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Mann des Monats

Wie Paolo Barilla seinen Weltkonzern durch unruhige Zeiten steuert

Der Ex-Formel-1-Pilot setzt im Familienbetrieb auf Internationalisierung und Innovation. Er muss dabei auf den rasanten Konsumwandel reagieren.

Erich Bürgler, Redaktor BILANZ - fotografiert im September von Paul Seewer für BILANZ

<p>Derzeit bestimmt die vierte ­Generation über das Pasta-­Imperium. Eine grosse Heraus­forderung: die Nachfolge­regelung. «Niemand lässt sich zu so etwas zwingen», sagt Paolo Barilla.</p>

Derzeit bestimmt die vierte Generation über das Pasta-Imperium. Eine grosse Herausforderung: die Nachfolgeregelung. «Niemand lässt sich zu so etwas zwingen», sagt Paolo Barilla.

Suse Heinz für BILANZ

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Mit gemächlichem Tempo lenkt Paolo Barilla seinen dunkelgrauen Porsche Panamera vom für die Chefetage reservierten Parkplatz vor dem Firmensitz in Parma. Er lässt das Fenster herunter und winkt nochmals zum Abschied. Barilla, der mit seinen Brüdern Guido und Luca die Geschicke des weltgrössten Pastaherstellers bestimmt, hat sich davor für den Besuch aus der Schweiz viel Zeit genommen. Der frühere Profi-Rennfahrer geht es am Steuer inzwischen gelassen an. «Ich mag es komfortabel, und ich fahre nicht schnell», sagt der 64-Jährige. Schliesslich verändern sich das Geschäft und das Konsumverhalten rasant genug.

Immer weniger Zeit zum Kochen, boomende Heimlieferservices, das Image von Kohlenhydraten als Dickmachern, und jüngst hat Donald Trump auch noch horrende Strafzölle für Pasta aus Italien angekündigt: All das beeinflusst die Aktivitäten des italienischen Konzerns, der seinen Umsatz 2024 dennoch auf fast 4,9 Milliarden Euro steigern konnte.

Support aus der Schweiz 

Dass die Familie Barilla in vierter Generation noch immer das Sagen im Unternehmen hat, ist nicht selbstverständlich. Zu verdanken ist das auch einer Schweizerin – und einem Klavierkonzert im Teatro Regio von Parma in den 1970er-Jahren. Dort lernte Paolos Vater, Pietro Barilla, Hortensia Anda-Bührle – Tochter von Industriemagnat Emil Georg Bührle – und ihren Gatten, den Konzertpianisten Géza Anda, kennen. Damals war Barilla im Mehrheitsbesitz des US-Konzerns W.R. Grace, an den die Barillas den Grossteil ihrer Anteile 1971 verkauft hatten. Es waren schwierige Zeiten: Die Erdölkrise und eine hohe Inflation bestimmten die Wirtschaft Italiens. Über allem schwebte die Bedrohung durch die Roten Brigaden. Unternehmerfamilien und ihre Führungskräfte lebten in ständiger Gefahr. «Eine Angst lag in der Luft. In den Fernsehnachrichten gab es fast jeden Tag Katastrophenmeldungen», erinnert sich Paolo Barilla, der damals ein Teenager war. Viele Familienunternehmer verkauften ihr Geschäft möglichst rasch an internationale Multis, aus Sorge um Kapital, Sicherheit und Zukunft.

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<p>Wie es war, die Kontrolle über das Unternehmen zu verlieren, erlebte Paolo Barilla, als sein Vater den ­Betrieb ins Ausland verkaufen musste.</p>

Wie es war, die Kontrolle über das Unternehmen zu verlieren, erlebte Paolo Barilla, als sein Vater den Betrieb ins Ausland verkaufen musste.

Suse Heinz für BILANZ
<p>Wie es war, die Kontrolle über das Unternehmen zu verlieren, erlebte Paolo Barilla, als sein Vater den ­Betrieb ins Ausland verkaufen musste.</p>

Wie es war, die Kontrolle über das Unternehmen zu verlieren, erlebte Paolo Barilla, als sein Vater den Betrieb ins Ausland verkaufen musste.

