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Wurzeln bis ins Jahr 1590, heute die frechste Bank der Schweiz: Peter Raskin und Aurelia Rauch positionieren Bergos für die Next Generation.
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Vor drei Jahren an der Street Parade war es, ein halbes Dutzend Raver suchen einen Platz, um die Blase zu entleeren, und pinkeln in eine von der Stadt platzierten Rinne direkt an der Wand der Privatbank Bergos – sie liegt im Zürcher Seefeld und damit nahe der Route des Umzugs. Das Foto findet auf mehreren Wegen zur Bank, was dort Unruhe auslöst. Denn potenziell ist das Pinkelbild eine Blamage für das noble Finanzinstitut und könnte in den sozialen Medien Häme auslösen.
Was aber macht Aurelia Rauch, die in der Führung der Bank für den Aussenauftritt verantwortlich ist? Sie dreht das Ganze mit einer gehörigen Portion Humor ins Positive. Gleich am Sonntagmorgen nach der Street Parade kontaktiert sie ihren Chef Peter Raskin, CEO der Bank. Die beiden beschliessen, sofort zu reagieren – und posten das Bild von sich aus auf LinkedIn. Sie schreiben dazu: «Bergos – your strong wall when you really need one! Glad to ‹support›! We feel we were really an important part of Zurich’s Street Parade 2022 – one of our hometown’s favorite events.»
«Die Reaktionen waren grossartig», sagt Rauch. Der Post löste Hunderte von Likes, Reposts und Kommentaren aus, und viele gaben Vorschläge für andere witzige Titel, wie etwa «Bergos – your bank for liquidity». Auch die Presse nahm die Sache mit Humor. Am Montag darauf schrieb das Branchenportal «Finews»: «Die Zürcher Bankbranche konnte auch an der diesjährigen Technoparty wertvolle Dienste leisten.» Das Ganze wurde für Bergos zu einem vollen Erfolg.
Die Episode, und wie sie von der Bankspitze gelöst wurde, ist mehr als nur eine Anekdote. Hintergrund ist der generelle Plan, eine Traditionsbank neu zu positionieren, indem man mit Traditionen bricht und mit einem frechen und frischen Ansatz neue, jüngere Kunden anspricht. Das macht die kleine Bank zu einer interessanten Case Study.
Die Wurzeln der Bergos Bank reichen zurück bis ins Jahr 1590 und die Gründung der Joh. Berenberg, Gossler & Co. KG in Hamburg, der ältesten Bank Deutschlands und der zweitältesten der Welt (nach der 1472 gegründeten Monte dei Paschi di Siena). Die deutsche Bankengruppe hatte auch in die Schweiz expandiert und hier 1988 eine Tochtergesellschaft gegründet. Als die Mutter 2017 beschloss, die Schweizer Dependance zu verkaufen, tat sich Raskin, schon seit 2009 CEO der Bank, mit einer Gruppe Schweizer Unternehmer zusammen, um die Bank zu übernehmen. Seit 2021 vollständig von der Mutter getrennt, gab sich die Bank den Namen Bergos, zusammengesetzt aus den Namen Berenberg und Gossler. «Wir sind gleichzeitig die älteste und die jüngste Bank der Schweiz», sagt Raskin.
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Die Aktionäre der Bergos Bank sind bekannte Unternehmerfamilien.
Die deutsche Traditionsbank Berenberg gründete 1988 eine Schweizer Tochter mit dem Namen Berenberg Finanz AG, aus der später die Berenberg (Schweiz) wurde. 2017 beschloss die Bankführung in Deutschland, die Schweizer Tochter zu verkaufen, um ihre Komplexität zu reduzieren. Im September erhielt Peter Raskin, der schon seit 2009 als CEO fungierte, den Auftrag, die Bank zu verkaufen. Doch der hatte eine andere Idee: Zusammen mit Investoren wollte er die Bank selbst übernehmen. Er kontaktierte Michael Pieper, Besitzer des Küchengeräteherstellers Franke, der schon seit 1993 im Verwaltungsrat Einsitz hatte und das Unternehmen bestens kannte. Das war der Startschuss für ein Buy-out, dem sich bald auch Adrian Keller, Mitinhaber der Diethelm Keller Group, sowie weitere Investoren aus dem Umfeld der Bank wie Andreas Jacobs anschlossen. Keller kannte Berenberg schon aus seinen Zeiten als Investmentbanker in New York in den 1980er Jahren und wirkte seit 2006 auch im Verwaltungsrat der Schweizer Tochter. Die Idee hinter dem Kauf: eine Bank für Unternehmerfamilien zu gründen, die sich ganz spezifisch auf deren Bedürfnisse konzentriert.
