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Philipp Navratil verlangt bei Nestlé eine neue Leistungskultur. Nur wer liefert, wird belohnt. Das gilt auch bei ABB, UBS oder Sulzer.
Die Sulzer-Truppe hat unter CEO Suzanne Thoma ihre Schlagzahl markant erhöht.
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Das Wort von Philipp Navratil hat Gewicht, ziemlich viel Gewicht sogar. Nach seinem ersten Auftritt vor den Medien, Mitte Oktober wars, schwoll der Firmenwert von Nestlé innert Stunden um exakt 17 Milliarden Franken an. Für das rekordverdächtige Plus sorgte Navratils Ansage, dass er von seinen 277’000 Mitarbeitenden mehr Wille zur Leistung fordere. Künftig erwarte er eine «High-Performance Culture».
Die Botschaft ans Personal: Wer rennt, wird belohnt, wer bummelt, blickt unsicheren Tagen entgegen. Nun ist Navratil daran, die Salär- und Bonussysteme zu analysieren und sie noch stärker auf Performance auszurichten, auch individuell. «Wir werden unsere Leute schonungslos nach ihrer Leistung beurteilen», verspricht der Chef.
Es ist eine neue Tonalität im Nestlé-Imperium, in dem der Stolz auf das Erreichte Jahrzehnte dominierte und der Aktienkurs niemanden interessierte, schliesslich zeigte er fast immer nach oben. Nun gilt es ernst, denn auf Navratils Ansage folgte gleich der Paukenschlag: Abbau von 16’000 Stellen, davon 12’000 allein in den Büros. Ein einmaliger Vorgang in der 159-jährigen Geschichte des Nahrungsmittelkonzerns.
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Die klare Kante kommt beim grössten Schweizer Unternehmen gut an, bei den Aktionären und bei den Superambitionierten, aber auch bei den Chefs im Land. Endlich spricht einer Klartext, tönt es aus den Firmen, da rede einer nicht von Inclusion und Diversity, sondern von Leistungswille, Tempo und Zahlen. Über dem Nestlé-Hauptsitz, wo lange eine Wohlfühlkultur dominierte, bläst jetzt ein rauer Wind.
Endlich, wird Sergio Ermotti insgeheim gedacht haben. Da spricht einer aus, was er selbst seit längerem postuliert. Diesen Frühling erkor der UBS-Chef das Leistungsdenken zum Leitmotiv. «Meritokratie steht zuvorderst bei unseren Entscheiden», ist im «Nachhaltigkeitsreport 2024» der Grossbank zu lesen. Gleichzeitig kassierte Ermotti die Diversitätsziele ein, die sein Vorgänger Ralph Hamers mit grossem Engagement pflegte. Nun heisst die Devise: mehr Work, weniger Woke.
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Der Bruch mit der Vergangenheit ist unschwer zu erkennen. Im Geschäftsbericht in der Hamers-Ära fand das Schlagwort «Diversity» jeweils 35-mal Erwähnung, im aktuellen Jahresbericht liest man es kaum mehr. Ein Umdenken auch bei den Lohnanreizen: Bei Hamers gehörte es zum «Core Job» und war ergo bonusrelevant, dass bis 2025 ein Viertel des Personals in Grossbritannien und den USA aus «ethnic minorities» stammt. Unter Ermotti werden die ethnischen Minderheiten nicht mehr erwähnt, dafür gelten als zentrale Werte Resultate, Kundenfokus, Risikokultur. Den Global Head for Diversity, Equity and Inclusion, den Hamers noch einsetzte, gibt es längst nicht mehr.
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Das Umdenken begann bei globalen Konzernen bereits vor einem Jahr, als amerikanische Gerichte die Förderung von Minderheiten als diskriminierend und als Verstoss gegen das Gleichheitsgesetz taxierten, worauf Meta, J. P. Morgan, Citigroup, IBM, McDonald’s oder Disney ihre DEI-Programme kürzten oder ganz strichen. Schweizer Firmen wie Novartis oder UBS reagierten, als Donald Trump zum Anti-Woke-Kampf aufrief. Hier verschwand eine Diversity-Website, dort ein Förderprogramm für schwarze Unternehmerinnen.

