Guten Tag,
JD.com übernimmt Mediamarkt. Die Analyse eines Milliardendeals in fünf Punkten.
Bald chinesisch: Filiale von Mediamarkt in der Schweiz.
Getty ImagesWerbung
Es ist der E-Commerce-Deal des Jahres: Für 2,2 Milliarden Euro übernimmt der chinesische Onlinehändler Jingdong oder JD.com die deutsche Muttergesellschaft der Elektronikhändler Mediamarkt und Saturn. Erstmals dringt damit ein chinesischer Händler in die Innenstädte und Shoppingviertel Europas vor und breitet sich im stationären Detailhandel aus. Auch in der Schweiz: Mediamarkt ist hierzulande seit über dreissig Jahren aktiv und seit der Übernahme einiger M-Electronics-Filialen von der Migros mit 45 Standorten stark vertreten. Das Sortiment umfasst Unterhaltungselektronik sowie Haushaltsgeräte.
Viele chinesische Händler sind in der Schweiz und in Europa bekannt: Alibaba mit Aliexpress, PDD Holdings mit Temu oder Nanjing Lingtian Information Technology mit Shein. Bislang gehörte JD.com nicht dazu. Doch das wird sich ändern. Mit einem Umsatz von umgerechnet rund 130 Milliarden Franken gilt die Firma als die umsatzstärkste Privatfirma in China. Und sie gehört, wiederum gemessen am Umsatz, zu den fünfzig grössten Firmen der Welt. Ein weiterer Superlativ: JD gilt als grösster Händler für Unterhaltungselektronik weltweit – vor Amazon. Das Unternehmen wurde 1998 gegründet und ging mit seinem Onlineshop 2004 online. An der Spitze des heutigen Giganten steht Gründer und Präsident Richard Liu. An der Börse in Hongkong und an der New Yorker Nasdaq kotiert, sind die Aktien von JD heute zum allergrössten Teil im Streubesitz. Liu ist dank JD zum Milliardär geworden. Schätzungen taxieren sein Vermögen auf aktuell rund 6 Milliarden Dollar. Neckisches Detail: Im Board sitzt mit Caroline Scheufele die Mitbesitzerin der Schweizer Luxusmarke Chopard.
Noch hat sich JD-Präsident Liu nicht genau in die Karten blicken lassen, der Deal ist auch noch nicht abgewickelt. Klar aber ist: China ist dem Unternehmen zu klein geworden. Dies unter anderem auch deshalb, weil sich die chinesischen Konsumentinnen und Konsumenten nicht nur bei Schweizer Uhren und europäischen Luxusgütern in Zurückhaltung üben, sondern eben auch bei anderen Gütern. Kurz: Wenn Liu Wachstum will, muss er internationalisieren. Und das tut er – zumindest in Europa – zweigleisig: einerseits mit dem Onlineshop Joybuy, der kürzlich in Grossbritannien online gegangen ist und in weiteren Ländern lanciert werden soll, andererseits im sogenannten Omnichannel-Handel. Und hier kommen Mediamarkt und Saturn ins Spiel. Die beiden Ketten verfügen zusammen über mehr als tausend Standorte in 13 Ländern. Liu will explizit an ihnen festhalten, die lokalen Arbeitsplätze erhalten und zur Wertschöpfung in Europa beitragen. Zudem will JD mit seinem E-Commerce- und Logistik-Know-how dazu beitragen, dass die beiden Ketten auch im E-Commerce grösser und effizienter werden.