Die in Hamburg beheimatete Berenberg Bank ist seit jeher stark in der Schifffahrtsfinanzierung tätig, und viele reiche Vertreter der internationalen Reedereibranche suchten für ihre private Vermögen auch Private-Banking-Dienstleistungen. Auch die Schweizer Investoren kannten die Bank in vielen Fällen bereits auch als Kunden. CEO Raskin ist mit fünf Prozent beteiligt.
Der Kauf erfolgte in zwei Schritten: 2018 erwarb die Investorengruppe zunächst 80,1 Prozent. Die Bank nannte sich fortan Bergos Berenberg. 2021 dann folgten der Kauf der restlichen Aktien und die endgültige Loslösung von der deutschen Muttergesellschaft. Seither heisst die Bank nur noch Bergos.
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Doch mit der Namensänderung sollte es nicht getan sein – die Bankführung beschloss, sich gezielt neu zu positionieren. Denn sie hatte erkannt, dass die Bank zwar profitabel ist, sich für die Zukunft aber weiter wappnen muss. «Traditionelle hierarchische Strukturen sind für die Entwicklung der Bank eher hinderlich», sagt Raskin. Als relativ kleine Bank wäre man dadurch bei der Rekrutierung von Kundenberatern und dem «War of Talents» eher benachteiligt. Also werde man ein eigenes Talentmanagement aufbauen und sich auch auf die Next-Gen-Leute fokussieren, liess Raskin schon 2020 in Interviews wissen. Mit der Next Gen ist im allgemeinen Sprachgebrauch die Generation der unter 35-Jährigen gemeint, also die Generation Z und der jüngere Teil der Millennials. Diese Generation wird auch in finanzieller Sicht eine wachsende Bedeutung bekommen. Denn laut einer Studie des Beratungsunternehmens EY von 2024 steht derzeit «der grösste Vermögenstransfer der globalen Finanzgeschichte» bevor – das Vererben der Vermögen der Babyboomer. Bis 2030 werden laut EY weltweit geschätzt 18'000 Milliarden US-Dollar übertragen werden.
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Auch Bergos hat viele solche Kunden, wohlhabende Unternehmerfamilien, immer noch viele auch aus Deutschland, bei denen ein Generationenwechsel ansteht. «Oft wissen die Eltern genau, was sie an wen und wie übertragen. Aber die Kinder sagen uns: ‹Wir wissen gar nicht, was wir dann damit anfangen sollen›», sagt Raskin. Um für die Next Generation attraktiv zu werden, setzt Bergos auf zwei Ebenen an. Im Innern durch das Aufbrechen von starren Organisationsformen und die Bildung eines Teams von jüngeren Kundenberatern – im sogenannten Next Team sind alle unter 35 Jahre, die jüngste ist 24. Wichtig sei, dass diese Berater «lebensoffene Menschen», seien, «die in die Welt der Kunden eintauchen können», sagt Raskin. Quasi am anderen Ende des Generationenspektrums gibt es den «Olymp» – das sind langjährige, sehr wohlverdiente Kundenberater, die grosse unternehmerische Freiheiten geniessen und sich vor allem um viele Jahre bestehende Kundenbeziehungen kümmern.
Für die Neupositionierung hat die Bankspitze neue, für die Bankbranche ungewöhnliche Funktionen geschaffen, für Rauch etwa jene des Chief Experience Officer (CXO), eine Bezeichnung, die eigentlich aus dem Tech-Sektor stammt. Aufgabe eines CXO ist es, eine nahtlose «Client Experience» zu bieten. Das geht von der Website über die E-Mails bis hin zur Schärfung des Brands: «Überall, wo der Kunde der Marke begegnet, soll er ein einheitliches Erlebnis haben», so Rauch.
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Rauch ist keine Bankerin, sondern stammt aus der Welt der Kunst. Die 1984 in Bergisch Gladbach geborene Deutsche studierte Kunstgeschichte in Münster und jobbte, um ihr Studium zu finanzieren, unter anderem als Museumsführerin in der Kunsthalle Bielefeld. Dort traf sie mit dem damaligen Museumsleiter Thomas Kellein auf einen Mann, der einer ihrer Förderer werden sollte.