Suse Heinz für BILANZ

Doch Pietro Barilla litt sehr darunter, die Kontrolle über das Familienunternehmen verloren zu haben. Er empfand den Verkauf der Firma als persönlichen Verlust. «Für meinen Vater war es, als hätte er ein wertvolles Geschenk seines Vaters weggegeben.» Aus der Bekanntschaft mit dem Ehepaar Anda entstand eine Freundschaft. Mit Hilfe von Hortensia Anda-Bührle gelang es Pietro Barilla 1979, das Unternehmen wieder in Familienbesitz zu bringen. Dies in einem anhaltend unsicheren wirtschaftlichen Umfeld und unter erheblichen finanziellen Risiken. «Alle haben meinem Vater davon abgeraten, zurückzukaufen: die Banker, aber auch seine Freunde. Er tat es dennoch.» Bis heute hält die Familie Anda die von Hortensia Anda-Bührle erworbene 15-Prozent-Beteiligung an Barilla.

Ihr Sohn und Unternehmer Gratian Anda (56), zu dessen Portfolio Hotels wie das «Castello del Sole» in Ascona sowie «Storchen» und «Widder» in Zürich gehören, ist Mitglied des Verwaltungsrats des Pastariesen. «Er bringt sich aktiv ein und steuert neue Perspektiven aus seinem Blick auf das Geschäft bei», sagt Paolo Barilla. Anda bezeichnet Barilla gegenüber BILANZ als Unternehmen, das es geschafft habe, eine starke internationale Marke aufzubauen und gleichzeitig seine italienische Seele zu bewahren. «Barilla denkt nicht in Quartalen, sondern in Generationen. Dieses langfristige strategische Denken gefällt mir», sagt er.

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In Parma wird das Erbe der Familienunternehmer sichtbar. In der weltgrössten Pastafabrik produzieren die Maschinen rund 330’000 Tonnen Teigwaren pro Jahr – für über 120 Länder. Der Pastateig schiesst durch die Matrizen und formt sich zum Bestseller des Hauses: Spaghetti Nr. 5. Noch sind sie viel länger, als man das von zu Hause kennt. Sie kommen in den Trocknungsraum und gelangen dann zurechtgestutzt in die bekannten blauen Verpackungen.

<p>Spaghetti sind die Bestseller von Barilla. Die Fabrik in Parma liefert in über 120 Länder.</p>
<p>Die Farbe der Verpackung ist kein Zufall. Schon im 1877 gegründeten Laden in der Innenstadt von Parma wurden die offen verkauften ­Teigwaren in blaues ­Papier gewickelt.</p>
<p>Die Margen im Pastageschäft sind dünn. Deshalb sind die Produktionsstätten des Konzerns hoch automatisiert und leistungsfähig.</p>
<p>Heute kämpft Barilla gegen das Image der Teigwaren als Dickmacher. Früher diente Pasta dazu, um günstig satt zu werden.</p>
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Spaghetti sind die Bestseller von Barilla. Die Fabrik in Parma liefert in über 120 Länder.

Suse Heinz für BILANZ

Die Farbe ist kein Zufall. 1877 eröffnete Pietro Barilla senior eine Bäckerei im Zentrum von Parma, die unter anderem Pasta produzierte, und legte den Grundstein für das heutige Unternehmen. Die in grossen Vasen gelagerten Teigwaren wickelten die Firmengründer für ihre Kundschaft in blaues Papier, der Ursprung der charakteristischen Kartonverpackung. Mit geschicktem Marketing verankerte die Firma diese Verpackung in den Köpfen vieler Konsumentinnen und Konsumenten als Symbol für Pasta. Einen wichtigen Beitrag dazu leistete auch der inzwischen verstorbene Unternehmer und Politiker Silvio Berlusconi: Als er in den 1980er-Jahren mit Mediaset private Fernsehsender in Italien etablierte, bot er Unternehmen eine willkommene und äusserst wirksame Plattform für Werbung.

