Guten Tag,
Die Industrie ist in der Krise, die Zukunft ungewiss. Manche Mitspieler darben, andere blühen auf.
Die Bieler Uhrenmarke Horage trotzt dem schwierigen Marktumfeld.
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Erneut ein massiver Gewinneinbruch bei der Swatch Group, ein negatives Ergebnis der Uhrensparte bei Richemont, rekordtiefe Stückzahlen in der Schweizer Exportstatistik von Ende Juni – die Schlagzeilen der vergangenen Wochen sind unmissverständlich: In der Schweizer Uhrenbranche läuft nichts nach Wunsch. «Es ist ein Sturm, der für gewisse Marken, aber vor allem für Zulieferer, existenzbedrohend wird», kommentiert Oliver Müller, Branchenexperte und Inhaber von LuxeConsult, die Wetterlage.
Es lasten die geopolitisch angespannte Lage, Präsident Trumps Zollgebaren, die Immobilienkrise in China. Gemäss der neusten Studie der Beratungsfirma Boston Consulting Group (BCG) und Altagamma mit dem Titel «True-Luxury Global Consumer Insights» lahmt nun das Geschäft wegen der sogenannten Aspirational Clients. Darunter wird subsumiert, wer pro Jahr maximal 5000 Franken für Luxusgüter und -erlebnisse ausgibt. Gemäss BCG machen sie 70 Prozent des Marktvolumens von geschätzten 360 Milliarden Dollar aus – und haben empfindliche Sensoren: «Diese Kundengruppe passt ihr Budget bei Unsicherheiten rasch an», sagt Charles Gardet, Partner und Associate Director, der bei BCG in Genf den Luxusgütermarkt analysiert. «Für Marken mit einer Ausrichtung auf dieses Segment bedeutet das aktuell Gegenwind.» – «Gleichzeitig», fügt er an, «ist es eine Chance, über Resilienz und Differenzierung neu nachzudenken.»
Am anderen Ende der BCG-Skala sind die Superreichen. Sie geben im Schnitt 350’000 Franken im Jahr für Luxus aus und werden in der Studie wortmalerisch als «Beyond Money Customers» bezeichnet. Sie machen 0,1 Prozent der Kundschaft aus, kaufen rund 20 Prozent des Luxuskuchens und sind konsumfroh, ganz gleich, was in der Welt los ist. Ohne sie wäre alles noch viel schlimmer.
Die Hoffnung auf Besserung lebt, hat aber derzeit keine Kraft: Allein im Kanton Jura haben gemäss behördlicher Statistik inzwischen 96 Firmen mit insgesamt 2374 Mitarbeitenden Kurzarbeit eingeführt. Der Bundesrat hat im Mai die Dauer der Kurzarbeitsentschädigung vorsorglich bis zum 31. Juli 2026 verlängert. Dazu Müller: «Wenn diese Stütze wegfällt, ist bei vielen die Luft draussen.»
Andi Felsl wachsen derweil Flügel. Der Patron der Bieler Uhrenmarke Horage ist gerade zurück von der Windup, einer Uhrenmesse für Privatkunden, die durch die USA tourt. Mit dabei weitere 100 Aussteller – und Horage eine eigene Liga: «Wir sind dort der Porsche unter den Ausstellern», sagt Felsl beschwingt. Einerseits preislich – eine Horage kostet zwischen 2700 und 25’000 Franken –, anderseits wegen des Fokus auf Hochleistungsuhrmacherei. «Das Interesse an Horage und unserer Story war gross.»
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Horage, gegründet 2015 – 30 Mitarbeitende, 800 Uhren im Jahr – ist im Kern ein Tech-Unternehmen: Die Uhrmacherei ist technologisch weiterentwickelt, und die Abläufe – von der Konstruktion bis zum Verkauf – sind digitalisiert. In den Zeitmessern ticken ausschliesslich eigene Werke. Sie sind, so Felsls Überzeugung, matchentscheidend für eine Newcomermarke mit Ambitionen. Und dürfen, so sein weiteres Credo, nicht «me too» sein. Entsprechend sind Horage-Kaliber neu gedacht, neu konzipiert, hoch performend – «eine coole Story».
