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Nach Kursrückschlägen

Wie Hanneke Faber bei Logitech das Steuer herumreisst

Die CEO aus den Niederlanden hat Ruhe in den Elektronik-Konzern gebracht und liefert gute Zahlen. Doch das wird nicht reichen.

Marc Kowalsky

Hanneke Faber Logitech

Logitech macht mehr als ein Viertel des Umsatzes im Bereich Gaming.

Dan Cermak für BILANZ

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Der wichtigste Gegenstand im Leben von Hanneke Faber ist nicht ihr iPhone 16, ist nicht ihr 14-Zoll-Laptop von Dell, ist nicht ihre stählerne Rado-Cerix-Armbanduhr, ein Vintage-Modell. Der wichtigste Gegenstand im Leben der Logitech-Chefin ist ein kleiner schwarzer Rollkoffer Marke Samsonite, dem deutlich anzusehen ist, was er schon alles durchmachen musste. Rund 240 Tage im Jahr ist Faber unterwegs zwischen den Niederlassungen in 150 Ländern, den Produktionsstätten in sechs Ländern und den Entwicklungszentren ebenfalls in sechs Ländern. Die Flugmeilen zählt sie schon gar nicht mehr, die Zahl würde ihr Angst machen, sagt sie. «Würde ich nur im Elfenbeinturm in meinem Büro sitzen, wäre ich kein effektiver CEO», so die 56-jährige Holländerin. Bei all diesen Reisen hat sie lediglich das kleine schwarze Handgepäck dabei. «Trotzdem ist sie immer top gedresst», sagt einer, der mit ihr regelmässig zu tun hat.

«Hanneke arbeitet hart», «sie ist eine Getriebene», «ein Energiebündel», hört man aus Logitechs Teppichetage über die Chefin. Und genau mit ihrer rastlosen Art hat sie wieder Ruhe reingebracht in einen Konzern, der einiges an Turbulenzen hinter sich hat. In der Corona-Zeit erwirtschaftete Logitech Rekordumsätze, weil sich die Leute mit Videoconferencing- und Gaming-Equipment eindeckten. Als nach der Pandemie die Umsätze wegbrachen, verpasste es CEO Bracken Darrell, die Kosten wieder einzufangen; der Aktienkurs schrumpfte auf ein Drittel. Mit dem Wechsel zum Modekonzern VF Corporation kam Darrell im Sommer 2023 seiner Absetzung zuvor. Zeitgleich forderte der Firmengründer und grösste Einzelaktionär, Daniel Borel, lautstark die Absetzung von VR-Präsidentin Wendy Becker, die beiden beharkten sich bis vor Gericht. Hinzu kamen viel zu viele Personalwechsel vom Verwaltungsrat über die Konzernleitung bis ins mittlere Kader.

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Kein Wunder, suchte das Board des schweizerisch-amerikanischen IT-Konzerns jemanden an die Spitze, der sich auf das Wesentliche konzentriert: keine Experimente, sondern die Organisation richtig aufstellen, die Kosten kontrollieren sowie Umsätze und Marktanteile steigern. Seit genau zwei Jahren ist Faber nun im Amt. Um 50 Prozent ist der Kurs der Logitech-Papiere in dieser Zeit gestiegen, deutlich mehr als der Schweizer Börsenindex SMI. Und auch mit dem Nasdaq-Index (der Konzern ist an beiden Börsen gelistet) kann Logitech recht gut mithalten, obwohl dieser durch den KI-Hype massiv befeuert wurde und Logitech nicht als KI-Firma wahrgenommen wird. 6,5 Millionen Franken pro Jahr verdient Faber, viel für einen SMI-Konzern dieser Grösse, aber für US-Massstäbe eher wenig: Der Median für CEOs börsenkotierter Technologieunternehmen liegt dort bei 19,3 Millionen. Klar ist: Für ihr Salär hat Faber geliefert.

Und mit ihrer unprätentiösen Art genau das, was man von ihr erwartet hatte. Etwa was die Kostenkontrolle angeht. Bei Logitech werden unter ihr weniger Flüge gebucht und dafür mehr Videokonferenzen abgehalten – «die nötige Ausrüstung haben wir ja», schmunzelt sie. Die Verträge mit den Unternehmensberatern, die vorher die Flure in Lausanne und San Jose bevölkerten, hat sie auslaufen lassen. «Wenn jemand deine Strategie entwickelt, anschliessend verschwindet, und du musst sie danach umsetzen, dann funktioniert das einfach nicht», so Faber. Auch bei den Temporärangestellten hat sie den Rotstift angesetzt. «Ich bin Holländerin. Ich bin ziemlich kostenbewusst», sagt sie. Ergebnis: Die Margen sind wieder fast so hoch wie im Corona-Rekordjahr 2021. «Logitech hat die Probleme einiger anderer Lieblinge der Corona-Ära wie Zoom oder Peloton vermieden, die danach abgestürzt sind», sagt ein ehemaliger Kadermann.