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Roboter dominieren in der Fabrik 

Heute ist die Pastaherstellung ganz auf Effizienz getrimmt. Und das ist nötig – denn dünn sind nicht nur die Spaghetti, sondern auch die Margen, die sich damit verdienen lassen. Menschen sind in der Fabrik kaum zu sehen. Stattdessen kurven über 100 führerlose Fahrzeuge durch die Fabrikhallen. Sie kosteten rund 200’000 Franken das Stück, sind lasergesteuert und schieben riesige Silos mit Penne und anderen Sorten umher. Danach befördern sie die Paletten mit fertig verpackter Pasta zur Auslieferstelle. Fabrikdirektor Alessandro Spadini demonstriert, wie sicher die Roboter arbeiten. Er imitiert einen Angestellten, der auf sein Smartphone schaut und dabei versehentlich vor ein Fahrzeug läuft. Es bremst, ohne zu zögern. Diese Transporter beschaffte Barilla vor Covid – ein Glücksfall. Die stark steigende Nachfrage während der Pandemie konnte so trotz teilweise fehlenden Personals bewältigt werden.

Nach Corona schrumpften die Volumen, inzwischen ist das Unternehmen aber wieder auf Wachstumskurs. Die Produktion der rund um den Globus stehenden 30 Fabriken erreichte wieder mehr als zwei Millionen Tonnen. Dabei geht es nicht nur um Pasta, die 48 Prozent zum Konzernumsatz beiträgt. Backwaren machen über 40 Prozent der Einnahmen aus und sind im Heimmarkt besonders beliebt. Biscotti, kleine, eher trockene Biscuits, die viele Italiener in den Kaffee tunken, oder Cornetti, einzeln in Plastik verpackte Croissants mit Konfitürenfüllung, sind ein beliebtes Frühstück. Die Backwaren sind mit ein Grund, warum Barilla stark vom Geschäft in Italien abhängig ist – trotz globaler Ausrichtung stammen 36 Prozent des Umsatzes aus dem Heimmarkt.

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Zahlen und Fakten

  • 4,9 Milliarden Euro

Umsatz erzielte Barilla imGeschäftsjahr 2024.

  • 330 Tausend Tonnen

produziert die weltgrösste Pastafabrik in Parma jährlich.

  • 30 Fabriken

in 11 Ländernbetreibt dasFamilien-unternehmen weltweit.

Jüngst haben sich die Barilla-Brüder entschieden, den globalen Fokus auf ein neues Level zu hieven. CEO Gianluca Di Tondo ist 2024 mit einem Team, das für die internationale Expansion des Unternehmens verantwortlich ist, in den neuen Sitz nach Amsterdam gezogen. «Die Konsumwelt verändert sich stark und sehr schnell. Wir wollen den Bedürfnissen der verschiedenen Länder besser gerecht werden», sagt Paolo Barilla. Eine international zusammengesetzte Belegschaft soll dazu beitragen. Die findet sich im kosmopolitischen Amsterdam einfacher als in der Kleinstadt Parma. «Wir wollen die Art und Weise, wie wir hier Geschäfte machen, nicht allen anderen Ländern aufzwingen.» Gleichzeitig soll der Standort Parma mit einem neuen Innovationscenter gestärkt werden.

Die neue Art des Nervenkitzels 

Die Transformation nach aussen ist somit sichtbar. Doch die eigentliche Bewährungsprobe der kommenden Jahre wartet im Inneren: die Übergabe des Familienunternehmens an die fünfte Generation. Diese muss laut Paolo Barilla nicht nur bereit sein, Verantwortung zu übernehmen, sondern auch die nötigen Fähigkeiten mitbringen. «Der Impuls, ins Unternehmen einzutreten, muss von ihnen selbst kommen. Niemand lässt sich zu so etwas zwingen.» Gegebenenfalls müsse man dann entscheiden, ob und in welcher Rolle Mitglieder der nächsten Generation einen Beitrag zum Unternehmen leisten können.

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Während die Tochter von Paolo Barilla und seiner Partnerin Samantha Batt erst ins Teenageralter kommt, sind seine Neffen schon voll im Geschäftsleben aktiv. «Die Söhne meiner Brüder arbeiten in verschiedenen Branchen und sammeln dort wertvolle Erfahrungen.»

Guido ist mit 67 Jahren der älteste der Barilla-Brüder und Chairman des Unternehmens, Luca (65) und Paolo sind die Vizepräsidenten. Sie bestimmen die Strategie. Schwester Emanuela Barilla (57) ist im Verwaltungsrat der Barilla Holding. Die Geschwister halten die Mehrheit an der Firma. Über ihre Nachkommen wahren die Barillas bewusst den Mantel des Schweigens, sodass nur wenig über deren Leben und Werdegang bekannt ist.