Denn Kellein liess sich nach verschiedenen Stationen in der internationalen Kunstwelt 2013 zu Berenberg locken, wo er seither als Leiter der Abteilung Art Consult internationale Sammler und Sammlerinnen strategisch berät und nach Trends im Kunstmarkt Ausschau hält. Investitionen im Kunstbereich gehören zu den Kernbereichen der Bank, und als Kellein eine zusätzliche Arbeitskraft braucht, kontaktiert er Rauch. Die ist zu jener Zeit Kreativdirektorin für die Galerie Sperone Westwater in New York. Als sie im Sommer 2017 nach Zürich kam, habe sie sich sofort in die Stadt verliebt: «Es war prächtiges Wetter, die Leute sassen draussen in den Strassencafés oder mit einem Glas Wein am See – diese elegante Lebensfreude hat mir sehr gefallen.» 2018 trat sie ihren Job im Team von Kellein als Senior-Beraterin im Bereich Art Consult an.
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Im Herbst 2018 kam es zum Verkauf der Bank, und das musste gegen aussen kommuniziert werden. Wer schreibt die Pressemitteilung?, fragte sich die Bankspitze, denn gute Banker sind nicht unbedingt auch gute Schreiber. Vielleicht Kellein? Dieser holte sofort Aurelia Rauch mit ins Boot, die aus vergangenen Tätigkeiten Kommunikationserfahrung hatte. Es war der Ausgangspunkt für eine Entwicklung, die Rauch bis ins Executive Board der Bank führen sollte.
Rauch habe ihre Chefs darauf hingewiesen, dass man den gesamten Aussenauftritt und die neue Marke anpacken müsse. Sie sagte: Pressemitteilung sei gut, aber was ist mit der Webpage, was mit Social Media, was mit dem Markenauftritt? Eine der dringlichen Fragen war auch der neue Werbeauftritt. Man beschloss, eine Agentur zu beauftragen, und Rauch sollte dafür mit ein paar Beispielen aufzeigen, was sich die Bank in etwa vorstellte. Doch diese Vorschläge waren so einfallsreich, dass die Bankspitze zum Urteil kam, das sei doch bereits das, was man wolle. Man beschloss, das Ganze Rauch anzuvertrauen. Es entstanden jene Sujets, die heute in der Branche so sehr für Aufmerksamkeit sorgen.
Das sind Sachen wie «Girls just wanna have funds», basierend auf dem Song «Girls just wanna have fun» der US-Sängerin Cindy Lauper aus dem Jahre 1983. Eine Stossrichtung ist auch, auf aktuelle Situationen mit einem Sujet zu reagieren. Zu Zeiten der CS-Krise etwa mit dem Sujet «Under pressure. A great song from 1981. Not a great headline for a bank».
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Mal beim Brainstorming oder sogar Herumblödeln mit einer Arbeitskollegin, mal beim Joggen oder Meditieren oder auf einer Heimfahrt im Taxi von irgendeinem langweiligen Kongress kommt Rauch auf ihre Ideen, oft auch im Austausch mit Raskin. Er habe den «Can-do Spirit», lobt sie ihren Chef. Die beiden haben den gleichen Humor, das merkt man im Gespräch, das mit beiden gemeinsam in der Bank stattfindet. Nur selten legt der CEO bei einem Vorschlag von Rauch sein Veto ein. Bei «Wow!!! Great ass-et strategy! You like it well-rounded? So do we», stoppte der CEO seine quirlige CXO und sagte Nein. Für sie völlig okay, aber ein wenig stolz bleibt sie auf die Idee: Sie kramt in ihren Papieren und zeigt das Sujet, während in ihren Augen der Schalk aufblitzt und ihr Blick «Gell, wäre aber schon cool gewesen? zu fragen scheint.
Adrian Keller, über die Diethelm Keller Group stark an der Bank beteiligt und als VR-Vizepräsident auch sonst in einer Schlüsselrolle, findet die Werbung gut. «Sie erreicht bei jungen Leuten Aufmerksamkeit», so Keller, «man muss den Leuten einen Grund geben, warum sie etwas über uns wissen wollen.» Sie sei ein Türöffner, aber etwas dürfe man nie vergessen: «Wenn die Leute mal durch die Tür und da sind, dann beginnt erst die Arbeit.»
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Raskin ist sich dessen bewusst und hat intern ein Team von bestandenen Bankern aufgebaut. Mit Simon Wanzenried ist im Mai ein neuer Chief Private Banking angetreten, der fast zwanzig Jahre Erfahrung bei grossen Playern wie Credit Suisse und Julius Bär auf dem Buckel hat. Chief Investment Officer Till Budelmann wiederum ist schon seit 2004 für die verschiedenen Anlagestrategien verantwortlich.
