Guten Tag,
Branchenexperte Oliver Müller, Inhaber von LuxeConsult, über den anhaltenden Abwärtstrend und blühende Kreativität trotz allem.
«Sogar Trump sollte begreifen, dass man ‹Swiss made› nicht in den USA herstellen kann», sagt Uhrenexperte Oliver Müller.
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Der August war nicht unerwartet ein schlechter Monat mit einem Minus von 16,5 Prozent. Die Superzahlen zuvor hatten ja wenig mit den realen Verkaufszahlen zu tun, sondern stammten von den zu erwartenden neuen Zollschranken seitens der USA. Mit minus 23,9 Prozent sind die Exporte in die USA nun zurück auf dem Boden der Realität, was ebenfalls zu erwarten war. Über das ganze Jahr gesehen sind Exporte in diesen wichtigen Markt aber noch immer mit 18,6 Prozent im Plus. Und alle Exporte seit Anfang 2025 ergeben ein Minus von nur einem Prozent gegenüber dem Vorjahr, also gar nicht so schlecht.
Die Situation wird sich in den kommenden Monaten massiv verschlechtern. Die grosse negative Überraschung war China mit einem Minus von 35,6 Prozent. Ich sage seit Jahren, dass China nicht mehr auf Vor-Covid Zahlen aufstarten wird, aber dass der Markt Monat um Monat noch tiefer fällt (mit Ausnahme vom Juni) ist schon besorgniserregend.
Wer Licht am Ende des Tunnels sieht, ist wahrscheinlich im falschen Tunnel. China hat ein massives konjunkturelles Problem, eine andauernde Immobilienkrise, und wenn man weiss, dass Chinesen 70 Prozent ihres Vermögens in Immobilien investiert haben, kann man leicht verstehen, dass eine derartige Krise schwere Konsequenzen im Hinblick auf den Konsum von Luxusgütern hat. Dazu kommt eine hohe Arbeitslosigkeit bei den jüngeren Generationen und ein Konsumverhalten betreffend Luxusgüter, das sich stark verändert hat: Man kauft auch secondhand, und vor allem ist man weniger kompulsiv beim Ausgeben seines hart verdienten Geldes.
Wie sich in den USA die Abverkäufe entwickeln. Die wahren Trends zeigen sich nämlich an der Verkaufsfront. Leider erfährt man wenig darüber, weil fast alle Marken in unserer Industrie so verschwiegen sind. Meine Industriekontakte sagen mir aber, dass die Abverkäufe in den USA immer noch sehr gut laufen. Das kann natürlich auch daran liegen, dass einige Kunden noch von tieferen Preisen profitiert haben, bevor die Marken ihre Preise an den neuen Zolltarif von 39 Prozent, den schwächelnden Dollar und die steigenden Goldpreise anpassten.
Drei Dinge: Dass trotz aller Unsicherheit im Zusammenhang mit weltweiten Spannungen die Konsumenten nach wie vor Uhren kaufen. Marken wie Longines, Raymond Weil oder Frederique Constant sind stark und Omega und TAG Heuer mit Zeitmessern im Einstiegssegment mit Preisen zwischen 1000 und 3000 Franken ebenfalls. Die zweite erfreuliche Nachricht liefert das Preissegment von 50’000 bis 150’000 Franken, wo man Patek Philippe, Audemars Piguet und hochpreisige Uhren von Rolex findet. Da gibt es immer noch ein zweistelliges Wachstum. Und drittens die positive Haltung der Marken. Ich habe seit langer Zeit keine solche Kreativität mehr erlebt.
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Dass niemand ausser dem CEO der Swatch Group Nick Hayek und Georges Kern von Breitling es wagt, aufzustehen und gemeinsam mit dem Bundesrat positive Signale in die USA zu senden. Sogar Trump sollte begreifen, dass man «Swiss made» nicht in den USA herstellen kann.
Logischerweise der sekundäre Markt, wenn die Preise auf neuen Uhren steigen. Und deshalb beginnen sich die Preise in dem Segment nun zu stabilisieren, nachdem sie seit März 2022 kontinuierlich gesunken sind. Die Periode kann lang erscheinen, aber wenn der Markt dreht, geht es sehr schnell abwärts, weil alle gleichzeitig verkaufen wollen. Die Trendumkehr braucht dann wesentlich mehr Zeit. Falls wir tatsächlich eine Trendumkehr haben, ist das letztlich auch eine gute Nachricht für den Verkauf von neuen Uhren.
Der Markt ist nicht zusammengekracht, aber er boomt auch nicht mehr wie 2022 und 2023. Wie gesagt, Durchschnittswerte sind wenig aussagekräftig, weil wenige grosse Marken den Hauptteil des Kuchens unter sich aufteilen. Der US-Markt ist noch gut drauf trotz der eingeführten hohen Einfuhrzölle, jetzt bleibt abzuwarten, wie sich das in den nächsten drei, vier Monaten entwickelt.
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Die Tendenz ist jetzt leider deutlich vorgezeichnet und wird mehr nach unten als nach oben zeigen. Das Jahr wird mit einem leichten Minus abschliessen, aber nur dank ausserordentlichen Exporten in die USA und einem Lageraufbau, ausgelöst von Trumps «Liberation Day» am 2. April.
Natürlich. Ich war der Erste, der schon 2015 geschrieben hat, dass Rolex die Distribution früher oder später selber an die Hand nehmen wird – und habe dafür einiges einstecken müssen, bis Rolex 2023 Bucherer gekauft hat. Es ist eine logische Entwicklung für eine starke Marke, die weniger, aber repräsentativere Verkaufspunkte braucht. Rolex hat in den letzten fünf Jahren das Händlernetz um zirka 20 Prozent reduziert auf aktuell 1250 Verkaufspunkte. Mittelfristig werden es weniger als 1000 sein und langfristig maximal 800. Gut die Hälfte davon wird in Eigenregie geführt über Bucherer und andere Zukäufe. Der konsolidierte Umsatz von Rolex wird dadurch natürlich substanziell erhöht werden, und die Margen werden noch mehr steigen, weil die Margen der verbleibenden Händler laufend gekürzt werden. Die positiven Resultate für Rolex sind leicht nachvollziehbar, aber was viel wichtiger sein wird, sind die negativen Konsequenzen für die verbleibenden Marken. Wenn Rolex irgendwo rausgeht, hat das sehr negative Konsequenzen für die Kundenfrequenz in diesen Läden. Und entgegen dem, was viele Leute in dieser Branche kolportieren, ist Rolex in allererster Linie auf das eigene Wohlsein konzentriert.
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