Im Kern ist die Bieler Uhrenmarke Horage von Andi Felsl ein Technologieunternehmen und inzwischen so eingespielt, dass es sich in den USA ausbreiten will, vor Ort.
PR / BILANZ-CollageIm Kern ist die Bieler Uhrenmarke Horage von Andi Felsl ein Technologieunternehmen und inzwischen so eingespielt, dass es sich in den USA ausbreiten will, vor Ort.
PR / BILANZ-CollageAuf Social Media feiert der Unternehmer seinen Windup-Trip als «Road to the USA». Und diese endet nicht mit der Messe, im Gegenteil: «Wir denken schon lange darüber nach, eine gespiegelte Factory in den USA laufen zu lassen», sagt er. «Erfahrungen damit haben wir schon in England gesammelt.» Der Gedanke und die Marke selbst sind seiner Meinung nach so weit gereift, dass er nun nach Partnern und Investoren für Horage USA sucht.
Ein smarter Entscheid. Sollte Präsident Trump die Strafzölle durchsetzen, wäre für Horage dieses Problem vom Tisch. Zudem sind die USA ein vielversprechender Markt für das Schweizer Uhrenschaffen. «Wir wären die erste Schweizer Marke, die dort produziert», sagt Felsl und rechnet «mit einem erheblichen Wettbewerbsvorteil».
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Felsl, der seine Uhren von A bis Z in Biel herstellt, hält das unternehmerische Heft weitgehend selbst in der Hand. Nicht so Albert Zeller. Er ist Inhaber und Chef von RC Tritec, dem Weltmarktführer im Bereich Nachtleuchtpigmente für die Uhrenindustrie, mit Sitz in Teufen AR. Er ist ein klassischer Zulieferer, sein Auftragsbuch füllt und leert sich mit den Bestellungen der Marken. «Was im Markt los ist, schlägt eins zu eins auf uns durch», sagt Zeller. Um die Abhängigkeit von der Uhrenindustrie zu mildern, hat er diversifiziert – beliefert mitunter die Pharmaindustrie. Die aktuelle Krise, so hat er entschieden, wird bei ihm als Chance in die Chronik eingehen. In den Jahren nach Covid habe der Bestelleingang jedes Jahr zwischen 15 und 30 Prozent zugelegt, so Zeller, und er habe vor lauter Arbeit kaum Kapazität gehabt, um am Fortschritt zu arbeiten. «Nun legen wir den Fokus auf Innovation und Forschung», sagt der 35-jährige Unternehmer, «und arbeiten an Entwicklungsprojekten.» Das zahlt zwar nicht gleich aufs Geschäftskonto ein wie ein volles Auftragsbuch, «wird uns aber für die Zukunft stärken». Leisten kann er es sich. Der Betrieb, den er in vierter Generation führt, tickt konservativ nach dem Prinzip «Spare in der Zeit, dann hast du in der Not». Kurzarbeit war für ihn zu keinem Zeitpunkt eine Option.
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Albert Zeller, Inhaber und CEO von RC Tritec, nimmt die halbvollen Auftragsbücher zum Anlass, um an Zukünftigem zu forschen.
PR / BILANZ-CollageAlbert Zeller, Inhaber und CEO von RC Tritec, nimmt die halbvollen Auftragsbücher zum Anlass, um an Zukünftigem zu forschen.
