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Beim Launch der Apple Watch 2014 schien das Ende der G-Shock gekommen, und sie geriet auch in Vergessenheit. Nun feiert sie ein Revival.
Tim Stracke
Tim Stracke von Chrono24: «Casio hat es geschafft, den Code der neuen Generation zu verstehen: Eine Marke muss heute echt wirken und Teil von etwas sein.»
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Ich gebe zu: Ich fühle mich bei den mechanischen Uhren wohler – dort, wo feine Kaliber ticken und Präzision, Handwerk und Geschichte den Takt angeben. Doch selbst wenn ich Leder und Mechanik am Handgelenk bevorzuge, muss man den Hut davor ziehen, was Casio mit seinem Kunststoffklassiker, der G-Shock, in den vergangenen Jahren erreicht hat. Denn: Kulturelle Relevanz zu schaffen, bleibt die Königsdisziplin jeder Marke.
In den letzten Jahren erlebt Casios G-Shock eine bemerkenswerte Renaissance – eine Uhr, die lange Zeit in Vergessenheit geraten schien, in einer Ära, in der die Apple Watch und andere Smartwatches in ähnlichem Preisrahmen einfach mehr konnten. Puls, Schlafrhythmus oder Facetime – all das lässt sich auf der klobigen, japanischen Uhr schwer abbilden. So hatte man seit dem Launch der Apple Watch 2014 das Gefühl, die G-Shock sei an ihrem Ende angekommen – ein analoges Relikt.
Erfunden wurde sie Anfang der 1980er-Jahre von Kikuo Ibe, einem Casio-Ingenieur, der sie aus purem Trotz entwickelte: Seine Armbanduhr ging bei einem Sturz kaputt und Ibe verschrieb sich der Mission, eine zu bauen, die solche Unfälle überlebt. Das Resultat war eine Uhr, ursprünglich gedacht für Bauarbeiter, die einen Sturz aus zehn Metern Höhe aushält. Zur Jahrtausendwende war die Uhr dann schon in vielen weiteren Berufsgruppen populär – und ich erinnere mich an zahlreiche G-Shocks an den Handgelenken meiner Kommilitonen während meiner Studienzeit.
«Die G-Shock wirkte plötzlich, in einer Welt mit Digitalisierungsmission, aus der Zeit gefallen.»
Mit dem Launch der Apple Watch begann 2014 die Smartwatch-Ära. Die G-Shock wirkte plötzlich, in einer Welt mit Digitalisierungsmission, aus der Zeit gefallen. Während der Pandemie kam es dann zum Run auf Luxusuhren. Casios grösster Konkurrent, Swatch, nutzte diesen Moment clever mit der In-House-Kollaboration «Moonswatch», die das Gefühl von Omega-Luxus in Keramik für den schmaleren Geldbeutel ermöglichte und das Einstiegspreissegment für einige Jahre dominierte.
Während Swatch den Moonswatch-Hype mit immer neuen Farbvarianten und fehlender Innovation überdehnte, nutzte Casio die Gelegenheit, sich neu zu positionieren – und zwar dort, wo Marken heute wirklich Relevanz schaffen: in der Kultur. Der Y2K-Hype, also die Rückkehr der frühen 2000er-Ästhetik, spielte Casio dabei in die Karten. Baggy Jeans, Hüfthosen – plötzlich war das alles wieder cool.
Casio verstand es, diesen Trend mit einer klaren Strategie aufzuladen: Statt auf klassische A-List-Luxus-Testimonials zu setzen – also auf die üblichen Gesichter wie Clooney, Federer oder Serena Williams, für die die Luxusindustrie meist der attraktivere Partner ist –, setzte man auf kulturelle Nähe.
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Kollaborationen mit J Balvin und Daft Punk, Partnerschaften mit Franchises wie «Barbie» und «Stranger Things» sowie Sponsorings von Hip-Hop-Awards und einem eigenen Livemusik-Format trafen den Nerv einer Generation, die ihre Helden in ihren kulturellen Bubbles oder Subgenres sucht.
Beispielhaft dafür stehen Zusammenarbeiten aus diesem Jahr mit Action Bronson – Koch, Rapper und Millennial-Ikone – sowie mit dem bei Gen Z beliebten britischen Rap-Superstar Central Cee. Zwei Namen, die in unterschiedlichen Altersklassen funktionieren, aber denselben Spirit verkörpern: Kreativität ohne Etikette.
Diese zielgruppengenaue Ansprache kultureller Nischen nennt sich im Marketingsprech «Cultural Marketing» – und sie funktioniert, weil sie glaubwürdig ist.
«Heute ist das anders. Künstler wie Denzel Curry oder Tyler, the Creator, rappen über ihre G-Shock aus Überzeugung.»
Mein ältester Sohn – passionierter Hip-Hop-Hörer – erzählte mir bei der Arbeit an dieser Kolumne, dass Casios G-Shock in den Texten seiner Lieblingsrapper wieder regelmässig vorkommt. Früher, sagte er, stand die Uhr für das klassische «Früher-war-ich-unten-heute-hab-ichs-geschafft»-Narrativ. In den Lyrics wurde stolz die Progression von G-Shock zu Royal Oak beschrieben.
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Heute ist das anders. Künstler wie Denzel Curry oder Tyler, the Creator, rappen über ihre G-Shock aus Überzeugung.
Die Chrono24-Verkaufsdaten bestätigen den Trend. Obwohl über die Plattform eher Patek, Rolex oder Omega gehandelt wird, hat sich die G-Shock im Einstiegssegment unter 500 Euro bemerkenswert entwickelt. In den vergangenen sieben Jahren hat sich ihr Anteil an verkauften Modellen versechsfacht. Zum Vergleich: Die Moonswatch, die 2022 noch für Warteschlangen vor den Boutiquen sorgte, hat seit ihrer Einführung deutlich an Schwung verloren – heute verkauft sie sich nur noch etwa ein Viertel so häufig wie im Jahr ihrer Premiere.
Casio hat es geschafft, den Code der neuen Generation zu verstehen: Eine Marke muss heute echt wirken und Teil von etwas sein.
Und so schafft es eine Digitaluhr aus den Achtzigern im Jahr 2025, relevanter zu sein als viele smarte Neuerscheinungen – nicht, weil sie sich verändert hat, sondern weil sie (wieder) den Nerv der Zeit trifft.
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