Guten Tag,
Nach dem Rausschmiss von Freixe schauen alle auf Philipp Navratil, Kaffeeverkäufer und erster Schweizer an der Nestlé-Spitze seit 44 Jahren.
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Eines kann man Philipp Navratil nicht vorwerfen: dass er sich in seiner Karriere verzettelt habe. In der Disziplin Firmentreue nimmt er es locker mit Nestlé-Granden wie Helmut Maucher oder Peter Brabeck auf. Der 49-Jährige hat fast die Hälfte seines Lebens bei Nestlé verbracht. Seine Sporen verdiente er sich im Audit Vevey ab, bevor er sich schon früh als Produktverkäufer in Lateinamerika abstrampelte – und den Grundstein für höhere Weihen legte.
Doch der neue CEO bringt nicht nur den Stallgeruch mit, sondern auch eine Portion an Kreativität und an Dynamik – Fähigkeiten, die der schlingernde Nahrungsmittelgigant dringend benötigt. Erstmals auf sich aufmerksam machte der St. Galler MBA-Absolvent, als er als Chef des Kaffeegeschäfts in Mexiko die Porträts von wetterfesten Caficultores inklusive Namen und Standort auf die Nescafé-Verpackungen druckte: «Juan Jiménez, Chiapas». Eine Referenz an die Kaffeebauern, mit der es Navratil gelang, der Allerweltsmarke Nescafé einen nationalen Touch zu geben. Der Marketingtrick funktionierte, der Umsatz schnellte auf 70 Millionen Franken hoch – in einem Schwellenland ist das viel.
Philipp Navratils Gesellenstück ist aber die Lancierung der Starbucks-Produkte made by Nestlé. Der 7,15-Milliarden-Dollar-Handel mit den Brauern von Iced Brown Sugar Oatmilk Espresso oder Caramel Ribbon Crunch Frappuccino Blended Beverage aus Seattle ist die wichtigste und einträglichste Erbschaft des früheren CEO Mark Schneider. Im Wochentakt hat Navratil damals als Chef des Kaffeegeschäfts Starbucks-Produkte auf den Markt gebracht und im Rekordtempo global lanciert, heute spielen die Espresso Roasts, die Columbia, die Sumatra Blends von Nespresso und ihre Pendants in der George-Clooney-freien Zone von Nescafé Dolce Gusto rund 4 Milliarden Franken ein.
Zudem kann der neue CEO für sich in Anspruch nehmen, den Megatrend zum kalten Kaffee früh erkannt zu haben – bei Nestlé, wo man einst den Hype um schwarze Schokolade verschlafen hat, ist das keine Selbstverständlichkeit. Zuerst gabs den Nescafé kalt aufgelöst in kleinen Flaschen – zur Verdünnung, wie ein Sirup. Das Gebräu wurde unter Navratil weltweit lanciert. Gerade entsteht in Malaysia eine Fabrik, um den kalten Kaffeerenner für den asiatischen Markt startklar zu machen. Inzwischen haben es die Entwickler geschafft, den Nescafé so zu designen, dass er sich auch mit kaltem Wasser aufrühren lässt, ohne zu klumpen. Der kalte Kaffee ist wichtig, um junges Publikum aus Innenstädten zu binden. Navratil kann Kaffee. Doch schafft er auch die Krise, in der Nestlé steckt? Beobachter wie der langjährige Nestlé-Analyst James Amoroso zweifeln. Navratil sei kein Schwergewicht, habe einen kleinen Markt geleitet und danach die meiste Zeit im Kaffeegeschäft verbracht. Und als Chef von Nespresso habe er sich noch nicht beweisen können.
Nach dem desaströsen Abstecher in die Vergangenheit mit Laurent Freixe ist Navratils Wahl –nun die Flucht nach vorn – durchaus mit Risiken verbunden. Er ist erst seit Anfang Jahr Konzernleitungsmitglied. Das ist sein sensibler Punkt, der Sprung auf den Chefsessel kommt schnell. Intern ist das Vertrauen offenbar da, der Neue gilt als umgänglich, als Teamplayer. Auch eine steile Lernkurve wird ihm attestiert, zudem hat er über zwei Jahrzehnte mitgekriegt, wie Nestlé tickt und wie smartes Konsumgütermarketing funktioniert. Rund die Hälfte der Analysten raten derzeit von einem Kauf der Nestlé-Aktie ab. Der neue CEO und seine Mannschaft sind gefordert.
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