Öffentliche Aussagen zur Familienfirma gibt es von Adriano Barilla, dem Mitte-zwanzig-jährigen Sohn von Guido Barilla. Nicht nur die Produkte des Unternehmens gehörten seit seiner Kindheit zum Alltag, erzählt er in einem Interview. Am Frühstückstisch gab es jeweils die neuesten Backwaren zum Probieren. Schon als er zehn Jahre alt war, habe sein Vater ihn und seine Geschwister dabei auch in Gespräche über das Business verwickelt. Adriano arbeitet derzeit in New York für Campari, den Spirituosenkonzern, der von der Familie Garavoglia kontrolliert wird. Zuvor sammelte er Erfahrung im Investmentbanking. Noch sei nichts über einen Einstieg der fünften Generation ins Family Business definiert. «Aber ich bin überzeugt, dass die nächste Generation in das Familienunternehmen eingebunden werden muss», sagte er.

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<p>Paolo Barilla betont, dass die Nachfolger nicht nur bereit sein müssen, Verantwortung zu übernehmen, sondern auch die nötigen Fähigkeiten mitbringen sollten.</p>

Paolo Barilla betont, dass die Nachfolger nicht nur bereit sein müssen, Verantwortung zu übernehmen, sondern auch die nötigen Fähigkeiten mitbringen sollten.

Suse Heinz für BILANZ
<p>Paolo Barilla betont, dass die Nachfolger nicht nur bereit sein müssen, Verantwortung zu übernehmen, sondern auch die nötigen Fähigkeiten mitbringen sollten.</p>

Paolo Barilla betont, dass die Nachfolger nicht nur bereit sein müssen, Verantwortung zu übernehmen, sondern auch die nötigen Fähigkeiten mitbringen sollten.

Suse Heinz für BILANZ

Paolo Barilla kann gut verstehen, wenn ein Teil des Nachwuchses andere Interessen hat als Teigwaren. Dass der jüngste Sohn von Pietro Barilla eine wichtige Rolle im Unternehmen übernehmen wird, war lange nicht klar. Denn seine Leidenschaft galt nicht immer Pasta und Süssgebäck. «Seit ich fünf Jahre alt war, wollte ich Autorennen fahren. Dass ich daraus eine Karriere im Rennsport machen konnte, war für mich das Grösste.» Schon mit 15 Jahren gewann er die italienische Kart-Meisterschaft. Den Höhepunkt seiner Rennsportkarriere erreichte er 1985 als Sieger des 24-Stunden-Rennens von Le Mans.

Weniger rund lief es später für ihn in der Formel 1, wo er für Minardi fuhr. Der Rennbolide sei so klein gewesen, er habe kaum reingepasst, scherzt er. Der Erfolg und die WM-Punkte blieben aus. Schliesslich habe man ihn aus dem Team geworfen, erzählt er ohne Umschweife. Damals war er 30. Nun stand er vor einer Weichenstellung in seiner Karriere. «Der Entscheid fiel mir sehr schwer. Ich wollte instinktiv weiter Rennen fahren, ich liebte es einfach zu sehr.» Die nächsten fünf, sechs Jahre hätte er seine Leidenschaft noch ausleben können. Doch er wusste auch: Er war nun in einem Alter, in dem der Wechsel vom Sport ins Unternehmen zwar hart war, zugleich aber noch genügend Flexibilität bot, um sich einzuarbeiten und das Geschäft von Grund auf kennenzulernen. An den fehlenden Temporausch als Geschäftsmann musste er sich dann auch erst gewöhnen. «Beim Rennfahren spürt man den Adrenalinkick sofort. Über Pasta oder Biscotti zu entscheiden, liefert diesen Nervenkitzel nicht.» Dafür fasziniere das Geschäft auf andere Art. «Man merkt mit der Zeit, wie tief man sich einarbeiten und wie viel man im Unternehmen bewegen kann.»

