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Er soll die Nischenmarke Bremont endlich zum Glänzen bringen. Warum CEO Davide Cerrato das Rüstzeug dazu hat. Und wie er selber tickt.
Pierre-André Schmitt
Davide Cerrato steht vor einer Herkulesaufgabe: Er soll die britische Uhrenmarke Bremont rentabel machen.
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Der Mann im feinen Tuch, der mit seinem aufgespannten schwarzen Regenschirm neben einer britischen roten Telefonzelle posiert, hat eine gewaltige Mission vor sich: Davide Cerrato, so heisst er, soll die junge englische Nischenmarke Bremont endlich rentabel und erfolgreich machen, eine Herkulesaufgabe. Seine Ausgangslage: eine Fangemeinde, viel Enthusiasmus (man wollte das Aushängeschild der britischen Uhrmacherei werden) – und ein wirtschaftlicher Scherbenhaufen (man hatte viel investiert, aber ohne nennenswertes Wachstum zu erzielen). Sein Kapital: ein prall gefüllter beruflicher Erfahrungsrucksack, ein amerikanischer Geldgeber – und ein spezielles Gehirn. Mehr dazu an späterer Stelle.
Doch zunächst zur Marke. 2002 hoben die von der Fliegerei begeisterten Brüder Nick und Giles English ihre Marke Bremont aus der Taufe – benannt nach einem französischen Bauern, der ihnen einst nach einer Notlandung in seinem Feld geholfen hatte. Jahre später folgte die wirtschaftliche Ernüchterung: Der Bau einer neuen Manufaktur, «The Wing» genannt, hatte viel Geld verschlungen. Vor allem aber erwies sich der Versuch, ein eigenes Uhrwerk zu entwickeln und ganz darauf zu setzen, als Irrweg – uhrmacherisch ein ehrenwerter Schritt, finanziell jedoch ein Abenteuer ohne sicheren Boden, wie es CEO Davide Cerrato analysiert. Kurz schaut er durch seine Brille mit den runden Le-Corbusier-Gläsern und bringt es trocken auf den Punkt: «Man kann kein neues Kaliber entwickeln, wenn man nur 10’000 Uhren baut. Das rechnet sich erst ab 250’000 Stück.» Erst dann, so Cerrato, lasse sich eine Uhr fertigen, «die hochwertig und zuverlässig ist». Doch von 250’000 Stück ist die Marke derzeit noch ganz, ganz weit entfernt.
Davide Cerrato, seit rund zwei Jahren im Cockpit von Bremont, weiss, wovon er spricht: Zwar begann sein berufliches Leben mit ein paar Werbeaufträgen im Automobilsektor sowie einer Stelle beim Süsswarengiganten Ferrero, aber der entscheidende erste Meilenstein, rund 25 Jahre ist es her, war Panerai, damals ein noch kaum bekanntes Juwel im Richemont-Konzern. Dort stand er als Global Director of Communications vor der Aufgabe, die Marke aus ihrer Nische in die Luxusuhrmacherei überzuführen. Er schärfte das Markenprofil, verknüpfte die militärische Herkunft mit einem Hauch italienischer Eleganz und machte Panerai zum Synonym für markante und eigenständige Toolwatches. Der Erfolg ebnete den Weg zum nächsten Kapitel: Tudor, die Schwestermarke von Rolex.
Auch diese Marke war damals nicht gross bekannt, «eine schlafende Schönheit», sagt Cerrato. Und auch hier tauchte er tief in die Geschichte ein – und kam auf das Modell Black Bay. «Es war die Black Bay, die die Marke wieder auf den Radar gebracht hat», resümiert er, «sie hat es uns erlaubt, den Brand neu aufzubauen und bei den Freunden und Passionierten für die Uhrmacherei wieder bekannt zu machen.»
Mit seiner Erfahrung aus Panerai, Tudor und Montblanc will Cerrato die Marke neu positionieren und zum Erfolg führen.
PRMit seiner Erfahrung aus Panerai, Tudor und Montblanc will Cerrato die Marke neu positionieren und zum Erfolg führen.
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Dann kam Montblanc, wo Cerrato zum Managing Director der Uhrendivision berufen wurde. Wiederum griff er in die Werkzeugkiste, die er mittlerweile bestens kannte: Die Rolle, die bei Tudor die Black Bay gespielt hatte, erhielt das neu geschaffene Modell 1858 Geosphere. Historisch baute man auf die Geschichte der Minerva-Manufaktur auf, die Richemont 2006 übernommen und dann unter Montblancs Fittiche gestellt hatte.
