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Jasmine Audemars entscheidet seit bald 40 Jahren über den Lauf der Dinge bei Audemars Piguet – sehr ruhig und sehr erfolgreich.
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Jasmine Audemars ist Präsidentin der Luxusuhrenmarke Audemars Piguet. Sie gehört damit zu den wenigen Frauen an der Spitze eines Uhrenherstellers und noch dazu des allerletzten, der bis heute in Besitz der Gründerfamilien ist. Ihre Rolle, die sie selbst schon als die der «Hüterin des Tempels» beschrieben hat, spielt sie seit 1992. Hüten heisst für sie bewahren, nicht erstarren: Audemars Piguet (AP) geniesst uhrmacherisch höchsten Respekt und gilt neben ehrgeizig und traditionell auch als mutig, innovativ, der Zeit – und der Konkurrenz – voraus. Wirtschaftlich geht es der Marke, von der jede Uhr einige zehntausend Franken kostet, prächtig. Seit Anfang der 1990er Jahren hat sich der Umsatz auf über eine Milliarde Franken mehr als verzehnfacht, das Begehren nach AP-Zeitmessern ist inzwischen weltumspannend. Erfolg beflügelt, Audemars sichert die Bodenhaftung. Ihr Credo: Nie denken, man habe es geschafft, und sich für harte Zeiten wappnen. Die Covid-19-Krise hat auch AP Umsatz gekostet. Aber sonst? Audemars änderte weder die Strategie, noch stoppte sie grosse zukunftsgerichtete Investitionsvorhaben. Als die Corona-Welle anrollte, liess sie ihren CEO den 1350 Mitarbeitenden sofort versprechen, es werde weder Entlassungen noch Lohneinbussen geben. Die Belegschaft ist das Ein und Alles von Madame.
Privatsphäre schreibt Audemars generell gross, und wenn es um ihre Familie geht, ganz besonders. Sie hat eine Schwester, Yveline Audemars, die in Kanada, fernab der Heimat Le Brassus VD, ihr eigenes Leben lebt. Die Mehrheit der Manufaktur besitzt Jasmine Audemars mit Olivier Audemars. Er ist Vizepräsident im Aufsichtsgremium und heisst zwar Audemars, ist aber ein Vertreter der Familie Piguet, der nach wie vor eine Minderheit am Unternehmen gehört. Seine Mutter, Michelle Piguet, hat einst einen Audemars geheiratet, einen sehr fernen Verwandten von Jasmine und selbst mit dem Unternehmen nicht verbandelt. Präsidentin und Vizepräsident sind heute 80 respektive 62 Jahre alt. Sie: unverheiratet und kinderlos. Er: Vater von zwei noch kleinen Kindern. Die Nachfolge und die Zukunft der Familienfirma seien geregelt, lautet die Antwort auf die entsprechende Frage. Wer, was, wann? «Das weiss, wer es wissen muss, kommuniziert wird dazu nicht.»
Jasmine Audemars und Olivier Audemars.
KeystoneJasmine Audemars und Olivier Audemars.
KeystoneVerantwortung ist für Jasmine Audemars ein weiter Begriff. Als wichtige Arbeitgeberin im Vallée de Joux fühlt sie sich auch dem Tal verpflichtet. Sie investiert kräftig in dessen Zukunft und Attraktivität: 2020 eröffnete sie das Musée Atelier des dänischen Architekten Bjarke Ingels, ein Must für AP- wie Architekturfans, gleich daneben steht «L’Hôtel des Horlogers» kurz vor der Eröffnung, ebenfalls ein Ingels-Bau. Für gastgeberische Einmaligkeit besiegelte sie eine Partnerschaft mit Michel Rochat, CEO der Hotelfachschule Lausanne und deren Institute of Customer Experience Management. 2021 wurde in Le Locle die neue Manufaktur Les Saignoles der Architekten Guillaume de Morsier und Valentin Kunik eröffnet, wo nun auch die früher unter dem Namen Renaud & Papi auf Komplikationen spezialisierte Werkstätte von AP logiert. Fast zeitgleich vollführte Jasmine Audemars höchstselbst den Spatenstich für ein weiteres ambitioniertes Bauvorhaben: In Le Brassus entsteht der «Arc» der Genfer Architekten de Giuli & Portier mit dem Ziel, ab 2024 die gesamte industrielle Produktion an einem einzigen statt wie bislang an Dutzenden übers Tal verteilten Standorten zusammenzufassen. Alle Neubauten sind in die Zukunft gedacht, modular, nachhaltig konzipiert und so gestaltet, dass sie das Tal mit seiner kargen Schönheit aufwerten, nicht verschandeln. Outputmässig gibts Luft nach oben: Die Kapazität des Arc ist auf 60 000 Uhren pro Jahr ausgelegt.
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Bjarke Ingels (l.), Michel Rochat.
