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X-Ray – ein Thema in fünf Punkten

Was will die Juso-Initiative?

Was passiert, wenn die Juso-Initiative angenommen wird? Die Folgen einer Einführung einer Erbschaftssteuer, erklärt in fünf Punkten.

Valda

<p>Drei Viertel aller Milliardäre wollen auswandern, sollte das Volk die Juso-Initiative annehmen. Einer davon: Peter Spuhler, Gründer des Eisenbahnkonzerns Stadtler Rail. </p>

Drei Viertel aller Milliardäre wollen auswandern, sollte das Volk die Juso-Initiative annehmen. Einer davon: Peter Spuhler, Gründer des Eisenbahnkonzerns Stadtler Rail. 

keystone-sda.ch

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Am 30. November entscheidet die Schweiz über die Volksinitiative «Für eine soziale Klimapolitik – steuerlich gerecht finanziert». Eingereicht hat sie die Juso. Sie fordert die Einführung einer Erbschafts-und Schenkungssteuer auf nationaler Ebene ab einem Vermögen von 50 Millionen Franken.

Die SP-Jungpartei sagt, Superreiche zerstörten die Zukunft mit Privatjets, Superjachten und klimaschädlichen Milliardeninvestitionen. Sie macht sie für die Klimaerwärmung verantwortlich. Mit der Besteuerung der Erbschaften und Schenkungen sollen, so das Ziel, die benötigten Mittel für einen sozial gerechten Klimaschutz beschafft werden.

 

1. Trifft die Juso-Initiative nur Vermögende mit mehr als 50 Millionen Franken Kapital?

Laut dem Bundesrat leben in der Schweiz rund 2500 steuerpflichtige Personen mit über 50 Millionen Franken Vermögen. Ihr aufsummiertes Vermögen beträgt rund 500 Milliarden Franken. Nach ihrem Tod müssten die Erben auf dem Betrag, der über dem Freibetrag von 50 Millionen Franken liegt, eine 50-prozentige Steuer entrichten. Daraus errechnet sich das theoretische Ertragspotenzial der Erbschafts- und Schenkungssteuer der Juso: mindestens 4 Milliarden Franken.

Jeder Achte mit einem Vermögen zwischen 50 und 100 Millionen Franken würde wegziehen, bei den Milliardären wären es rund 75 Prozent.
Studie der Uni St. Gallen 

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Ökonomen sind sich einig, dass ein Grossteil der Vermögenden ihren Sitz ins Ausland verlegen würde, bevor ein neues Steuerregime greift. Laut Reto Föllmi von der Uni St. Gallen zöge jeder Achte mit einem Vermögen zwischen 50 und 100 Millionen Franken weg, bei den Milliardären wären es sogar rund 75 Prozent. Damit ginge der Schweiz Steuersubstrat von geschätzt 310 Milliarden Franken verloren. Bund und Kantone nähmen 2,1 Milliarden Franken weniger ein als heute. Alle Haushalte wären betroffen.

2. Wer würde wegziehen, sollte die Initiative angenommen werden?

Stadler-Rail-Präsident Peter Spuhler hat als erster prominenter Unternehmer angekündigt, dass er wegziehen würde, falls die Initiative angenommen würde. Sein Vermögen wird von der «Bilanz» auf 3,75 Milliarden Franken geschätzt. Seine Erben müssten im Erbfall oder bei einer Schenkung 1,5 bis 2 Milliarden Franken Steuern berappen.

Im Gespräch mit der «Sonntagszeitung» sagte Spuhler, das Land seiner Wahl wäre Österreich oder Italien. Auch Willy Michel, Mehrheitseigentümer der Firma Ypsomed, würde die Schweiz verlassen, sagte sein Sohn Simon Michel der Handelszeitung. Er kenne keinen, der nicht einen Wegzug in Betracht ziehen würde.

Der Zürcher Wim Ouboter, Gründer von Micro Mobility System (Microlino, Micro Scooter), hat ebenfalls einen Wegzug in Aussicht gestellt. Auch bei Economiesuisse haben sich Unternehmerpersönlichkeiten geoutet, die betroffen wären und einen Wegzug erwogen haben dürften. So etwa Franziska Tschudi Sauber (Weidmann Holding), Stefan Scheiber (Bühler Group), Marco Sieber (Siga AG) und Andreas Hug (Hug AG).

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3. Fehlt dem Bund heute Geld bei der Umsetzung der Klimapolitik?

Die Schweiz gibt jährlich 2 Milliarden Franken an Staatsmitteln aus. Das Hauptinstrument zur Erreichung der Klimaschutzziele ist die CO2-Abgabe. Sie wird seit 2008 erhoben. Sie verteuert fossile Brennstoffe und setzt so Anreize zum sparsamen Verbrauch und zum stärkeren Einsatz CO2-neutraler oder CO2-armer Energieträger. Jährlich wird ein Drittel der Einnahmen in Renovationen und in die Förderung erneuerbarer Energien investiert, weitere 25 Millionen Franken fliessen in Innovationen (Technologiefonds).

