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Spin-offs unter der Lupe

Was eine Trennung zum Erfolg macht

Holcims Abspaltung des US-Geschäfts bestätigt den Trend zur Fokussierung. Die Vergangenheit zeigt, dass bei Spin-offs die Rechnung oft aufgeht.

Loick von Arxrop

Loick von Arx

& Peter Rohner

<p>Jan Jenisch, der ehemalige CEO und VRP von Holcim, hält nun bei der abgespaltenen Amrize die Zügel in der Hand.</p>

Jan Jenisch, der ehemalige CEO und VRP von Holcim, hält nun bei der abgespaltenen Amrize die Zügel in der Hand.

Keystone

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Scheiden tut weh. In der Wirtschaft nicht zwingend. Für die Schweizer Börse etwa war der 23. Juni ein Freudentag. Denn sie ist um einen Titel reicher geworden. Durch Holcims Abspaltung des US-Geschäfts ist ein selbstständiges Unternehmen namens Amrize entstanden, dessen Aktien in Zürich und in New York gehandelt werden. Rund 22 Milliarden Franken Börsenwert bringt die US-Einheit auf die Waage und ist somit auch Mitglied des Swiss Market Index (SMI), der die Entwicklung der grössten Schweizer Aktien abbildet.

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Für Holcim-Aktionäre ist der 23. Juni ebenfalls kein Trauertag, obwohl sich der Holcim-Kurs halbiert hat. Sie haben im Rahmen des Spin-offs für jede Holcim-Aktie einen Anteilsschein der neuen Amrize erhalten, am Gesamtwert hat sich nichts verändert. Ausserdem können sie darauf hoffen, dass sich die beiden Unternehmen getrennt besser entwickeln als unter einem Dach. ABB und Novartis haben es vorgemacht. Ihre jüngsten Spin-offs Sandoz und Accelleron florieren, ohne dass es dem Mutterkonzern massiv schlechter geht, was sich auch in den Aktienkursen niederschlägt.

Holcims Abspaltung passt zum Trend. Generell sind Veräusserungen en vogue. Die Zeiten von «the bigger, the better» und von Streben nach Synergieeffekten sind vorbei. «Fokussierung statt Diversifikation» lautet die Devise. Spin-offs – also die Ausgliederung von Unternehmensteilen durch eine Ausschüttung der Aktien an die bestehenden Aktionäre – haben sich als häufigste Veräusserungsform bei börsenkotierten Gesellschaften etabliert. In den letzten Jahrzehnten hat ihre Anzahl weltweit stark zugenommen. Das jährliche Volumen von Veräusserungsdeals – mehrheitlich Spin-offs – hat sich seit den 90er-Jahren auf 1,5 Billionen Dollar verdreifacht.

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Begonnen hat der Abspaltungstrend hierzulande in der Pharmabranche vor etwa dreissig Jahren – mittlerweile sind Spin-offs kein branchenspezifisches Phänomen mehr. Und während früher bei Spin-offs eher die Simplifizierung im Vordergrund gestanden hätte, gehe es immer öfter auch um geografische Kriterien, sagt Anna Mattsson, Partnerin bei McKinsey und Expertin für Fusionen und Übernahmen. Amrize ist das beste Beispiel für diesen Trend.

Das heisst aber nicht, dass Spin-offs für sich allein eine Garantie für Wertsteigerungen sind. Damit die Abspaltung sowohl operativ als auch an der Börse ein Erfolg wird, muss vieles zusammenpassen. Die Grundsatzfrage, die sich ein Unternehmen stellen müsse, ist laut Mattsson: «Was ist das Kerngeschäft und kann dieses in einer anderen Eigentümerstruktur besser gedeihen?» Erfolgsfaktoren für ein Spin-off seien eine klare Strategie mit einer überzeugenden Story gegenüber Investoren. Wichtig sei vor allem auch, die Mitarbeitenden «mitzunehmen», sagt sie. «Sie werden Teil eines neuen kotierten Unternehmens, das kann enorm motivierend sein.»