Bloomberg / KeystoneBjarke Ingels (l.), Michel Rochat.
Bloomberg / KeystoneAufgewachsen in Le Brassus, gewöhnt an Fachgespräche am Mittagstisch, begeistert von Archiven und Manufaktur, verliess Jasmine Audemars als 16-Jährige das Vallée de Joux, um in Lausanne und Genf Wirtschaftswissenschaften und -geschichte zu studieren. Geworden ist sie eine passionierte Journalistin, 23 Jahre war sie beim «Journal de Genève», 12 Jahre als Chefredaktorin. 1992 holte sie ihr Vater Jacques-Louis Audemars ins Unternehmen, das ihr Urgrossvater Jules-Louis Audemars zusammen mit Edward-Auguste Piguet 1875 gegründet hatte. Zum Erbe gehörte mitunter die Royal Oak, die Gérald Genta 1972 im Auftrag des damaligen CEO Georges Golay designte. Sie ist bis heute Ikone und grösster Umsatzbringer der Manufaktur.
Seit 2012 wird Audemars Piguet von CEO François-Henry Bennahmias geführt und eilt von Rekord zu Rekord. Der Franzose gilt als begnadeter Motivator und kühner Out-of-the-box-Denker. Im Sponsoring setzt Audemars auf zeitgenössische Kunst, Golf und Musik. Mit Mathieu Jaton, CEO des Montreux Jazz Festival, besiegelte AP, bereits Sponsorin der Digitalisierung des riesigen Archivs, 2019 eine globale Partnerschaft. Zudem veranstaltet die Manufaktur Golfturniere, Top-Profis wie Viktor Hovland und Abraham Ancer sind Markenbotschafter. Der geniale Uhrmacher Giulio Papi steckt hinter den hochkomplexen Uhren und auch hinter dem fulminanten Markteintritt von Richard Mille, einem Freund des Hauses. Gemeinsam mit Nick Hayek, Lenker der Swatch Group, wurde für die Spiralfeder die antimagnetische Titanlegierung Nivachron entwickelt. Im Austausch mit Forschungsstätten wie der ETH Lausanne und deren Präsidenten Martin Vetterli treibt Jasmine Audemars die Innovation in den Bereichen Material, IT und Mikroengineering immer weiter. Eng ist die Beziehung zum Amarasuriya-Clan, einem führenden Juwelier in Singapur. Dieser verkauft AP seit den 1970er Jahren und hält zudem eine Minderheit an AP. Mit Sunil Amarasuriya sitzt das Familienoberhaupt seit 2007 zudem im AP-Verwaltungsrat zusammen mit Steven Petruzzello, einem direkten Nachfahren der Jaeger-LeCoultre-Gründerfamilie.
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François-Henry Bennahmias, Mathieu Jaton, Nick Hayek (v.l.).
François Wavre/lundi13/KeystoneFrançois-Henry Bennahmias, Mathieu Jaton, Nick Hayek (v.l.).
François Wavre/lundi13/KeystoneAPs sind nicht nur als Uhren begehrt, sondern auch als Geldanlage. Sie erzielen bei Auktionen in der Regel ein Vielfaches ihres Ladenpreises. Das schaffen sonst nur die beiden stärksten AP-Rivalen Jean-Frédéric Dufour, CEO des mit Abstand grössten Uhrenherstellers der Schweiz, Rolex, und Thierry Stern, CEO der Genfer Luxusmanufaktur Patek Philippe. Im Wettbewerb um die Handgelenke zahlungskräftiger Uhrenfans rüsten auch Ricardo Guadalupe, CEO von Hublot, mit Modellen, die vom Look her mindestens in den Augen von Laien stark an die AP Royal Oak Offshore erinnern, Jean-Christophe Babin, CEO von Bulgari, Omega-Chef Raynald Aeschlimann und Benjamin Comar, der neue CEO der (Schmuck-)Uhrenmarke Piaget, auf mit innovativen Materialien, ehrgeizigen Uhrwerken und kühnen Designs. Apropos Schmuck: Da zieht es nun offenbar AP hin. Fortan gibt es in dem Bereich nicht mehr nur Klassiker wie die Royal Oak mit Edelsteinbesatz, sondern neu auch Halsketten und Armbänder der Schmuckdesignerin Carolina Bucci. Unabhängigkeit ist ein Trumpf in Audemars’ Hand – und sie weiss ihn auszuspielen. Statt an grossen Uhrenmessen teilzunehmen, veranstaltet AP exklusive Events, statt via Retailer verkauft AP Uhren künftig in Eigenregie. Für Guido Zumbühl, CEO von Bucherer, ein herber Verlust.
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Thierry Stern (l.), Ricardo Guadalupe.
Keystone / Getty ImagesThierry Stern (l.), Ricardo Guadalupe.
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