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CEO von Raymond Weil

«Ich bin, ehrlich gesagt, ziemlich beeindruckt»

Raymond Weil wird 50. Wie behauptet man sich als unabhängige Uhrenmarke? Wie reagiert man auf die US-Zölle? CEO Elie Bernheim gibt Antwort.

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<p>CEO Bernheim setzt auf Agilität, Tradition und Innovation, um die Marke für die Zukunft zu positionieren.</p>

CEO Bernheim setzt auf Agilität, Tradition und Innovation, um die Marke für die Zukunft zu positionieren.

Darren S. Higgins for Raymond Weil

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Herr Bernheim, die Schweizer Uhrenindustrie ist einer steifen Brise ausgesetzt. Wie geht es Ihrer Marke Raymond Weil aktuell? Wie steht sie da?

Elie Bernheim: Ziemlich gut, zumal das wirtschaftliche und geopolitische Umfeld alles andere als einfach ist. Unsere Agilität, unser Drive und eine vorsichtige, bodenständige Führung sorgen dafür, dass wir positiv vorankommen. Der Abschwung in Asien hat uns weniger getroffen als andere – die Region machte ja nur noch einen kleinen Teil unseres Umsatzes aus –, und spannenderweise sehen wir dort sogar eine positive Dynamik gegen den Markttrend. 

Aber Ihr wichtigster Markt sind die Vereinigten Staaten. Da brechen die Zahlen angesichts der 39-Prozent-Zölle wohl heftig ein?

Die USA sind tatsächlich historisch unser wichtigster Markt. Und da gibt es eine gute Nachricht: Er bleibt für uns ausgesprochen robust. Bislang sehen wir in den Abverkäufen keinen Zoll-Effekt. 

Weil Sie vor Inkrafttreten der Zölle die Lager gefüllt haben und sie sich also noch nicht bemerkbar machten?

Wie viele andere haben wir ab April tatsächlich geliefert, was möglich war – aber behutsam und mit der Vorsicht einer unabhängigen Familienmarke. Einige Lieferungen in die USA haben wir vorgezogen, gleichzeitig aber den Rest der Welt nicht vernachlässigt und unsere Neuheiten planmässig erst ab August/September ausgerollt. Ich kann die Zukunft nicht voraussehen, aber Stand heute bin ich zuversichtlich; die Resilienz und der Schwung in Amerika sind beeindruckend. Gemeinsam mit den USA liegt auch das Vereinigte Königreich für uns weiterhin an der Spitze.

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Wie behauptet sich heute eine unabhängige Marke gegen die grossen Konzerne?

Das Wort «behaupten» trifft es nicht ganz; wir finden unseren Platz – mit einer anderen Markthaltung, in der die Beziehung zwischen Menschen an erster Stelle steht. Gewachsene Verbindungen über Generationen hinweg ermöglichen uns eine globale Präsenz mit Partnern, die unsere Werte teilen und ihr Risiko bewusst diversifizieren, indem sie auch unabhängige Häuser stützen.

Gibt es Entscheidungen, die nur dank Ihrer Unabhängigkeit möglich waren?

Absolut: Es geht um Agilität und Reaktionsgeschwindigkeit. Wir können taktisch und strategisch sehr schnell handeln, wo ein Konzern Wochen bräuchte. Diese Geschwindigkeit bringt uns in Schlüsselmomenten nach vorn.

Beispiel?

Wir waren die Ersten, die auf die US-Zölle mit einer «Zollhammer»-Uhr reagiert haben. Sie heisst Millesime 39%, auf dem Zifferblatt steht das Motto «Time will tell». Die Uhr war auf 39 Exemplare limitiert, hat 39 Millimeter Durchmesser, und wir boten sie mit einem 39-prozentigen Rabatt an. Das war ein Beispiel für Mut und Reaktionsfähigkeit und kam gut an. 

Neben den grossen Konzernen gibt es zunehmend auch junge Mikromarken am Markt. Tut Ihnen das weh?

Oh nein, ganz und gar nicht – ich finde das grossartig. Es ist ein Frischekick. Wir sind kein Mikrounternehmen, aber auch kein Grosskonzern – wir bewegen uns irgendwo dazwischen. Und wir profitieren von der Dynamik, der Energie, die von den neuen Marken ausgeht. Sie beschränken das Markenfeld nicht mehr auf die vier oder fünf grossen Namen, die man in unserem Preissegment kennt, sondern öffnen es. Ihre Lebendigkeit und Vielfalt erzeugen eine Energie, welche die ganze Branche befruchtet. Ich bin, ehrlich gesagt, ziemlich beeindruckt.

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Sie sind seit bald zwölf Jahren am Steuer. Erstmals figuriert Raymond Weil dieses Jahr im Top-Ranking der 50 grössten Schweizer Uhrenmarken. Wie hat sich das Wachstum in den letzten Jahren entwickelt?

Gesund und vernünftig. Unser Ziel als Familienunternehmen ist Nachhaltigkeit, nicht Überhitzung. 

Konkret?

Meistens ein einstelliges Wachstum, manchmal ein zweistelliges – und das ist für uns dann etwas Besonderes. Wichtig ist für uns die Verlässlichkeit, gerade auch in der Beziehung zu unseren Zulieferern: Sie schätzen Kontinuität, Loyalität und Planbarkeit. Ich plane lieber etwas konservativ, als die Zulieferer zu Überproduktion zu verleiten und dann abrupt Bestellungen kappen zu müssen – etwas, das sie anderswo erleben. Mein Grossvater hat das Unternehmen jahrelang geleitet, dann mein Vater, und ich tue es auch bereits seit März 2014. Das unterscheidet uns von manchen Konzernmarken, wo der CEO alle paar Jahre ausgewechselt wird.