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Radikale Veränderungen 

Heute treiben ihn die sich stetig wandelnden Konsumgewohnheiten um, ein Faktor, der die langfristige Planung des Geschäfts deutlich komplizierter macht. Fürs Daily Business ist CEO Gianluca Di Tondo zuständig, doch schlussendlich bleibt Barilla ein Family Business, wenn es um strategische Entscheidungen geht. «Im Lebensmittelbereich passiert gerade viel: Konsumenten verändern ihr Verhalten rasant, neue Player drängen in den Markt, und selbst grosse multinationale Unternehmen passen ihre Strategien radikal an», sagt Paolo Barilla, der von einer disruptiven Phase spricht. Das zeigen verschiedene Beispiele: Der Multi Nestlé hat radikale Sparmassnahmen angekündigt, Kraft Heinz will sich aufspalten und macht damit die vor zehn Jahren vollzogene Fusion wieder rückgängig.

Für Barilla sieht der Firmenlenker Potenzial in Asien. Dort hält sich die Begeisterung für Teigwaren nach italienischer Art bislang in Grenzen. Im Gegensatz zu Europa und den USA fehlen historisch gesehen die italienischen Einwanderer, die ihre Esskultur und damit die Liebe zu Pasta mitbrachten. Für eine breite Akzeptanz bei Konsumenten braucht es in Asien Angebote, die zu den lokalen Essgewohnheiten passen. «Es geht darum, zu lernen und zu verstehen, wie wir in Ländern wie China mit Produkten erfolgreich sein können, die zur jeweiligen Esskultur passen.»

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In den USA ist Barilla dagegen schon etabliert, obwohl man die beim Kochen eher ungeduldigen Amerikaner erst davon überzeugen musste, ihre Pasta länger als wenige Minuten zu kochen, wie man das von einheimischen Teigwarensorten gewohnt war. Barilla betreibt zwei US-Pastafabriken, die den Grossteil der im Land verkauften Produkte herstellen. Damit wäre man von den jüngst angekündigten Strafzöllen der Trump-Administration auf italienische Pasta von über 90 Prozent viel weniger stark betroffen als andere Hersteller.

<p>Paolo Barilla will den Bedürfnissen der verschiedenen Länder besser gerecht werden.</p>

Paolo Barilla will den Bedürfnissen der verschiedenen Länder besser gerecht werden.

Suse Heinz für BILANZ
<p>Paolo Barilla will den Bedürfnissen der verschiedenen Länder besser gerecht werden.</p>

Paolo Barilla will den Bedürfnissen der verschiedenen Länder besser gerecht werden.

Suse Heinz für BILANZ

Im internationalen Geschäft hatte Barilla andernorts Aufholbedarf: bei der sogenannten Pasta al Bronzo. Bei diesen Sorten wird der Teig für Spaghetti, Penne und andere Varianten nicht durch glatte Teflonformen, sondern durch Bronze-Matrizen gepresst, was für eine leicht poröse Oberfläche sorgt. Davon profitieren Gerichte mit dickeren, reichhaltigen Saucen, weil die rauen Teigwaren die Flüssigkeit besonders gut aufnehmen. Bisher dominierten Marken wie De Cecco, Rummo und Garofalo das Segment der Pasta al Bronzo. Seit rund einem Jahr tritt nun auch Barilla in diesem Markt international auf – mit roter Verpackung statt der sonst üblichen blauen, was für das Unternehmen eine kleine Revolution darstellt.

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Die Schweiz als Top-10-Markt 

Das ist Teil des «Pasta Plan», den die Barilla-Brüder 2024 ausgerufen haben – mit Erfolg. Auch in der Schweiz kommt die neue Sorte gut an, wie Länderchef Ronen Dimant bestätigt: «Wir wachsen in allen Kategorien, und al Bronzo ist hier ein wichtiger Treiber.» Ein Schweizer Bahnhofsplakat mit dem Claim «Perfekte Saucenhaftung» schaffte es sogar in den globalen Geschäftsbericht von Barilla. Der hiesige Markt ist für Barilla attraktiv. Er gehört zu den Top 10 Europas. Ein Manko springt aber ins Auge: In den Supermärkten der Migros fehlten Barilla-Teigwaren. Die Nummer eins im Schweizer Lebensmitteldetailhandel hat in den letzten Jahren so ziemlich jeden Brand mit einem gewissen Bekanntheitsgrad ins Sortiment aufgenommen, setzt bei Markenteigwaren aber auf den kleinen Anbieter Agnesi. Immerhin: Im Migros-Onlineshop gibt es Barilla und bei der Discounttochter Denner auch. Selbst Aldi mit einem Eigenmarkenanteil von 90 Prozent will auf die blauen Pastaverpackungen nicht verzichten.