Schon heute spielen chinesische E-Commerce-Anbieter eine wichtige Rolle im Schweizer Detailhandel. Gemäss der Beratungsfirma Carpathia setzten Temu, Shein und Aliexpress 2024 hierzulande zusammen 1,34 Milliarden Franken um. Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Plus von rund 40 Prozent. Hinter dem Platzhirsch Digitec Galaxus – im Besitz der Migros – und den neu zusammengehörenden Modeshops Zalando und About You liegen die China-Anbieter damit auf dem dritten Rang, vor Amazon. E-Commerce-Experte Malte Polzin rechnet damit, dass durch die 1,34 Milliarden Franken Umsatz dem Schweizer Handel Verkäufe im Wert von fast 3,4 Milliarden durch die Lappen gehen. Etabliert sich nun zusätzlich JD.com in der Schweiz – online und stationär – wird sich die Konkurrenz deutlich verschärfen. Insbesondere die Migros wird das zu spüren bekommen: Bislang dominierte Digitec das Geschäft mit Unterhaltungselektronik. Nun erwächst dem Schweizer Marktführer starke Konkurrenz – auch in Deutschland, wohin Galaxus expandiert.
Werbung
Stefan Fraude, Chef des Schweizer Onlinehändlers Brack Alltron, sagt: «Durch den Zusammenschluss mit JD werden wir es mit einem stärkeren und digitaleren Omnichannelplayer Mediamarkt Saturn zu tun haben.» Er ist überzeugt, dass der Deal den Druck im europäischen Markt für Elektronik erhöhen werde. Der Schweizer Markt jedoch werde den neuen Player nicht im gleichen Ausmass zu spüren bekommen wie der Rest Europas. «Wir gehen von einem Amazon-Effekt aus», sagt Fraude. Das heisst: Fraude rechnet damit, dass JD in der Schweiz nicht die gleiche Marktstellung erreichen wird wie in anderen Ländern Europas. Auch Amazon hat den Schweizer Markt nicht so geknackt wie etwa in Deutschland. Die Eintrittsbarrieren für einen relativ kleinen Gesamtmarkt lägen hier höher, so Fraude. Das habe mit den Eigenheiten der hiesigen Zollpolitik zu tun – Stichwort Gewichtszoll – sowie mit länderspezifischen Produktanforderungen wie Schweizer Tastaturen für Computer oder mit Stromsteckern, die nur in der Schweiz verwendet werden.
Der Shop Joybuy zeigt es: Da gibt es europäische, asiatische und amerikanische Marken, keine billigen Dupes oder Kopien. JD ist kein Billigheimer, kein Discounter, kein Ramschwarenhändler, sondern ein veritabler Händler mit Eigenmarken und einem breit gefächerten Angebot. Aber mit ähnlicher verkaufsfördernder Gamification wie etwa Temu. Richard Liu betonte kürzlich vor Journalistinnen und Journalisten in der Firmenzentrale in Peking, dass für ihn die «Internationalisierung» höchste Priorität habe. Sie sei «etwas vom Wichtigsten für die Zukunft». JD verfolge einen anderen Ansatz als Firmen wie Temu. Deren Geschäftsmodell führe, so Liu, «zu einem Verlust von Arbeitsplätzen und Steuereinnahmen in Europa und den USA», was zu Recht Widerstände hervorrufe. JD setze dagegen auf «lokalen Handel, lokale Infrastruktur, lokale Mitarbeitende, lokale Beschaffung, lokale Lieferung». So jedenfalls wird Liu von der Nachrichtenplattform Huxiu zitiert.
Werbung
Der Einstieg von JD.com bei Mediamarkt und Saturn ist ergo mehr als ein grosses Investment. Es ist ein logischer Schritt in einem globalen Wandel der Retaillandschaft. JD ist längst nicht mehr bloss das «Amazon Chinas», sondern ein Tech-Konzern, Logistikprofi und Detailhändler mit Ambitionen auf Weltniveau. Man kann also durchaus von einer Zeitenwende sprechen. Für JD ist der Deal ein Türöffner zum und ein Testballon für den europäischen Markt – inklusive Schweiz. Mithilfe etablierter Marken und Kundenbeziehungen wird der Markt studiert. Es wird an der Glaubwürdigkeit des chinesischen Handels auf europäischen Märkten gearbeitet. In der Schweiz geht JD damit weiter als bislang alle Chinesen und Amazon: mit Läden und Leuten vor Ort. In allen grösseren Städten und Agglomerationen.
An dieser Stelle findest du einen ergänzenden externen Inhalt. Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Werbung