Nächstes Jahr feiert Ihre Marke das 50-Jahre-Jubiläum, Sie haben dafür bereits das Modell Toccata angeschoben. Wie geht man bei einem derartigen Projekt vor?

Zuerst analysieren wir unser Portfolio und schauen, wohin wir es entwickeln wollen. Dann werten wir sorgfältig die Consumer-Daten aus. Wenn sie nahelegen, dass eine neue Kollektion neue Zielgruppen erschliessen und mehr als nur Umsatz bringen kann – etwa Sichtbarkeit –, dann legen wir los. Bei Toccata Heritage wollten wir ein starkes Design mit einer Art «Spiegeleffekt» auf dem Boden.

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<p>Toccata Heritage</p>
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Durch das Sichtfenster am Boden sieht man das Werk. Und man hat den Eindruck, Sie hätten ein ovales Formwerk verbaut . . .

… es ist ein klassisches rundes Kaliber, aber die Gestaltung vermittelt tatsächlich diesen Eindruck. Das ist der Stolz und die Chuzpe unserer Designer.

Gibt es eine formale Signatur von Raymond Weil – etwa bei der Toccata?

Daran arbeiten wir Kollektion für Kollektion: erkennbare Differenzierungsmerkmale, die eine klare Identität ergeben. Viele kleine Details – wie die erwähnte Form-Illusion – schärfen den Charakter jeder Linie und sprechen unterschiedliche Kundensegmente an.

Toccata

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Sie haben vor zwei Jahren die ultraklassische Millesime lanciert. Man hört, sie sei zum Bestseller geworden?

Die Millesime hat eine sehr markante Identität und kommt hervorragend an – sie macht rund 25 Prozent unseres Umsatzes aus. An der Spitze steht aber weiterhin die Freelancer mit etwa 40 Prozent. Sie ist global erfolgreich – besonders in den USA und UK. Die Millesime haben wir gezielt entwickelt, um unsere Distribution zu verbreitern, vor allem in Europa und Asien – und dieses Ziel haben wir erreicht.

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Eine Frage zu «Swiss Made» – manche Experten fordern eine Produktion ausserhalb der Schweiz. Ihre Haltung dazu?

«Swiss Made» ist essenziell und gehört geschützt, eher noch gestärkt. «Swiss Made» ist ein wesentlicher Wert, wenn wir ihn verwässern, riskieren wir viel. In diesem Zusammenhang ist es jedoch auch wichtig, Äpfel mit Äpfeln zu vergleichen. Gerade bei den erwähnten jungen Mikromarken kann die Frage sehr wohl erlaubt sein, ob sie wirklich «Swiss Made» sind – es ist nicht immer der Fall.

Apropos junge Marken: Wie entwickelt sich Ihre Kundschaft?

Der Dauerauftrag an uns lautet: Image und Produkt verjüngen und revitalisieren – ohne das Erbe zu verleugnen. In den ersten fünf Jahren als CEO habe ich vor allem die kreativen Impulse meines Vaters übernommen. Ich habe mir die Produkte angesehen, die er geschaffen hatte – wahre Schmuckstücke, die bis heute Bestand haben. Es brauchte fünf Jahre, bis mir klar war, dass ich auch Dinge verändern und mein eigenes kreatives Terrain finden muss, dass es manchmal eben auch Brüche braucht. Heute passen die Produkte zu dem, was ich liebe und für morgen gestalten will. Unser Publikum verjüngt sich und ist inzwischen sogar etwas jünger als ich. Der Altersdurchschnitt liegt bei 45 Jahren.

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Mit anderen Worten: Man soll nicht nur endlos die bestehende DNA repetieren, sondern auch ganz Neues bringen?

Nicht ewig wiederholen, aber auch nicht verleugnen – sondern weiterentwickeln. Manchmal greifen wir ins Archiv und modernisieren etwas daraus – so ist Toccata Heritage entstanden, und ihr Erfolg hat uns im Ausmass überrascht. Mit fast 50 Jahren Geschichte und Tausenden von Referenzen, die mein Grossvater und mein Vater geprägt haben, verfügen wir über eine geniale Grundlage. Im Zug der Arbeit für das Museum, das wir nächstes Jahr eröffnen wollen, haben wir viele Entwürfe wiederentdeckt: Es geht nicht darum, das Rad neu zu erfinden, es geht um ein Update für die Gegenwart.

Wie erreichen Sie Sammlerinnen und Sammler, Enthusiasten?

Zunehmend direkt – und das ist relativ neu und sehr erfreulich. Die Marke wird von einer kundigen, leidenschaftlichen Community nachgefragt. Die Millesime 39, unser augenzwinkernder Konter zur Lage, war binnen Stunden ausverkauft. Toccata Heritage, vor rund zehn Tagen lanciert, löst bei Sammlerinnen und Sammlern eine ähnliche Begeisterung aus. Und das Feedback der Community fliesst spürbar in unsere Entwicklungen ein.

Wie bereiten Sie die nächste Generation vor?

Ich bin noch nicht im Übergabemodus, aber denke darüber nach. Mein Sohn ist 15, er stellt viele Fragen – grossartig. Ob er einmal übernehmen will, weiss ich nicht; es gibt da auch Nichten oder Neffen. Mein grösster Wunsch ist aber klar: Die Maison soll familiengeführt und unabhängig bleiben, eine vierte Generation dereinst die Geschäfte übernehmen.

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Über die Autoren
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Pierre-André Schmitt

Pierre-André Schmitt

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