Zu den Neuerungen gehört auch eine Pastasorte, die neben Hartweizengries Erbsenprotein enthält – nicht der erste Versuch der Italiener, auf den seit Jahren anhaltenden Proteintrend zu reagieren. Zuvor waren Barilla-Spaghetti aus roten Linsen nicht gerade ein Renner. Sie sind vielerorts wieder aus den Regalen verschwunden. Zwar weiten die Detailhändler vieler Länder ihre Angebote an proteinhaltigen Lebensmitteln weiter aus. Ein eigentlicher Hype, der eine Ernährung mit möglichst wenig Kohlenhydraten und viel Eiweiss propagierte, wie die Atkins-Diät, flachte dagegen wieder ab.

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Auf Pasta am Abend verzichten, weil das in vielen Diätratgebern zu lesen ist? Für Paolo Barilla kommt das nicht infrage. Pasta könne man jeden Tag essen, es hänge eben von der Menge ab. «Gesunde Ernährung ist eigentlich ganz einfach: reichlich Gemüse und Obst, ergänzt durch Kohlenhydrate und Proteine. Das ist keine Rocket Science.»

Neuer Sponsor der Formel 1

Geschwindigkeit gehört derweil für ihn noch immer zum Geschäft. Seit diesem Jahr tritt Barilla als Sponsor der Formel 1 auf. Das sei nicht seine Idee gewesen, versichert er. Das Marketingteam dürfte aber geahnt haben, dass Werbung mit Rennsportbezug in der Führungsetage nicht auf heftigen Widerstand stossen dürfte. Mit der Formel 1 kann die Firma zudem auch den Bekanntheitsgrad in den Wachstumsmärkten Asiens und im Nahen Osten steigern. Dabei testet Barilla auch gleich ein Konzept, das den Trend zu schnellen Mahlzeiten aufnimmt. Fans der Königsklasse im Motorsport erhalten an den Veranstaltungen in Barilla-Pasta-Bars Lasagne. Das könnte als Modell für andere Events Schule machen und für den Pastahersteller ein neues Geschäftsfeld eröffnen.

Mit Gastroangeboten hat Barilla durch die Übernahme einer Mehrheit von Pasta Evangelists in Grossbritannien bereits Erfahrung. Das Unternehmen stellt frische Pasta her und betreibt eigene Restaurants. Es dient auch als eine Art Labor für neue Businessmodelle wie Take-away-Angebote. Dem Kerngeschäft näher stehende Chancen für Wachstum liegen im Backwarengeschäft – und zwar bei Süssem und Salzigem. Neben Biscuit-Marken wie Mulino Bianco und Gran Cereale gehört auch Wasa-Knäckebrot zum Sortiment. Diese Marken sollen dank einer globaleren Ausrichtung für Wachstum sorgen. Quick Wins sind zudem Pesto-Variationen und andere neue Saucen. Dieser Geschäftsbereich wächst derzeit konzernweit am schnellsten.

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Paolo Barilla mischt beim Kochen daheim jeweils gerne etwas Pesto Genovese in die Barilla-Tomatensauce. Ob das massentauglich wäre, bezweifelt er allerdings. Im Eingangsbereich des an die Fabrik angrenzenden Bürogebäudes posiert er für ein paar Fotos. Die Mitarbeitenden an den Stehtischen daneben nippen bei einer kurzen Pause entspannt an ihrem Espresso und grüssen den Firmenmitbesitzer freundlich, aber eher beiläufig. Für sie ist das hier Alltag – nichts, wofür man ein Aufheben machen müsste. Manchmal verschwindet der Patron jedoch für ein paar Tage, um seiner alten Leidenschaft nachzugehen. Dann trifft er sich mit Freunden aus seiner Rennsportzeit. «Drei- bis viermal im Jahr steige ich noch ins Rennauto», sagt er. Auf den Racestrecken holt er sich dann den Adrenalinschub, den wohl weder Pasta noch Pesto jemals liefern könnten.

 

Über die Autoren
Erich Bürgler, Redaktor BILANZ - fotografiert im September von Paul Seewer für BILANZ

Erich Bürgler

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