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Erneut winkt die Weko eine Übernahme durch. Das wirft viele Fragen auf. Eine Analyse über Sinn und Funktion der Weko in fünf Punkten.
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Die Wettbewerbskommission (Weko) hat der Übernahme von Hotelplan durch Dertour grünes Licht erteilt. Trotz wachsender Marktmacht des deutschen Reisevermittlers sieht sie den Wettbewerb nicht gefährdet. Wer Ferien buchen will, kann auf genügend andere Kanäle ausweichen, etwa auf Onlineplattformen wie Airbnb und Booking.com. Der neue Riese wird zwar stark, aber nicht beherrschend im Schweizer Reisemarkt. Doch was bedeutet «marktbeherrschend» genau? Und wie wird der sogenannte relevante Markt definiert? Wie funktioniert die Weko, und wie oft musste sie schon eingreifen?
Wettbewerb fördert Innovation sowie Effizienz und sorgt für Auswahl, faire Preise und damit letztlich für Wohlstand. Monopole, Kartelle und Absprachen hingegen schaden der Gesamtwirtschaft. Das beschrieb Adam Smith, der Vater der Ökonomie, schon im 18. Jahrhundert. Auf dieser Idee basiert auch das Kartellgesetz, das die Schweiz seit 1962 kennt. In den 1990er-Jahren wurde es revidiert und durch das Binnenmarktgesetz ergänzt. Wichtiger Bestandteil des 1996 in Kraft getretenen neuen Kartellgesetzes war die Schaffung einer Behörde mit der Möglichkeit, Verfügungen zu erlassen und Sanktionen zu verhängen.
Es war die Geburtsstunde der Weko. Sie wacht seither über die Einhaltung der Wettbewerbsregeln, bekämpft Abreden unter Konkurrenten, sorgt für Marktöffnungen und schützt vor Missbräuchen durch Monopole und marktbeherrschende Unternehmen. Sie ist eine Milizbehörde, bestehend aus zwölf vom Bundesrat gewählten Juristen, Professorinnen und Ökonomen. Dazu gibt es ein siebzigköpfiges Sekretariat, das die kartellrechtlichen Verfahren durchführt und die Entscheide vorbereitet.
In der Regel wird die Weko aktiv, wenn sie Hinweise auf kartellrechtswidriges Verhalten erhält, sei es von Unternehmen, Behörden, Whistleblowern oder anderen Personen. Gegen einen Weko-Entscheid kann Rekurs eingelegt werden. So wehrt sich die Swisscom gegen einen Beschluss der Kartellbehörde im Streit um die Öffnung der Glasfasernetze. Letzte Instanz ist das Bundesgericht.
Laut eigener Darstellung trug die Arbeit der Weko massgeblich zur Öffnung der Strom- und Gasmärkte bei. Die Entscheide zu Gaba, BMW und Nikon machten Parallelimporte möglich und öffneten die Märkte gegenüber dem Ausland. Allein im Beschaffungswesen deckte die Weko bei über zweitausend Bauprojekten Absprachen auf. Mit dem Entscheid zur Interchange-Fee für Debitkarten sorgte sie dafür, dass die Gebühren im Zahlungsverkehr tief gehalten werden. Sie drückte der UPC wegen des Marktmissbrauchs bei Übertragungsrechten von Eishockey eine 30-Millionen-Busse auf. Dieses Jahr büsste die Weko 16 Detailhändler wegen Preisabreden im Zusammenhang mit der Markant AG mit total 28 Millionen Franken.
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Zu den Kernaufgaben gehört die wettbewerbliche Prüfung von Fusionen. Diese müssen ab einer gewissen Deal-Grösse gemeldet werden. Gibt es Anhaltspunkte, dass eine marktbeherrschende Stellung entstehen könnte, kommt es zu einer vertieften Prüfung. Erst dreimal hat die Weko eine Fusion verhindert: jene zwischen Sunrise und Orange 2010, zwischen Ticketcorner und Starticket 2017 und schliesslich vor zwei Jahren die geplante Übernahme der Quickmail durch die Post. Eine Absage erteilte die Weko auch dem Einstieg der «Berner Zeitung» bei «20 Minuten» im Jahr 2004, das Urteil wurde aber von den Gerichten aufgehoben. In sechs weiteren Fällen sah die Weko den Wettbewerb gefährdet, liess die Fusion aber zu, da sonst ein Konkurs mit gleichem Wettbewerbseffekt drohte.
