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Planung ohne jede Sicherheit

Wie KMU dem Zolldruck von Donald Trump ausweichen

Viele Schweizer Familienfirmen rutschen in den USA in die roten Zahlen – Auswege aus Donald Trumps Zollfalle sind riskant.

Stefan Barmettler HZ

<p>Düstere Aussichten für Schweizer KMU: Der Ypsomed-Chef Simon Michel plant, einen Teil der Produktion zu verlagern.</p>

Düstere Aussichten? Clevere KMU finden Wege, um die Zölle zu umgehen – so wie Ypsomed-Chef Simon Michel, der einen Teil der Produktion nach Deutschland verlagern könnte

keystone-sda.ch

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Jetzt sind die Zahlenmenschen gefragt. Ganze Teams in KMU rechnen Szenarien durch, kalkulieren Zolltarife, Arbeitskosten je Stunde und Steuersätze, verschieben Fabriken und Arbeitsplätze. Wo soll künftig produziert, wo sollen Halbfabrikate eingekauft, wo welche Ware zu welchem Preis an die Kundschaft gebracht werden? Ausgelöst hat die Hektik US-Präsident Donald Trump, der im Stundentakt den Importfirmen, die in den USA Geschäfte machen wollen, neue Zollabgaben abnötigt.

Beim Küchenutensilienhersteller Kuhn Rikon hat die «Taskforce USA» in den letzten paar Monaten schon zehnmal das Geschäftsmodell neu durchgerechnet, weil der US-Präsident ständig an den Warenzöllen schraubt und Strafzölle verhängt. Mal gegen China, Indien oder eben die Schweiz.

Gefragt in den USA: «Swiss Peeler» von Kuhn Rikon

So etwas wie Planungssicherheit gebe es im Moment nicht, sagt Tobias Gerfin, Chef von Kuhn Rikon. Das Familienunternehmen aus dem Kanton Zürich produziert in China und in der Schweiz – beide Länder wurden von Washington mit Zöllen abgestraft. Zudem drückt noch eine Sondersteuer von 50 Prozent auf Stahl, der in rauen Mengen verbaut wird. Dabei ist Kuhn Rikon mit seinen Edelpfannen und dem Sparschäler «Swiss Peeler» der Industriestandard in den amerikanischen Gaststättenküchen. Nach 20-prozentiger Preiserhöhung stellt sich aber auch beim Sortiment der Schweizer Firma die Frage, wie viel die Preissensibilität der US-Kundschaft noch verträgt.

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So wie Tobias Gerfin geht es auch vielen anderen: Es ist ein Stochern im Nebel. «Es gibt tausend offene Fragen», sagt ein Maschinenindustrieller, der ebenfalls in die USA liefert. Auch Adrian Steiner hadert. Der Chef von Thermoplan rüstet US-Giganten wie Starbucks, Coca-Cola und Kentucky Fried Chicken mit Kaffeemaschinen made in Switzerland aus. Auch er und seine Leute sind am Knobeln. Doch die Ausgangslage ist wenig erfreulich. Er redet von einem «Super-GAU» im US-Geschäft. Mittlerweile ist Steiner, ein bekennender Swiss-made-Vertreter, so weit, dass er angesichts des prohibitiven Zollregimes von Trump selbst eine Teilproduktion im Ausland analysieren lässt.

<p>Kaffeemaschinen der Schweizer Firma Thermoplan stehen in jeder Starbucks-Filiale.</p>

Kaffeemaschinen der Schweizer Firma Thermoplan stehen in jeder Starbucks-Filiale.

Bloomberg
<p>Kaffeemaschinen der Schweizer Firma Thermoplan stehen in jeder Starbucks-Filiale.</p>

Kaffeemaschinen der Schweizer Firma Thermoplan stehen in jeder Starbucks-Filiale.

Bloomberg

Von Weggis nach Hockenheim

Mit einer Verlagerung in die EU oder gar in die USA würde er zwar die Importzölle, die für Schweizer Produkte gelten, in der Kostenrechnung abfedern. Doch es drängen sich andere Fragen auf: Es gibt kaum mehr bezahlbare Fachkräfte, die dem Schweizer Qualitätsanspruch genügen, zudem müsste die Zulieferkette neu verlötet werden. Am ehesten käme ein Produktionsaufbau im baden-württembergischen Hockenheim infrage, denn da ist die Firma aus Weggis LU bereits mit einem Ableger vertreten. Aber eben: Für Investitionen in eine neue Fertigung von Kaffeeautomaten braucht es Planungssicherheit – und diese ist unter Trump nicht gegeben.

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Gleichwohl müssen Lösungen her. Wenn die Importzölle mittelfristig über 30 Prozent zu liegen kommen, wird es früher oder später zu einer Arbeitsplatzverschiebung von der Schweiz nach Deutschland kommen. Ein Traumziel ist unser nördlicher Nachbar zwar keineswegs, denn auf der anderen Seite des Rheins warten hohe Steuern, übermässige Arbeitskosten und eine wuchernde Bürokratie. Ein Graus für jedes KMU.

Aber es muss ja nicht unbedingt Deutschland sein. Ein Industrieller aus Zürich schaut sich Polen genauer an, immerhin sind dort die Arbeitskräfte nur halb so teuer wie in der Schweiz, und das EU-Land leidet bloss unter einem US-Zollsatz von 15 Prozent. Bei Kuhn Rikon hat man intern schon mal eine Produktion in Mexiko und Vietnam ventiliert, um das tarifarische Klumpenrisiko China, wo man einen Grossteil der Küchenutensilien produzieren lässt, zu entschärfen.

Besonders unter Druck stehen KMU mit starkem Umsatzanteil in den USA, Zulieferer in China oder Indien und ohne Produktion zwischen Boston und San Diego. Die rechnerische Ausgangslage ist simpel: Ein Schweizer KMU erreicht im Schnitt eine Ebit-Marge von 6 bis 8 Prozent. Bei dieser Betriebsmarge lassen sich Importzölle von 30 Prozent oder mehr schlicht nicht verdauen. Die logische Konsequenz: Das US-Geschäft rutscht in die roten Zahlen.

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Personalabbau droht

Der Hyperaktivismus im Weissen Haus verlangt den KMU-Chefs und ihren Teams manche Zusatzstunde ab – und die Drähte zu Lieferanten und zum Handel laufen heiss. Einige haben längst auf externe Berater und Handelsanwältinnen zurückgegriffen, die auf Mandatsbasis zudienen sollen. Gefährlich und vollends unübersichtlich würde es, meint eine Firmenchefin, wenn weitere autokratisch veranlagte Staatsführer – man denke an Indiens Premierminister Narendra Modi oder Chinas Staatspräsident Xi Jinping – ihr Vorbild in Trumps Zollzauber fänden.

Die vertrackte Lage schlägt aufs Gemüt, wie dem Konjunkturindikator PMI von Raiffeisen zu entnehmen ist, der regelmässig die Geschäftslage bei den KMU ausmisst. Mindestens ein Viertel der exportorientierten Betriebe rechnet künftig mit einem geringeren Personalbestand. Mit dem Zollentscheid von Trump haben sich die Beschäftigungsaussichten nochmals deutlich verschlechtert. Für die Schweizer KMU wirds eng.

Über die Autoren
Stefan Barmettler HZ

Stefan Barmettler

Stefan Barmettler

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