies weit über die Demografie hinaus, denn der Wunsch nach weniger Arbeitsstunden betrifft längst nicht nur die Jüngeren. Die Signale zur Lage auf dem Arbeitsmarkt und zum mangelnden Nachwuchs sind sehr unterschiedlich: Von «kaum jemand Verlässlichen zu bekommen» bis «alle wichtigen Positionen zufriedenstellend besetzt» lauten die Kommentare der HR-Abteilungen.
Genauso divergierend sind die Erfahrungen mit der vielbelächelten Gen Z: Manche Hotels haben kaum noch Lust, Menschen der Geburtenjahrgänge 1995 bis 2010 einzustellen, weil diese zu faul, zu fordernd und zu unverbindlich seien. Andere loben die jungen, oftmals gut ausgebildeten und selbstbewussten Leute als anpassungs- und improvisationsfähig, kreativ und technologieaffin – man könne von ihren Fähigkeiten erheblich profitieren, müsse ihnen hierzu aber die Sinnhaftigkeit in ihrer Arbeit vermitteln und Raum zur Persönlichkeitsentfaltung bieten. Pragmatisch zu sein, hilft: Nach den Babyboomern und der Generation X, die demnächst respektive in zehn bis fünfzehn Jahren das aktive Berufsleben verlassen, kommen unweigerlich die Generationen Y und Z.
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Zu den guten Nachrichten aus der Hotellerie gehört, dass Betriebe mit modernem Mindset durchaus zu begeisterungsfähigen und begeisternden jungen Talenten kommen, auch wenn sich deren kennzeichnende Unstetigkeit noch nicht in Wohlgefallen aufgelöst hat: Mitarbeitende der Gen Z ziehen oftmals nach einigen Monaten sprunghaft und unerwartet zu einem nächsten Hotel oder in eine andere Branche weiter.
Mit der zunehmenden Personalfluktuation und dem Trend zu reduzierten Arbeitspensen muss das Gastgewerbe also umgehen lernen – was aber gar nicht so dramatisch ist. Ein Blick auf die aktuelle Liste der «Hotelmitarbeitenden des Jahres 2024» zeigt jedenfalls: Die meisten der Ausgezeichneten sind erst seit zwei bis vier Jahren in ihren Betrieben tätig und doch absolut herausragend in dem, was sie für ihre Gäste und abteilungsübergreifend im Team bewirken. Sie sind nicht nur zugängliche Menschenversteher und Traumerfüller, sondern auch authentische Persönlichkeiten, die ihren Hotels erst den unvergleichlichen Touch geben und stets von Neuem für ein bisschen Magie sorgen.
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