Auch bei der CS-Übernahme durch die UBS stellte sie Bereiche fest, in denen die UBS eine marktführende Stellung erreicht, und forderte eine vertiefte Untersuchung. Doch bei Bankenfusionen kann die Finma die Kontrolle an sich ziehen – was sie dann auch tat. Sie hatte keine kartellrechtlichen Bedenken und genehmigte die Fusion ohne Auflagen.
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Die entscheidende Frage für die Weko ist bei der Fusionskontrolle die nach der marktbeherrschenden Stellung. Sie liegt gemäss Kartellgesetz dann vor, wenn Unternehmen auf einem Markt in der Lage sind, sich von anderen Marktteilnehmern «in wesentlichem Umfang unabhängig zu verhalten». Der Monopolist mit 100 Prozent Marktanteil kann schalten und walten, wie er will. Der Marktanteil gibt einen Überblick, ist aber nicht das einzige Kriterium. Ein Anteil von 50 Prozent gilt als Indiz für eine marktbeherrschende Stellung, doch dies muss im Einzelfall beurteilt werden.
Bei der Quickmail-Übernahme wurden jene Märkte analysiert, in denen der gemeinsame Marktanteil der beteiligten Firmen über 20 Prozent lag. Der relevante Markt wird dabei sachlich und regional abgegrenzt. Welche Produkte stehen im Wettbewerb zueinander, findet er lokal, national oder international statt? In der Frage des sachlich relevanten Markts ist entscheidend, ob die Produkte substituierbar, also austauschbar sind. Denn dann gibt es Ausweichmöglichkeiten.
Angewandt auf den Fall Hotelplan-Dertour bedeutet dies: Grob geschätzt ist der Schweizer Markt für Ferien- und Freizeitreisen rund 10 Milliarden Franken schwer. Davon werden etwa 2,5 Milliarden von hiesigen Reiseveranstaltern erwirtschaftet. In diesem – eher kleinen – Kuchenstück sind Hotelplan, Dertour (Kuoni) und TUI Suisse drin. Das viel grössere Stück aber, geschätzte 7,5 Milliarden Franken, wird individuell und online gebucht – mal über grosse ausländische Onlineplattformen, mal direkt bei Airlines, Hotels, Ausflugs- und Tourenportalen. Wer nun also den ganzen Kuchen anschaut, kann – wie die Weko – zur Ansicht gelangen, dass eine Konzentration im kleineren Teil nicht zu einer marktbeherrschenden Verschiebung führt.
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Dazu kommt: Klassische Pauschalreisen wandern tendenziell ins Internet ab und sind heute eine Art Ferien-Commodity. Heisst: Hier zählt vor allem der Preis. Bei der Produktion günstiger Ferien-Päckli sind europaweit tätige Player im Vorteil, weil sie viel grössere Volumen einkaufen können als rein schweizerisch operierende Veranstalter. Davon profitieren aber auch hiesige Ferienmacherinnen und -macher: Sie können den Onlinesprung über die Landesgrenzen locker machen und so die Reisen bei solchen Giganten kaufen. Sie haben eine Auswahl. Kurz: Aus Kundensicht spielt der Wettbewerb – auch wenn nun alle drei grossen hiesigen Reiseveranstalter deutschen Konzernen gehören.
Fairer Wettbewerb herrscht, wenn Konsumenten echte Wahlmöglichkeiten haben und die Preise nicht durch versteckte Absprachen verzerrt sind. Das zu klären, ist Aufgabe der Weko. In der Causa Hotelplan-Dertour hatte sie keine Bedenken. Auch Helvetia und Baloise können wohl mit dem Weko-Segen rechnen. Es bleibt damit bei den insgesamt drei Fusionen, welche die Weko bisher verhindert hat. Zahnlos ist die Behörde allerdings nicht, was die zahlreichen Auflagen und Bussen belegen. Derzeit ist das Kartellgesetz in Überarbeitung: Im Juni hat der Nationalrat als Zweitrat dem Vorschlag seiner Kommission zugestimmt. Nun kommt das Geschäft in der Herbstsession zur Differenzbereinigung. Im Zentrum steht die Schädlichkeitsprüfung. Absprachen sollen nicht mehr automatisch verboten sein, sondern nur, wenn sie tatsächlich dem Wettbewerb schaden. Laut den Wirtschaftsverbänden stärkt die Reform die Treffsicherheit des Kartellrechts. Linke fürchten eine Aufweichung.
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