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<p>Unter Hanneke Faber stieg der ­Aktienkurs von Logitech in zwei Jahren um 50 Prozent.</p>

Unter Hanneke Faber stieg der Aktienkurs von Logitech in zwei Jahren um 50 Prozent.

Dan Cermak für BILANZ
<p>Unter Hanneke Faber stieg der ­Aktienkurs von Logitech in zwei Jahren um 50 Prozent.</p>

Unter Hanneke Faber stieg der Aktienkurs von Logitech in zwei Jahren um 50 Prozent.

Dan Cermak für BILANZ

Doch das sei nicht genug, findet Firmengründer Daniel Borel. «Es ist beunruhigend, festzustellen, dass vom Geschäftsjahr 2023 bis zum Geschäftsjahr 2025 bei einem Nullwachstum der Einnahmen die Investitionen in Forschung und Entwicklung nur um 30 Millionen gestiegen sind, während unsere Gemeinkosten um 40 Millionen explodiert sind!», donnerte er an der Generalversammlung im September. «Mit anderen Worten: Die Bürokratie wächst schneller als die Innovation – ein inakzeptabler Widerspruch.» Doch er anerkennt, dass Faber inzwischen auf dem richtigen Weg ist. «Es wird eine Zeit brauchen», sagt er.

Dabei ist Kostendisziplin seit dem «Liberation Day» und der damit verbundenen Unsicherheit besonders nötig. Zwischenzeitlich bis zu 145 Prozent Zölle legte Donald Trump für Importe aus China fest. Die USA sind mit 30 Prozent Umsatzanteil der wichtigste Markt für Logitech, vier von zehn Produkten für diesen Markt stellt der Konzern in China her. Oder besser gesagt: stellte. Bis Ende Jahr wird Logitech diesen Anteil auf zehn Prozent reduziert haben. Stattdessen produziert man nun mehr in Malaysia, Mexiko, Taiwan, Thailand und Vietnam. «Wir mussten buchstäblich LKWs mit ganzen Produktionslinien über die Grenze fahren lassen», so Faber: «Und wir mussten in den anderen Ländern neue Teams schulen, damit sie die Produkte herstellen können. Bei gleicher Qualität und sehr ähnlichen Kosten.» Trotzdem musste Logitech die Preise in den USA um rund zehn Prozent erhöhen, um die Zölle zu kompensieren. Die amerikanischen Verbraucher schluckten das.

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Die Kosten zu kontrollieren, ist die eine Seite des Erfolgs. Die Einnahmen zu steigern, die andere. Auch hier hat der Konzern zugelegt. Besonders beim Sorgenkind China: Als Faber zu Logitech kam, verlor der Konzern im Reich der Mitte gerade rapide an Marktanteilen. «Wir mussten dort eingreifen», sagt sie. «China for China» heisst das Programm, mit dem sie eingriff, und es bedeutet, Produkte, Marketing und Go‑to‑Market speziell an die chinesische Kundschaft anzupassen. Sprich: lokale Teams, lokale Inhalte, lokale Partnerschaften, lokale Produktion. Parallel wurde der Auftritt in Social Media gepusht und der Community‑Gedanke vorangetrieben, etwa in der Gaming-Szene, aber beispielsweise auch bei jenen Usergruppen, die gerne eine individuelle Tastatur haben möchten (ja, die gibt es!). Ergebnis: Zuletzt lag das Wachstum in China wieder bei über 15 Prozent.

Hanneke Faber Logitech

Einst als Mäuse-Konzern gegründet, setzt Logitech unter CEO Faber heute noch immer jeden fünften Franken mit solchen Gadgets um.

Dan Cermak für BILANZ
Hanneke Faber Logitech

Einst als Mäuse-Konzern gegründet, setzt Logitech unter CEO Faber heute noch immer jeden fünften Franken mit solchen Gadgets um.

Dan Cermak für BILANZ

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Künstlerpech

Stark gepusht hat Faber auch das Geschäft mit Firmenkunden. Seit rund 20  Jahren hatte man es dort schon – eher erfolglos – versucht. Erst seit Corona hat Logitech eine richtige B2-Organisation, Logitech for Business. «Vorher hatten wir nur experimentiert», nennt es Faber, funktioniert hat es nicht wirklich. Dafür jetzt: Heute macht B2B 40  Prozent des Konzernumsatzes aus. Besonders im Bildungsbereich und in der Verwaltung kommt Logitech voran. «Aber es gibt noch viel Aufwärtspotenzial in Bezug auf die Wachstumsraten», hat Faber erkannt. Dass der für das Firmenkundengeschäft Verantwortliche, Prakash Arunkundrum, soeben zu HP gewechselt ist: Künstlerpech.