Diesen Frühling erkor UBS-Chef Sergio Ermotti das Leistungsdenken zum Leitmotiv.
Keystone
Diesen Frühling erkor UBS-Chef Sergio Ermotti das Leistungsdenken zum Leitmotiv.
KeystoneNüchternheit statt Ideologie prägt nun die Firmenkultur, zunehmend auch in der Schweiz. Bei einer Konjunktur, die sich eintrübt, und bei Zöllen, die den Export verteuern, warten handfeste Fragen auf Antworten. Sind wir innovativ, wo wachsen wir, wie steigern wir die Marge, wo senken wir Kosten? Und: Wie steigern wir die Dividende? Zum Weg gehört auch das Einfordern von Leistung. Deswegen überarbeiten Firmen wie Nestlé ihre Leistungsziele und werden individuelle Efforts stärker honoriert. Auch Timon Forrer, Vergütungsexperte bei Kienbaum, bestätigt das: «Wir sehen einen Trend zurück zu individueller variabler Vergütung.»
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Als Unternehmen sich vor ein paar Jahren von individuellen Boni abwandten, erhöhten viele den Fixlohnanteil, wodurch Vergütung weniger flexibel wurde. Doch wer Personalkosten sparen muss, stösst so schnell an Grenzen. Ohnehin sorgt nur ein kleinerer Teil der Lohnbezüger für den Unterschied – diese Leistungsträger gilt es bei der Stange zu halten. Dafür brauche es gezielte Leistungsprogramme, die gemäss Forrer allen signalisieren: «Efforts zahlen sich bei uns aus.»

Die Botschaft des neuen Nestlé-CEO Philipp Navratil ist klar: Wer rennt, wird belohnt, wer bummelt, blickt unsicheren Tagen entgegen.
William Gammuto
Die Botschaft des neuen Nestlé-CEO Philipp Navratil ist klar: Wer rennt, wird belohnt, wer bummelt, blickt unsicheren Tagen entgegen.
William GammutoEngagement ist gefragt, zu dessen Symbol die Homeoffice-Tage gerieten. Raiffeisen, Sulzer, Schindler oder Stadler Rail haben dieses Erbe aus der Pandemie zurückgefahren. Die UBS untersagte Homeoffice am Freitag und am Montag – und machte Schluss mit verlängerten Wochenenden bei vollem Lohn. Gut möglich, dass auch Nestlé-Chef Navratil diese Schraube anzieht und die heute gewährten 40 Prozent der Arbeitszeit im Homeoffice einschränkt. Dass er bereit ist, durchzugreifen, hat er im Headoffice in Vevey schon einmal klargemacht.
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Wie es geht, zeigen Firmen, die längst auf eine härtere Gangart eingeschwenkt sind. Dazu gehören neben UBS und Novartis auch Swisscom und Sulzer. Beim Industrieriesen ist Suzanne Thoma daran, die Blaupause für ein erfolgreiches Dynamo-Programm zu zeichnen. Unter ihrer Ägide sind Umsatz und Marge massiv angestiegen, bei nur marginal erhöhtem Personalbestand. Will sagen: Die Sulzer-Truppe hat unter Fitnesstrainerin Thoma ihre Schlagzahl markant gesteigert. Viele freut es, denn sie partizipieren am Aktienkurs, der sich innert dreier Jahre glatt verdoppelt hat. So wird verständlich, dass trotz des steigenden Leistungsdrucks die Fluktuationsrate gesunken ist.
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Zu jenen, die das Tempo höher und höher schrauben, gehört auch die Partners Group in Baar. Die Investfirma ist stolz auf ihre «unternehmerische Firmenkultur», Work-Life-Balance gilt dort als Fremdwort, Teilzeitarbeit als Ausnahme. Von den 2032 Mitarbeitenden haben gerade einmal 34 Personen ein Teilzeitpensum. Diese Vollgasmentalität widerspiegelt sich in den Performance-Kompensations-Plänen. 2024 war ein besonders erfolgreiches Jahr: mehr Gewinn mit weniger Personal, was die Honorierung für alle nach oben trieb, auch beim CEO, dessen Salär von 8 auf 16,9 Millionen stieg – 2 Millionen mehr als bei UBS-Chef Ermotti.