PR / BILANZ-CollageEs sind nicht nur kleine, wendige Mitspieler wie Horage und RC Tritec, die dem Sturm trotzen. La Montre Hermès (LMH) hat jüngst eine Wunderkerze gezündet und versprüht helle Funken. Die französische Luxusmarke, so die News, investiert in die Expansion ihrer Uhrendivision. Bis 2028 wird die Fabrik in Le Noirmont, wo Gehäuse und Zifferblätter hergestellt werden, um 11’000 Quadratmeter ausgebaut. Das schafft Raum für 100 künftige Arbeitsplätze. Ein starkes Signal. Hermès hat zwar schon über 100 Jahre im Uhrengeschäft zu tun, und seit 1978 gibt es in Biel mit La Montre Hermès auch die eigene Uhrentochter.
Aber richtig ernsthaft – bei Hermès beinhaltet das Attribut Savoir-faire, Kompromisslosigkeit, Ehrgeiz und Eigenständigkeit – betreiben die Franzosen die Uhrmacherei noch keine zwei Jahrzehnte. Und kommen damit super an. Im Branchen-Ranking von Morgan Stanley und LuxeConsult liegt LMH 2024 auf Platz 13 mit einem geschätzten Umsatz von 550 Millionen Franken. Der angekündigte Neubau lässt darauf schliessen, dass die Zukunft von LMH rosa ist. Und auf ein Management, das auf Kurs bleibt, auch wenn der Wind dreht.
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Der französische Luxuskonzern Hermès hat im Uhrengeschäft viel erreicht – und will mehr: Bis 2028 wird die Manufaktur in Le Noirmont um 11'000 Quadratmeter vergrössert.
PRDer französische Luxuskonzern Hermès hat im Uhrengeschäft viel erreicht – und will mehr: Bis 2028 wird die Manufaktur in Le Noirmont um 11'000 Quadratmeter vergrössert.
PREbenfalls froh unterwegs: Jean-Claude Eggen, Patron von La Joux-Perret in La Chaux-de-Fonds. Wie das Allermeiste in diesem Ort, der als Hotspot der Uhrmacherindustrie gilt, ist das Gebäude von aussen unscheinbar. Und ist es auch drinnen. Praktisch, unprätentiös, hier wird kein Geld ausgegeben für den schönen Schein.
Das gefällt der mitunter verwöhnten Kundschaft offenbar, wie er bei einem Rundgang erzählt. Jedenfalls, so Eggen, war Frédéric Arnault, der zweitjüngste Sohn von LVMH-Patron Bernard Arnault und bis letzten September Chef der Uhrensparte des Konzerns, vor einer Weile hier. Heute gehört LVMH, die Marken wie TAG Heuer, Tiffany und Bulgari besitzt, zu Eggens Wachstumstreibern. Eggen, der hier seit 2019 das Regiment führt, hat eine stolze Performance zu präsentieren: Er hat den Output von La Joux-Perret von 7500 auf 150’000 Werke im Jahr hochgeschraubt. Damit ist er zwar ein eher kleiner Fisch im grossen Teich, aber ein glücklicher: Sein Geschäft, es gehört der japanischen Citizen Group, läuft wie am Schnürchen, die Auftragsbücher sind voll und die 130 Mitarbeitenden dauerbeschäftigt. Sein Erfolgsrezept: «Kundenfokus». Heute entwickelt und produziert er mechanische und Quarzwerke für kleinere und grössere Uhrenmarken, «etwa 100 an der Zahl». Das Renommee von La Joux-Perret als Werkelieferant ist inzwischen so hoch, dass Tiffany beim Launch ihrer letzten Neuheit, der Atlas, damit wirbt, dass das Werk von La Joux-Perret stammt. Zu Eggens Überraschung: «Das war nicht abgesprochen, haben sie von sich aus gemacht.»
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Das Geschäft von Jean-Claude Eggen, CEO von La Joux-Perret, läuft besser als je zuvor, unter anderem dank LVMH-Marken wie Tiffany.
PR / BILANZ-CollageDas Geschäft von Jean-Claude Eggen, CEO von La Joux-Perret, läuft besser als je zuvor, unter anderem dank LVMH-Marken wie Tiffany.
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