Das Business ist hart, und die Konkurrenz schläft nicht. Die jüngsten Zahlen der Bank zeigen ein durchzogenes Bild. So stiegen die Kundenvermögen von 7,3 auf 7,8 Milliarden Franken, allerdings bei leicht negativem Nettoneugeld. Der Betriebsgewinn erreichte 8,6 Millionen und damit rund eine Million weniger als im Vorjahr. Dies habe allerdings auch mit den gestiegenen Kosten für die gezielten Investitionen und Initiativen zu tun, sagt Raskin. Insgesamt habe die Bank «solide Zahlen für 2024», urteilte «Finews». Richtig abgehoben hat die Bank aber noch nicht. «Wachstum in diesem für alle schwierigen Markt ist auch für uns herausfordernd», sagt Raskin.
betrug der Betriebsgewinn 2024.
betrugen die Kundenvermögen Ende 2024.
beschäftigt die Bank an den zwei Standorten in Zürich und Genf.
betrug die Gesamtkapitalquote 2024.
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Der Erfolgsdruck bleibt hoch: «Wir sind ambitionierter als das, was die Bank erreicht hat», sagt Keller. Vor allem in zeitlicher Hinsicht: Der Aufbau habe länger gedauert als erwartet. Jetzt sieht er die Bank aber gut aufgestellt: «Auf unserem Weg sind wir endlich angekommen.» Nun sei man endlich so weit, dass man dem Kunden «das bieten kann, was wir uns stets vorgestellt haben». Auch die Branche nimmts zur Kenntnis: 2024 gab es vom Londoner Finanzportal «Citywire» den Private Banking Award als «Best Next Gen Private Bank».
Die Konkurrenz dreht ebenfalls tüchtig auf. Dabei sind viele neue Player im Spiel. Eine Studie des Beratungsunternehmens BrandTrust von 2022 über die relevantesten Finanzmarken pro Generation, listet für die Generation Z unter den Top 5 keine einzige etablierte Bank auf, dafür aber etwa die Digitalbank Revolut oder die Kryptoplattform Coinbase. Die Grossbank UBS mit ihrem extrem breiten Angebot kommt erst auf Platz acht.
Dabei bauen auch etablierte Player im Next-Gen-Banking gezielt aus. Im Geschäftsfeld von Bergos, dem Private Banking, ist etwa Lombard Odier aus Genf in Sachen Next Gen stark engagiert. Man habe die strategische Initiative in diesem Bereich bereits 2019 gestartet, sagt Managing Partner Frédéric Rochat. Wie Bergos hat die Bank junge oder «young-minded» Berater angestellt, um die Next Gen zu betreuen. Dabei stehe bewusst der Generationenwechsel im Vordergrund. Im Aufbau der Beziehung zur neuen Generation «involvieren wir nur selten den Banker der Eltern», sagt Rochat. Gezielt baut Lombard Odier zudem eine Community um diese Generation herum. Etwa mit mehrtägigen Events im Ausland, letztes Jahr etwa in der Toskana oder 2022 in einem Naturreservat in Portugal, wo es nicht nur Referate zu Anlagethemen gab, sondern auch über die grossen Themen der heutigen Zeit, wie etwa den Klimawandel, gesprochen wurde. «Die Vertreter dieser Generation haben oft einen riesigen Durst zu lernen, und für sie muss alles Handeln einen tiefergehenden Sinn ergeben», sagt Rochat. Natürlich seien das alles auch Digital Natives, und man müsse eine nahtlose Kommunikation übers Smartphone etc. anbieten, aber mehr noch als das sei der Wille, sich für etwas zu engagieren, für diese Generation kennzeichnend.
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Auch Bergos setzt gezielt auf den Community-Gedanken. Getreu dem Selbstverständnis der Bank gehts Mitte September ins raue Berlin, wo in jenen Tagen die jährliche Berlin Art Week stattfindet. Dabei ist der Kulturaspekt nicht auf solche Ausflüge beschränkt. Bergos sponsert jedes Jahr einen Artist in Residence (AIR), aktuell ist es die Musikerin Lagioia. Im Komitee, das den AIR bestimmt, hat Alexandra Keller, die 22-jährige Tochter von Adrian Keller, Einsitz – da kommt bereits das Engagement der Next Generation.
Auf dem eingeschlagenen Weg will Bergos weitergehen, und die Ambitionen bleiben hoch. In Zürich, wo 126 der insgesamt 134 Mitarbeiter stationiert sind (die anderen acht sind in Genf), ist der Platz knapp. Daher will die Bank einen Block zusätzliche Bürofläche dazumieten, um die Leute unterzubringen.
Und auch die Sache mit möglichen pinkelnden Street-Parade-Besuchern wurde inzwischen pragmatisch gelöst: Für die diesjährige Parade liess die Stadt vier mobile ToiToi-Toiletten vor dem Haupteingang der Bank aufstellen.
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