Guten Tag,
2002: schwaches Wachstum, das sich vornehmlich auf die gute Laune der Konsumenten stützt. Doch Vorsicht, die dümpelnde Investitionsgüter- und die Bauindustrie könnten über den Arbeitsmarkt den Konsumenten die Laune verderben. Und wenn der Euro härter wird, droht wieder Inflation in der Schweiz.
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Eigentlich klappt alles schon aufs Ermutigendste. Die Einkaufsmanager in den USA und in der Schweiz melden steigende Bestellungen, die Industrieproduktion privater Güter hat in Amerika den Aufwärtstrend im November fortgesetzt. Die Konsumenten der westlichen Welt halten immer noch durch, auch wenn sie in der Schweiz wieder einmal pessimistischer sind. Und doch verschleisst diese Rezession noch immer Nerven. Denn die positiven Zeichen setzen auf tiefem Niveau ein, und bis sich alles in ein richtiges Wachstum der Gewinne, des Sozialprodukts und des Konsums umgesetzt hat, bis die Entlassungen aufhören, mögen noch Monate vergehen. Das gilt für die USA, und Europa hinkt immer etwas hintendrein. Nur um 0,8 Prozent werde der amerikanische Vorreiter dieses Jahr wachsen, Europa um 1,2 Prozent, schätzen die Experten der CSFB. Sie erwarten bei der Ursache der Krise, den In-vestitionen, gar noch bis in den Frühherbst kräftig fallende Ausgaben (–17 Prozent), danach einen erst leichten Anstieg um ein paar Prozent. Dies alles gilt für eine Erholung ohne Unfälle. Doch wiederum die Analytiker der CSFB scheuen sich nicht, sich über die Downside-Risks auszulassen. Dem Konsum könnte eines Tages die Luft ausgehen, wenn die Abschwächung zu lange dauern würde, wenn Entlassungen sich häuften, wenn die Kredite drückten. Die US-Haushalte haben nun genug neue, weil billigere Hypotheken aufgenommen und schon ausgegeben – dieser Quell versiegt. Die Lager der Firmen dürften im ersten Quartal wieder nachgefüllt sein. Ihre Gewinne springen aber kaum rasch an. So bleibt alles recht angespannt.
In der Schweizer Konjunktur zeigen sich ähnliche Überdehnungen. Die Exporte vieler Branchen fallen leicht, der Bau ausserhalb der Zentren dümpelt vor sich hin, ausländische Touristen kommen etwas seltener. Immerhin füllten die Festtage die Hotels. Die Chemie-exporte stiegen im November noch um 3,5 anstatt mit 16 Prozent Zuwachs wie in den Vormonaten. Die Maschinenindustrie büsst deutlich an Aufträgen ein. Dies schlägt erst auf die Auftragsbestände durch, und sollte die Konjunktur rasch anspringen, wäre ausser Angst nichts gewesen. Falls es aber etwas länger dauern würde, frässe der konjunkturelle Sinkflug Gewinne und Arbeitsplätze weg. Dass zumindest das Lohnpolster der Konsumenten beeindruckend sein wird, hat sich mit den letzten Lohnabschlüssen weiter bestätigt – viele Zuwächse liegen bei drei Prozent. Sorglosigkeit kommt auf, und vielerorts hebt man leicht die Preise an. Die Lohnbezüger werden daher 2002 in ein ungewohntes Wechselbad geworfen. Letztes Jahr sank die Inflation zum Jahresende gegen null, sodass die 2,4 Prozent mehr Lohn eine substanzielle Reallohn-Überraschung bescherten. Nun aber drohen von den gegen drei Prozent Lohnzuwachs grössere Teile im Laufe des Jahres abzublättern. Im Verhältnis zu Europa kehren sich so die Vorzeichen um – die Schweizer Inflation wird dieses Jahr deutlich über jener des Eurolands liegen, denn dort nehmen alle Beobachter eine sensationelle Preisstabilität von nur einem Prozent Inflation an. Vielleicht wird der Wunsch der Gewerkschaften nach einer Abwertung des Frankens gegenüber dem Euro aus diesem Grunde erfüllt – er könnte seine Stabilitätsprämie einbüssen und die Marke von 1.50 Franken passieren. Eine solche Abwertung würde die Inflation über die Importe allerdings verstärken, und die Zinsen müssten folgen. Mit Recht sorgt man sich über das hohe Preisniveau dieses Landes angesichts der Preistransparenz in Euroland, und wichtige Binnenpreise wie etwa die Mieten sind schon letztes Jahr munter angestiegen.
Das laufende Jahr wird der Schweiz deshalb einen harten Test an Selbstdisziplin abverlangen: den Konsumenten und ihrem Vertrauen, den Firmen mit drei Prozent höheren Lohnkosten bei gefährdeten Aufträgen, dem Detailhandel und der Vermieterschaft in der Preisgestaltung. Und die Politiker mögen bedenken, dass die erfreulichen Steuereingänge von 2001 aus den Veranlagungen der guten Vorjahre sich Ende 2002 und 2003 kaum wiederholen werden, dass aber die Preise und Löhne auch für den Staat steigen.
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