Bisher weniger erfolgreich war Faber mit ihrem bei Amtsantritt verkündeten Vorhaben, die Marke Logitech ikonisch zu machen. Zwar hat sich die Konsumgüterspezialistin etwa bei Unilever und Procter & Gamble fast ihre ganze Karriere um Marken gekümmert. Aber Mäuse, Tastaturen oder Kameras sind mehr funktional als emotional, das macht ihr Vorhaben nicht einfacher. Also probiert sie es mit einem Umweg: «Die besten Marken sind jeden Tag in der Popkultur präsent. Dafür haben wir einige Massnahmen ergriffen, etwa Partnerschaften mit anderen Kultmarken.» So mit McLaren (Rennwagen), Oreo (Kekse) oder Adobe (Software). Sie hat erkannt, dass das Marketing bisher altmodisch und nicht ausreichend auf soziale Medien und nutzergenerierte Inhalte ausgerichtet war: «Wir machen rasche Fortschritte, besonders in China.» Und sie hat bei den zahllosen Subbrands ausgemistet: «98 Prozent des Unternehmens sind jetzt Logitech.»

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Auch unter Faber lanciert die Firma 35 bis 40 neue Produkte pro Jahr. Sechs Prozent des Umsatzes investiert sie in Forschung und Entwicklung, das ist weniger als der Branchenschnitt (er liegt bei sieben Prozent). Zwar macht Logitech zaghafte Schritte in angrenzende Gebiete wie mit dem Touchscreen Rally Board, einem 65 Zoll grossen Präsentierwerkzeug für Videokonferenzen, oder dem Sensor Spot, der die Belegung von Konferenzräumen erfasst. Aber richtig neue Produktkategorien hat Logitech seit Jahren nicht erschlossen. Und fragt man Faber, auf welche Lancierung sie besonders stolz sei, kommt als Antwort: auf die MX4, die vierte Version einer Maus für besonders anspruchsvolle Büroanwender. Aber die xte Reiteration eines Zeigegerätes wird nicht reichen, um die Marke ikonisch zu machen. «Hardware is hard», heisst es im Silicon Valley nicht zu Unrecht.

1,5 Milliarden Dollar Cash hat Logitech auf der Seite, der Konzern ist de facto schuldenfrei. Das ruft nach einer Akquisition, um die Firma voranzubringen. Doch wichtiger sind Faber Investitionen in organisches Wachstum und in Forschung und Entwicklung sowie eine hohe Dividende: Soeben hat Logitech zum zehnten Mal in Folge die Ausschüttung erhöht. Übernahmen stehen für Faber erst an dritter Stelle: «Wenn das richtige Ziel auftaucht, werden wir handeln», sagt sie: «Aber etwas zu kaufen, nur weil man etwas kaufen möchte, ist keine sinnvolle Verwendung von Aktionärsgeldern.» Immerhin hat sie schon mal einen Head of Mergers & Acquisitions eingestellt. Bereits beschlossen sind weitere Aktienrückkaufprogramme in der Höhe von insgesamt 2,6 Milliarden Dollar in den nächsten drei Jahren. «Das macht mehr als 15 Prozent unseres Börsenwerts aus, gegenüber nur 2,8 Prozent bei Apple und 2,5 Prozent bei Google», schimpfte Daniel Borel an der Generalversammlung: «Das ist eine kurzfristige und gefährliche Sichtweise, anstatt langfristig zu investieren. Typisch für einen Mangel an Weitsicht.» Er sähe lieber Akquisitionen in kleine Technologiefirmen. Doch die Anzahl der Übernahmen von Logitech unter Faber lässt sich an null Fingern abzählen.

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Risiko KI

Seit der Gründung 1981 hat Logitech zwei Hauptsitze, in Lausanne und im Silicon Valley. Der CEO sitzt traditionell in den USA. Auch Faber ist daher kürzlich nach Kalifornien gezügelt, in die Nähe des Headquarters in San Jose. Dort hat sie wöchentlichen Austausch mit Guy Gecht, dem neuen Chairman; die beiden, so hört man, verstehen sich gut. Nach dem Abgang von Bracken Darrell leitete der gebürtige Israeli die Firma für sechs Monate als Interims-CEO. Seine Performance in dieser Zeit wird intern als ordentlich beurteilt, er stabilisierte das Schiff. Doch mit einem Verfallsdatum auf dem Türschild setzt ein CEO keine Akzente.

