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«Lauter Luftnummern»

Jürgen Dormann, Verwaltungsratspräsident von ABB, über den Skandal um die Pensionszuschüsse für Percy Barnevik und Göran Lindahl, über die Probleme der Corporate Governance und über die Zukunft der ABB.

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BILANZ: Jürgen Dormann, ist die ABB ein Selbstbedienungsladen?
Jürgen Dormann:

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Wie konnte es dann passieren, dass sich die Herren Barnevik und Lindahl aus der Unternehmenskasse 233 Millionen Franken selbst und gegenseitig zuschieben konnten?



Die Beträge, um die es hier geht, wären auch damals jenseits von gut und böse gewesen.


Konkret: Wie konnte der VR-Vizepräsident, in diesem Fall Robert Jeker, einen Pensionsplan unterschreiben, ohne die Zahlen zu kennen?


Barnevik hingegen wusste von der absoluten Höhe der Bezüge, die er sowohl für sich als auch für Lindahl vereinbarte …


… dann hat er Sie und die anderen VR- Mitglieder hinters Licht geführt.


Fakt ist aber auch, dass sich der VR bis letzten Frühling gar nicht nach den Zahlen erkundigt hat.


Sie haben in den letzten Wochen mehrmals öffentlich die Corporate Governance von ABB kritisiert. Sie waren in den letzten Jahren selbst VR-Mitglied. Es hätte auch an Ihnen gelegen, für Corporate Governance zu sorgen.

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Warum haben Sie es nicht getan?



Sonst wäre die Affäre von Anfang an vermieden worden oder mindestens viel früher ans Licht gekommen.



Auf Deutsch: Die Bremser sind draussen.


Wiederum auf Deutsch: Barnevik hat den VR eingelullt.


Das Vertrauen ist enttäuscht worden.


Sind Sie von Barnevik auch menschlich enttäuscht?



Dass Sie mit der ganzen Sache an die Öffentlichkeit gegangen sind, lässt darauf schliessen, dass Sie die Angelegenheit mit Barnevik und Lindahl schon vorher im Stillen zu regeln versucht haben und dass der Versuch fehlgeschlagen ist.



Wollten Sie durch die Veröffentlichung auch zeigen, dass unter Jürgen Dormann bei ABB nun ein anderer Wind weht?


Ihre Analysen haben vier Monate gedauert. Daraus schliesse ich, dass Lindahl und Barnevik nicht kooperiert haben bei der Aufarbeitung der Affäre.


Aus heutiger Sicht ist es wohl nahe liegend, dass der im November noch überraschende Rücktritt Barneviks aus dem VR-Präsidium auch mit den Pensionskassenzuschüssen zusammenhängt?

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Wer konkret hat ihn zum Rücktritt gedrängt?



Für ihn. Und für die anderen VR-Mitglieder?


Das Engagement bei ABB hat Martin Ebner gewaltige Verluste beschert. Ist es korrekt, dass er die treibende Kraft hinter der Absetzung Barneviks war?


Göran Lindahl hat ABB in einem deutlich schlechteren Zustand hinterlassen, als er es von seinem Vorgänger übernommen hatte. Wie rechtfertigen Sie dann gegenüber den Aktionären die Tatsache, dass er im Lauf der Jahre 20 Millionen Franken Bonus bekommen hat?



Schwer zu erklären ist auch die Bonusregelung für das letzte Geschäftjahr. Es war das schlechteste in der ABB-Geschichte, zum ersten Mal gab es einen Verlust, der Aktien-kurs ist um fast 70 Prozent gefallen, und dennoch hat CEO Jörgen Centerman zu seinem Gehalt von 1,5 Millionen Franken noch einmal die gleiche Summe als Erfolgsbonus kassiert.

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Nimmt man Centermans letztes Gehalt als Basis, bekommt auch er, wenn er mit 60 in Pension geht, Pensionszuschüsse von mindestens 42 Millionen Franken. Das sieht nicht so aus, als habe die ABB aus dem Skandal gelernt.


Das heisst, die 42 Millionen werden nicht ausbezahlt werden?


Können Sie wenigstens den Deckel quantifizieren?



Das einzig Positive an dieser ganzen Affäre ist die Tatsache, dass nun immer mehr Unternehmen die Bezüge des Managements offen legen. Werden damit Exzesse in Zukunft unterbunden, oder wird im Gegenteil die Transparenz zu einer Steigerung der Topsaläre führen nach dem Motto: Jeder möchte mehr verdienen als sein Kollege?


Drehen wir die Frage um: Was darf ein Topmanager verdienen?


Kommen wir auf die Frage zurück: Wird durch die neue Transparenz die Lohnspirale nach oben geschraubt?

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Moment, damit sagen Sie, dass jemand, der schlecht bezahlt ist, automatisch schlechte Leistung bringt!



Kommen wir zur Zukunft von ABB. Sie haben Hoechst zerschlagen …



Schön. Können Sie sich einen ähnlichen kreativen unternehmerischen Prozess, wie Sie es nennen, auch für ABB vorstellen?


Centerman hat bereits öffentlich geäussert, dass der Bereich Finanzdienstleistungen nicht mehr Kerngeschäft sei und daher nicht mehr weiterentwickelt werde. Sollte er Ihnen die Abspaltung dieses Bereichs vorschlagen, würden Sie zustimmen?



1996 verzeichnete die ABB noch 34 Milliarden Dollar Umsatz. Seither ist ABB auf heute 23 Milliarden Dollar geschrumpft. Zahlt man nun den Preis für eine überschäumende Expansion in den boomenden Neunzigerjahren?


Sie haben 940 Millionen Dollar für die Asbestklagen zurückgestellt. Diverse Bankenstudien gehen davon aus, dass mindestens das Doppelte nötig sein wird, um alle Schadensersatzansprüche zu regeln. Bereits jetzt ist die Eigenkapitaldecke extrem dünn. Was passiert mit ABB, wenn diese Analysten Recht behalten?

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Wie soll ABB in drei Jahren aussehen?



Sie haben Ihren Rücktritt vom CEO-Posten bei Aventis bekannt gegeben und beschränken sich dort nun auf den Aufsichtsratsvorsitz. Muss man daraus schliessen, dass ABB künftig Ihre gesteigerte Aufmerksamkeit fordert?

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