Guten Tag,
Die neue Bundesrätin hat es mit Charme und Charisma geschafft, Allianzen zu schmieden.
MADAME UNBEKÜMMERT punktet mit ihrer herzlichen und zugänglichen Art.
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Es war die Überraschung der Bundesratswahl vom 7. Dezember: Nicht die allseits als Favoritin gehandelte Basler Ständerätin Eva Herzog, sondern Elisabeth Baume-Schneider aus dem Randkanton Jura darf als Ersatz für die scheidende SP-Kollegin Simonetta Sommaruga in den Bundesrat einziehen. Auch sie selber war überrascht, wie ihre Reaktion zeigte: Als das Wahlergebnis verkündet wird, springt sie auf, klatscht spontan in die Hände und umarmt überschwänglich die um sie sitzenden Ratskollegen. Bei der Dankesrede findet sie das Blatt mit den üblichen Grussworten an die italienische und rätoromanische Schweiz nicht und überspielt das mit Humor: Beim nächsten Mal werde sie es besser machen – und erntet auch dafür Applaus.
Ihre herzliche und spontane Art hat sicher auch geholfen, ihr die für die Wahl nötigen Stimmen zu bringen. In den Hearings mit den anderen Parteien, die einer Bundesratswahl jeweils vorausgehen, präsentierte sie sich ebenso dossierfest wie zugänglich. Mit ihrer Lockerheit konnte sie auch bei den bürgerlichen Parteien punkten, obwohl sie politisch stärker links steht als SP-Kollegin Herzog. So antwortete sie etwa auf die Frage der SVP nach ihrer Haltung zur Armee, ihr sei aufgefallen, dass ihr Mann während seiner Dienstzeit jeweils deutlich mehr Alkohol konsumiert habe.
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In ihrer eigenen Partei ist Baume-Schneider vor allem mit den Kollegen aus der Westschweiz eng, allen voran mit dem Waadtländer Nationalrat Samuel Bendahan, mit dem sie auch im Vizepräsidium der SP amtet. Gut kann sie es mit Baptiste Hurni, Nationalrat aus dem Kanton Neuenburg. Auf ihre 123 Stimmen bei der Wahl kam sie aber nur mit der überraschend breiten Unterstützung bürgerlicher Parlamentarier, die sie in den Hearings von sich überzeugt hatte. Viele Stimmen gab es aus der FDP-Fraktion, wo etwa der Waadtländer Nationalrat Olivier Feller zu ihren Unterstützern zählte. Punkten konnte die Bauerntochter aber auch bei den Landwirtschaftsvertretern, etwa bei Bauernverbandspräsident Markus Ritter (Mitte) oder Rinderzüchter Andreas Aebi (SVP). In der Wirtschaft ist sie vor allem regional gut vernetzt.
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Viel von ihr hält Dominique Guenat, Co-Gründer der Uhrenfirma Richard Mille, der etwa beim Projekt der Québec-Uhr eng mit ihr zusammengearbeitet hat. Richard Mille durfte die riesige Uhr herstellen, die der Kanton Jura 2014 der befreundeten kanadischen Stadt als Geschenk zu deren 400-Jahr-Jubiläum stiftete. Auch kulturell ist die neue Bundesrätin persönlich stark engagiert, etwa bei der Fondation pour le Théâtre du Jura unter Präsidentin Jeannine de Haller Kellerhals. Auch den in Porrentruy aufgewachsenen Schriftsteller und Drehbuchautor Bernard Comment soll sie schätzen.
SAMUEL BENDAHAN Der Waadtländer Nationalrat amtet mit der neuen Bundesrätin im Vizepräsidium der SP.
KeystoneSAMUEL BENDAHAN Der Waadtländer Nationalrat amtet mit der neuen Bundesrätin im Vizepräsidium der SP.
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Baume-Schneider stammt aus einer Bauernfamilie, genauso wie ihr Mann Pierre-André Baume, der an ihrem gemeinsamen Wohnort in der kleinen jurassischen Gemeinde LesBreuleux eine Fahrschule betreibt. Das Paar hat zwei Söhne, den 29-jährigen Luc, der Wirtschaft studiert hat und heutein der Finanzbranche arbeitet, und Théo (22), der die Hotelfachschule in Lausanne absolviert. Gatte Pierre-André gilt ebenso wie sie selber als unprätentiös und locker – die «Schweizer Illustrierte» liess er wissen, er habe sich für den Tag der Wahl von Sohn Luc einen Anzug ausgeliehen.
DIE FAMILIE Elisabeth Baume-Schneider mit Gatte Pierre-André und den beiden Söhnen Luc (links) und Théo nach der Wahl in Bern.
keystone-sda.chDIE FAMILIE Elisabeth Baume-Schneider mit Gatte Pierre-André und den beiden Söhnen Luc (links) und Théo nach der Wahl in Bern.