<p>Hanneke Faber am Firmensitz in Lausanne.</p>

Hanneke Faber am Firmensitz in Lausanne.

Dan Cermak für BILANZ
<p>Hanneke Faber am Firmensitz in Lausanne.</p>

Hanneke Faber am Firmensitz in Lausanne.

Dan Cermak für BILANZ

Faber und Gecht ergänzen sich gut: Sie ist die Marketingfrau, er der Tech-Freak, sie kommt aus dem B2C, er aus dem B2B, sie ist die Corporate Businesswoman, er der Investor und Unternehmertyp. Doch manche sagen, der Logitech-Job sei eine Nummer zu gross für ihn: Zwar amtete Gecht 20 Jahre als CEO einer börsenkotierten Digitalfirma, doch die war nur ein Fünftel so gross wie Logitech. Aber nach den Erfahrungen mit Wendy Becker – sie kam als erste Präsidentin von aussen – wollte man bei Logitech wieder jemanden, der Firma und Leute seit Langem kennt.

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Die Basis für den Wiederaufschwung von Logitech hat Hanneke Faber in den letzten zwei Jahren geschaffen, jetzt muss sie nachlegen. Das Wachstum verstetigen, die Margen halten, B2B weiter ausbauen, China im Auge behalten, all das in einer nachhaltigen Weise (eines ihrer Lieblingsthemen): Das sind ihre nächsten Aufgaben. Die grösste Herausforderung freilich ist noch gar nicht wirklich erkennbar: welchen Einfluss die KI-Revolution auf das Geschäftsmodell des Konzerns hat. Klar, es gibt jetzt auch bei Logitech einen Chief AI Officer, der den Konzern nach Anwendungsmöglichkeiten durchstrählt. Mehr als 1000 KI-Agenten haben die Entwickler inzwischen programmiert, um interne Prozesse zu automatisieren, von Kundendienst über Marketing und Finance bis in die Rechtsabteilung.

Doch das ist nicht das Entscheidende. 44 Jahre ist Logitech alt und damit nach HP, den Chipherstellern Intel und AMD sowie Apple der älteste relevante Hardwarehersteller im Silicon Valley. Zuerst trugen die Eingabegeräte den Konzern, im letzten Vierteljahrhundert kamen noch die Säulen Gaming und Kameras dazu. Doch was passiert, wenn mit der künstlichen Intelligenz diese Schnittstellen an Relevanz verlieren? Wenn die Kommunikation dann hauptsächlich über Sprache und allenfalls Gesten erfolgt? Immerhin: In Audio und Video ist Logitech stark. Faber sieht die Revolution denn auch als Chance: «Wir sind die Augen, Ohren und Hände der KI», hat sie als neue Firmenmaxime definiert. Doch wie das konkret umgesetzt werden soll, weiss auch sie noch nicht. «Mit der KI verändern sich die Dinge so viel schneller als alles, was wir bisher gesehen haben. Jetzt müssen wir die Vision von Logitech finden, um weiterhin die Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine zu sein», sagt Borel und spricht von nicht weniger als «Logitech 2.0». Diese Vision zu finden und umzusetzen, entscheidet über die Zukunft von Logitech. «Hanneke wird daran gemessen werden, was in den nächsten Jahren passiert», sagt Borel.

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Nächster Schritt

Klar ist: Faber will nicht nur sich selbst beweisen, dass sie Logitech erfolgreich neu positionieren kann. Sie will es allen beweisen, um danach noch mal einen Karriereschritt machen zu können. Als Chefin bei einem noch grösseren Konzern, vielleicht sogar bei ihrem alten Arbeitgeber: «Ich will CEO von Procter & Gamble werden», schrieb Faber, damals 23-jährig, auf das Formular, mit dem sie sich um ihren ersten Job bewarb. Ob sie dazu jemals die Gelegenheit haben wird, entscheidet sich in Lausanne und San Jose.

Seit ihrem Umzug ins Silicon Valley ist die fliegende Holländerin nur noch etwa vier Mal im Jahr am Schweizer Logitech-Hauptquartier. Kalifornien–Brasilien–Mexiko–New York–Schweiz–Indien lautet ihre Route gerade, sie ist für fast einen Monat unterwegs. In Mumbai wird sie an einer Hochzeit teilnehmen. Wer indische Trauungsfeierlichkeiten kennt, weiss: Sie dauern in der Regel mehrere Tage und erfordern diverse Outfit-Wechsel. Deshalb nimmt Faber diesmal noch ein Aufgabegepäck mit. «Aber wirklich nur ausnahmsweise», wie sie sagt.

Über die Autoren
Marc Kowalsky

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