Drei Marken, drei Erfahrungen, drei Wendepunkte. «Im Grunde genommen habe ich alles, was ich hier mache, dort gelernt: Design, Produktentwicklung, Produktion, Finanzen, Vertrieb, Händler- sowie Pressebeziehungen – alles», sagt Cerrato. «Ohne es bewusst zu planen, habe ich mich in meiner Karriere auf Turnarounds spezialisiert, also darauf, Marken zu revitalisieren.»
Und nun wäre also – nach einem kurzen Abstecher bei der Nischenmarke HYT – Bremont an der Reihe: Davide Cerrato soll es da richten.
Vielleicht hilft ihm dabei sein Gehirn, das er früher lachend wie folgt umschrieb: Seine Gehirnstruktur, so meinte er einst gegenüber der Uhrengazette «Watch Around», verfüge nämlich über zwei absolut gleichwertige Gehirnhälften. Was sehr selten sei – aber seiner Arbeit immer wieder zugutekomme. Normalerweise, so die gängige Schulmeinung, ist beim Menschen die eine Gehirnhälfte stärker und besser entwickelt, entweder die rechte, die für das Emotionale, das Kreative und Künstlerische steht, oder die linke, der man Logik, analytische Fähigkeiten und Rationalität zuschreibt.
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Doch Davide Cerrato hatte als junger Mann das Problem, dass er sich irgendwie nicht entscheiden konnte: «Ich habe zum Beispiel Architektur und Design studiert», sagt er, «und dann habe ich eine Handels- und Businessausbildung begonnen.» Beides habe er mit Interesse getan, und in beiden Sparten sei er auch ziemlich gut gewesen – wohl wegen der gleich entwickelten Gehirnhälften.
Er wird sie jetzt auch beide brauchen. Denn ein paar eingefleischte Fans haben ihm das weitgehende Aufgeben des eigenen Kalibers ENG300 nicht vergeben. Und dass er mit seinem charmanten italienischen Akzent Britishness propagiert, nehmen ihm nicht alle ab. Zumal der Financier Bill Ackman aus den USA kommt und viele verbaute Uhrenkomponenten aus der Schweiz stammen – «sie sind einfach die besten». Dennoch: Wenn einer den Turnaround schaffen könnte, dann ist es Davide Cerrato.
Ein Besuch der Bremont-Produktion mit Hauptsitz in Henley-on-Thames, etwa 50 Zugminuten von London-Paddington entfernt, zeigt, wohin die Reise geht: «Früher», so Cerrato, «war die Marke süchtig nach Neuheiten und Spezialeditionen.» Konkret: Es gab 200 Referenzen, 80 Prozent waren limitierte Modelle. Radikal hat der Mann, der gerne im Zweireiher auftritt, zum Rotstift gegriffen: «Wir haben noch 20 Modelle, und die nehmen richtig Fahrt auf.» Anders gesagt: Es gibt zwar wesentlich weniger Modelle, aber pro Modell werden heute signifikant mehr Uhren gebaut, was die Kosten senkt.
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Bremont Altitude MB Meteor
PRBremont Terra Nova Jumping Hours
PRBremont Supermarine Black Ceramic White Dial
PRStrukturiert ist das Angebot in drei grosse Modellfamilien: die «Supermarine»-Linie für Taucher und Wassersportler, die «Terra Nova»-Serie im robusten Field-Watch-Stil sowie die «Altitude»-Kollektion mit ihren Pilotenuhren und Chronographen, darunter die ikonischen Martin-Baker-Modelle. Martin-Baker ist ein britischer Hersteller, der weltweit für seine Schleudersitze bekannt ist. Das 1934 gegründete Unternehmen stattete über 70 Flugzeugtypen mit seinen Systemen aus und hat damit nach eigenen Angaben bereits mehr als 7700 Pilotenleben gerettet. Für Bremont ist der Kooperationspartner ein Glücksfall: Die Zusammenarbeit brachte Uhren hervor, die denselben Härtetests unterzogen werden wie die Sitze – mit Vibrationen, Beschleunigungskräften und Temperaturschwankungen, wie sie sonst nur Jetpiloten erleben. Und das zahlte sich aus: Die Altitude MB Meteor entwickle sich langsam zur Ikone der Marke, sagt Cerrato. Sehr gut angelaufen sei ebenfalls das brandneue Modell Terra Nova mit springender Sekunde. Auch ein Modell mit Tourbillon wurde entwickelt. Und ein Ewiger Kalender.
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Läuft alles gut, so weiss Davide Cerrato, könnte Bremont sich zum Höhepunkt seiner Karriere entwickeln. «Vielleicht nicht mein letzter Job, aber der prägendste», sagt er. «Mein Meisterstück.»
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