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Baume-Schneider wurde 1963 in Saint-Imier geboren, aufgewachsen ist sie auf einem Bauernhof in Les Bois im Distrikt Freiberge. Ihr Vater war Gemeinderat und FDP-Mitglied. Politisiert hat sie nach eigenen Angaben der Bau eines Golfplatzes in Les Bois. Ihre Eltern, die den Bauernhof nur pachteten , mussten aufhören, weil der Eigentümer entschieden hatte, die Landwirtschaft zugunsten des Golfplatzes aufzugeben. In ihrer Jugend war sie eine radikale Linke und Mitglied der Sozialistischen Arbeiterpartei, die zuvor Revolutionäre Marxistische Liga (RML) hiess. Bei der RML war in jungen Jahren auch das spätere Sinnbild für den Konzern-Kapitalismus schlechthin – Ex-Novartis-Chef Daniel Vasella – aktiv.
Sie studierte Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an der Universität Neuchâtel. Nach 1988 arbeitete sie zwölf Jahre als Sozialarbeiterin. An ihrem heutigen Wohnort in Les Breuleux war es die engagierte Lokalpolitikerin Agnès Bourquard, die sie überzeugte, für den Grossrat zu kandidieren. Die beiden sind bis heute Freundinnen. 1995 wurde sie – inzwischen SP-Mitglied – ins Kantonsparlament gewählt. Danach war sie lange in der Exekutive tätig, unter anderem im Erziehungsdepartement. Noch heute hat sie einen guten Draht zu den kantonalen Regierungsvertretern, besonders nahe steht ihr Nathalie Barthoulot.
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NATHALIE BARTHOULOT Die Regierungsrätin steht Baume-Schneider besonders nahe.
keystone-sda.chNATHALIE BARTHOULOT Die Regierungsrätin steht Baume-Schneider besonders nahe.
keystone-sda.chEs schien lange eine reine Formsache, dass die Basler Ständerätin Eva Herzog, die mit Baume-Schneider von der SP aufs Zweierticket gesetzt worden war, das Rennen machen würde. Dass mit ihrer Nichtwahl nun der urbane Teil der Schweiz gar nicht mehr vertreten ist, gilt als gewichtiger Nachteil der Wahl von Baume-Schneider. SP-intern ist die Kritik am Führungsduo Mattea Meyer und Cédric Wermuth gestiegen, die sich verkalkuliert haben und sich einmal mehr überfordert zeigten. Quergestellt gegen das reine Frauenticket der SP hatte sich Mitkandidat Daniel Jositsch, Rechtsprofessor aus Zürich, der dies «diskriminierend» fand. Gefreut haben dürfte die Wahl von Baume-Schneider einige Hardliner aus der SVP, die mit der fachlich hochkompetenten, aber menschlich eher kühlen Baslerin nicht recht warm wurden.
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Doch Baume-Schneider darf sich keine Illusionen machen: SVP-Kreise werden sie nicht schonen, übernimmt sie doch das Justizdepartement, wo auch das Asyldossier untergebracht ist – Asyl-Hardliner wie Andreas Glarner stehen Gewehr bei Fuss. Falsch gelegen ist der ehemalige jurassische Ständerat Jean-François Roth (CVP), der sie in einer Fernsehdebatte einst abschätzig als «Militärvelo» bezeichnete, mit dem man keine Rennen gewinnen könne. Heute soll das Verhältnis aber wieder freundschaftlich sein.
EVA HERZOG Mit ihrer Nichtwahl ist nun der urbane Teil der Schweiz gar nicht mehr vertreten.
keystone-sda.chEVA HERZOG Mit ihrer Nichtwahl ist nun der urbane Teil der Schweiz gar nicht mehr vertreten.
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Gut kann es Elisabeth Baume-Schneider mit ihren jurassischen Kollegen im Parlament, allen voran Mitte-Politiker Charles Juillard, mit dem sie im Ständerat sitzt. Auch wenn der junge Kanton Jura eine der kleinsten Delegationen im Parlament hat, unterstützte das «Team Jura» («SonntagsBlick») mit Nationalrat Pierre-Alain Fridez (SP) und Jean-Paul Gschwind (Mitte) mit viel Lokalpatriotismus ihre Kandidatur für das Bundesratsamt in Bern. Als linke Politikerin nicht unbedingt eine Wirtschaftsvertreterin, geniesst sie durch ihre pragmatische und engagierte Art doch auch viel Goodwill in diesen Kreisen, etwa bei Pierre-Alain Berret, Direktor der Jurassischen Industrie- und Handelskammer.
CHARLES JUILLARD Mit dem Mitte-Politiker sitzt Baume-Schneider im Ständerat.
KeystoneCHARLES JUILLARD Mit dem Mitte-Politiker sitzt Baume-Schneider im Ständerat.
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