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Diese Erfolgsgeschichten zeigen: Wer liefert, wird belohnt. Doch es bauen sich graue Wolken auf, die Konjunktur schwächelt. Täglich wird in Corporate Switzerland abgebaut: Bei Sika werden 1500 Stellen gestrichen, Kühne + Nagel legt ebenfalls ein hartes Sparprogramm auf und strafft zentrale Funktionen, die Migros steckt im Totalumbau, und bei Thermoplan arbeiten 350 der 500 Angestellten in der Schweiz kurz, weil die irren US-Zölle das Exportgeschäft unrentabel machen.
Dass der Wind gedreht hat, bekommen vorab jene zu spüren, die nach Stellen Ausschau halten. Die Suchzeit wird länger, selbst für junge Fachkräfte, die man unlängst mit allerlei Goodies köderte. Auf dem Arbeitsmarkt ist das deutlich zu spüren: Die Zahl offener Stellen schwindet, die Unternehmen halten sich beim Rekrutieren zurück (siehe Grafik unten). «In einer unsicheren Phase wird kluges Kostenmanagement verlangt», sagt Stefan Michel, Professor für Strategie und Marketing am IMD Lausanne. Das drückt auch die Boni.
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Nicht nur in der Industrie, auch im Finanzsektor wird gehobelt: UBS, Bank Bär, SIX oder Postfinance bauen Hundertschaften ab. Mittlerweile sind im Kanton Zürich rund 1300 Banker als arbeitslos gemeldet. Ein Höchststand.
Selbst bei soliden Staatsbetrieben steigt der Druck. «Die Swisscom will Hunderte Jobs ins Ausland verlagern», meldete kürzlich der «Blick». Die Begründung für die Verlagerung der Softwareentwickler: Kostendruck. Auch beim Marketing plant man um: Das Sponsoring der Zurich Pride wurde diesen Sommer gestrichen, weil man die Ressourcen für andere Projekte benötige, wie es heisst.
Und auch die Post baut ab, diesmal sind es fünfzig IT-Stellen, zudem gilt bis Januar 2026 ein Einstellungsstopp. «Wir befinden uns jetzt in einem Arbeitgebermarkt», sagt Vergütungsexperte Urs Klingler, die Macht hat sich vom Arbeitnehmer zum Arbeitgeber verschoben. Firmen suchen zwar weiterhin Fachkräfte, aber solche, die sie weiterbringen. «Gefragt sind Leute, die rocken wollen.» Nicht jene, die bereits die Anreise als Arbeitszeit verbuchen und den Matcha Latte im Kantinenangebot einfordern.
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Das hat Folgen. «Seit den Wirtschaftskapitänen wieder ein rauerer Wind ins Gesicht weht – US-Zölle, restriktive Geldpolitik, Innovationsdruck durch KI –, ist eine deutliche Kursänderung erkennbar: eine Rückbesinnung auf das Kerngeschäft und auf Wertschöpfung, die sich in der Bilanz niederschlägt», erklärt Strategieberater Frank Bodin
Überraschend sei das nicht: «Spitzensportler und Berufsmusiker wissen es: ohne Fokus keine Performance.» Diese Erkenntnis gelte auch für Unternehmen. «In den letzten Jahren wurde der Fokus jedoch oft zugunsten von Symbolpolitik verschoben – auf interne Wohlfühlprojekte und öffentlichkeitswirksame Themen statt auf die Performance von Produkten und Dienstleistungen.»

ABB-CEO Morten Wierod soll den Erfolgskurs seines Vorgängers Björn Rosengren weiterführen. Bisher gelingt ihm das.
Philippe Rossier
ABB-CEO Morten Wierod soll den Erfolgskurs seines Vorgängers Björn Rosengren weiterführen. Bisher gelingt ihm das.
Philippe RossierLeistung zählt – immer mehr. Das fängt ganz oben an, wie Nestlé-Chef Navratil weiss. Und da besteht wohl dringender Handlungsbedarf. Denn es spricht nicht eben für ein leistungsorientiertes Lohnsystem, wenn, wie 2024 bei Nestlé, Umsatz und Gewinn sinken, der Aktienkurs einbricht – und die Lohnsumme der Geschäftsleitung stabil bleibt. Ist das die «High-Performance-Culture», die Navratil verlangt? Not really.
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