Teil der Klimapolitik ist darüber hinaus der Emissionshandel, um Treibhausgase zu senken. Bei Autos gelten seit 2025 für den Import strengere CO2-Ausstoss-Grenzwerte. Zwei Drittel der CO2-Abgaben werden zurückerstattet.

Den grösseren Beitrag zur Reduktion des Ausstosses von Klimagasen dürfte allerdings nicht der Staat leisten, sondern Private und Unternehmen. Sie verändern ihr Verhalten und investieren in den Klimaschutz. Laut einer KOF-Studie haben 72 Prozent aller befragten Schweizer Unternehmen Klimainvestitionen geplant.

4. Was wären die Folgen für die Schweizer Wirtschaft?

Die grössten Folgen dürften Unternehmen in Familienbesitz zu gewärtigen haben. Der Grossteil ihres Vermögens ist gebunden. Im Erbfall würden die Nachkommen Erbschaftssteuern in Millionenhöhe schulden, ohne über bares Geld zu verfügen. Um sie zu bezahlen, müssten sie ihre Firmen an die Börse bringen, Teile abspalten oder die Firma ganz verkaufen. Familiengeführte, mittelgrosse Unternehmen könnten verloren gehen.

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Juso-Exponenten argumentieren, dass die Erben problemlos Kredite aufnehmen könnten, um die Erbschaftssteuer zu finanzieren. Diese Lösung brächte laut Fachleuten aber grosse Probleme: Erstens würden sich die neuen Eigentümer über Jahrzehnte verschulden, der Firma würde über Zinsen Risikokapital entzogen. Zweitens würden Kreditgeber über die Firma mitbestimmen, Autonomie ginge verloren. Und drittens wären die Erben noch stärker verschuldet als heute, weil sie parallel zur Steuerschuld die Miterben auszahlen müssten. Gemäss Ökonom Föllmi wären nicht kotierte Industriefirmen am stärksten betroffen.

5. Wo sind Milliardäre als Reaktion auf massive Steuererhöhungen in hoher Zahl ausgewandert?

Dass Vermögende abwandern, wenn Steuern massiv erhöht werden, zeigt sich in Norwegen und Grossbritannien. In Norwegen wurde 2022 die Vermögenssteuer verdoppelt, und gewisse Besteuerungsregeln für Aktionäre wurden verschärft. Die Regierung versprach 2023 einen Steuermehrertrag von 150 Millionen Dollar jährlich.

Daraufhin verliessen Hunderte vermögende Unternehmer das Land. Sie nahmen umgerechnet rund 54 Milliarden Dollar Vermögen ins Ausland mit, wie das Onlinemedium «Citizen Magazine» schreibt. Daraus entstand dem Staat ein Steuerverlust von zuletzt 0,6 Milliarden Dollar jährlich. Die Folgen für die Wirtschaft sind noch nicht absehbar, aber der Staat steht vor einer schwierigen Situation.

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Ähnliches passiert in Grossbritannien: Die dortige Regierung änderte 2024 die Steuerregeln und zielt auf Vermögende mit Einkommen von über 5 Millionen Pfund. Um sich der höheren Besteuerung zu entziehen, verliessen seither 16’500 Multimillionäre das Land und nahmen 66 Milliarden Pfund mit.

Fazit

Die Abstimmung über die Juso-Initiative hätte bei der Annahme ernste Konsequenzen für Vermögende und Unternehmerfamilien, die stark in Betriebe investiert sind. Diese Kreise würden in einer hohen Zahl aus der Schweiz abwandern und steuerbares Vermögen verlagern. Damit ginge dem Fiskus in den Kantonen ein grosser Betrag verloren. Als Folge müssten die Staatsausgaben reduziert oder die Steuern erhöht werden.

Die grössten finanziellen Konsequenzen dürften der Mittelstand und der obere Mittelstand gewärtigen, die für über 70 Prozent der Steuereinnahmen aus der Einkommensteuer aufkommen.

Eine weitere Folge wäre das Zerschlagen von familiengeführten Industriebetrieben. In der Nachfolgeregelung würden Teile ins Ausland veräussert oder an die Börse gebracht, um für Steuerschulden aufkommen zu können. Dies dürfte zu einem Abbau von Industriearbeitsplätzen sowie zu Investitionen in den Werkplatz Schweiz führen.

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Ob die Klimaerwärmung gemindert würde, ist nicht vorhersehbar.

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Valda

Andreas Valda

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