Mehrwert durch Fokussierung und bessere Anreize

Die beste Voraussetzung für eine erfolgreiche Auftrennung haben Konglomerate mit unterschiedlichen Geschäftsfeldern. Ein typisches Beispiel ist der Industriekonzern Siemens, der erst die Medizintechniksparte und dann die Energiesparte separat an die Börse gebracht hat. «Je grösser die Unterschiede der einzelnen Geschäftsbereiche sind, desto mehr Sinn ergibt eine Abspaltung», sagt Peter Heim, Verwaltungsratspräsident des Fonds Keynote Funds, der sich auf Spin-offs fokussiert. Dabei seien nicht nur die Unterschiede betreffend Branchenzugehörigkeit massgebend, sondern auch jene betreffend Kapitalintensität, Wachstum und Marge. Durch eine Abspaltung kann sich auch die Aktionärsbasis verändern. Etwa wenn ein Bergbaukonzern sein Kohlegeschäft abstösst und dadurch auch für Investoren mit Nachhaltigkeitszielen infrage kommt.

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In der Theorie gibt es gute Gründe, weshalb Spin-offs Mehrwert schaffen und für Anleger attraktiv sind. «Durch die Fokussierung kommt es zu operativen Verbesserungen, und der Alleingang setzt eine andere unternehmerische Dynamik in Gang», sagt Heim. An der Börse ist der Bewertungsabschlag für Konglomerate entscheidend, der durch die Abspaltung verschwindet. Denn Investoren verstehen fokussierte Unternehmen besser und bezahlen in der Regel mehr dafür. Die Summe der Einzelteile ist damit mehr wert als das Ganze.

In der Praxis ist die Sache aber weniger klar. Laut Heim erzielen die Aktien von Spin-offs im Durchschnitt zwar über ein, zwei und drei Jahre eine Überrendite, unabhängig von der Marktsituation. Doch die Dispersion der Renditen sei gross, und die durchschnittliche Überrendite klein. Sie kommt dadurch zustande, dass die besten Spin-offs die Vergleichsgruppe deutlicher schlagen, als die schlechtesten unterlegen sind. Der Median ist hingegen nahe null. «Nur etwa die Hälfte aller Spin-off-Aktien erzielen eine Mehrrendite», sagt Heim. Zu einem ähnlichen Schluss kommt eine Auswertung von McKinsey. Die Chancen stünden etwa 50 zu 50, dass die getrennten Einheiten gemessen am gemeinsamen Börsenwert drei Jahre nach der Spin-off-Ankündigung die Konkurrenz schlagen, heisst es dort. Dass sowohl der Mutterkonzern als auch die Tochter besser abschneiden als ihre Vergleichsgruppe, komme in 30 Prozent der Fälle vor.

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Dass die Rechnung nicht immer aufgeht, hat vor allem mit den Kosten zu tun, etwa durch den Verlust von Synergien und den Aufwand im Zusammenhang mit der Kotierung. Da Letzterer bei kleinen Unternehmen stärker ins Gewicht fällt, sind Spin-offs von sogenannten Micro-Caps selten eine Erfolgsgeschichte. «Schlechte Voraussetzungen sind auch hohe Schulden und Altlasten, wie zum Beispiel Umweltverschmutzungen oder Asbestklagen», sagt Heim. Als Faustregel bei den Schulden gelte, dass die Nettoverschuldung nicht mehr als dreimal so hoch sein sollte wie der Gewinn auf Stufe Ebitda.

Manchmal ist ein Verkauf die bessere Option

Ein häufiger Knackpunkt für das Management ist die Ausgestaltung des Transaction Service Agreements, in dem die Verantwortlichkeiten beider Unternehmen nach der Ausgliederung definiert werden. Auch die Verteilung der Kernmitarbeitenden und die Entflechtung der IT-Infrastruktur, die sich regelmässig als kostspielig und zeitintensiv erweist, will gut geplant sein. Studien zeigen, dass die Performance des Spin-offs tendenziell umso besser ist, je weniger Zeit verstreicht zwischen dem Entscheid zu einer Abspaltung und der Kotierung. Doch nicht immer ist ein Spin-off der beste Weg, um sich von einer Geschäftseinheit zu trennen. In manchen Fällen erweist sich ein Verkauf als sinnvoller: Die Muttergesellschaft profitiert unmittelbar von Liquidität, und es entstehen keine Kosten für eine Börsenkotierung.

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Da die Tage des diversifizierten Konglomerats zu Ende gehen, sind es nun die Investoren, die sich um die Diversifikation kümmern müssen, nicht das Management. Jan Jenisch, CEO und Präsident von Amrize, der bereits bei Holcim die Doppelrolle innehatte, kann sich jetzt voll auf das Wachstum in den USA konzentrieren.

Über die Autoren
rop

Peter Rohner

Peter Rohner

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