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Barry Callebaut

Das grosse Schmelzen im Schoggi-Business

Der Geschäftserfolg hängt am Kakaopreis. Der Konzernumbau zeigt noch keine Wirkung. Er verschärfe die Krise vielmehr, monieren Kritiker.

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<p>Barry Callebaut versorgt die Food-Industrie mit feinster Schokolade. Doch die Kakaokrise und interne Probleme bringen Volumen und Reingewinn zum Schmelzen.</p>
Barry Callebaut versorgt die Food-Industrie mit feinster Schokolade. Doch die Kakaokrise und interne Probleme bringen Volumen und Reingewinn zum Schmelzen. Carma/Barry Callebaut

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Die Mischung aus süss und bitter macht gute Schokolade aus. Aber was in den letzten zwei Jahren bei Barry Callebaut passierte, ist einfach nur bitter. Seit fünf Quartalen verkauft der belgisch-schweizerische Kakaoverarbeiter mit Hauptsitz in Zürich weniger Schokolade. Bereits dreimal im laufenden Geschäftsjahr mussten die Finanzziele angepasst werden.

An der Börse geben die einst begehrten Aktien, die seit 1998 in der Schweiz kotiert sind, ein Trauerspiel ab. Seit dem Höchststand im Jahr 2022 hat sich der Kurs halbiert, trotz Erholungszeichen in den letzten Wochen. 5 Milliarden Franken an Börsenwert haben sich in Luft aufgelöst.

Die schwachen Zahlen sind ein gefundenes Fressen für Leerverkäufer. Das sind Hedgefonds und andere Spekulanten, die auf sinkende Kurse wetten, indem sie Aktien ausleihen und diese gleich auf den Markt schmeissen, um sie später vor Leih-Ende zu einem tieferen Kurs zurückzukaufen. Seit über einem Jahr gehört Barry Callebaut zu den Titeln, die sehr häufig ausgeliehen werden. Zeitweise war mehr als ein Viertel der Aktien leer verkauft. Noch im August stand Barry Callebaut gemäss «Finanz und Wirtschaft» an der Spitze der Schweizer Leerverkaufsrangliste.

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Die hohen Kakaopreise belasten Nachfrage und Bilanz

In erster Linie hängen die Probleme von Barry Callebaut mit den hohen Kakaopreisen zusammen. Experten sprechen gar von einer Kakaokrise. Auslöser waren ungünstige Wetterbedingungen in den beiden wichtigsten Anbaugebieten Ghana und Elfenbeinküste. Schädlinge und alte Baumbestände dezimierten die Ernte zusätzlich. Gleichzeitig suchten viele Kakaobauern ihr Glück im meist illegalen, aber attraktiveren Goldabbau. Da jedoch der Appetit auf dunkle Schokolade und Kakaoprodukte nicht nachgelassen hat, kam es zu einer Verknappung. Die Folge: ein massiver Preisanstieg. Kosteten Kakaobohnen jahrelang zwischen 2000 und 3000 Dollar pro Tonne, schossen die Preise zeitweise auf über 10’000 Dollar.

Schokoladenproduzenten sichern sich zwar mit Terminkontrakten gegen Engpässe und Preisspitzen ab. Aber wenn die Preise länger hoch bleiben, nützen auch die besten Hedging-Strategien wenig. Die Frage ist dann, ob die Produzenten die höheren Rohstoffkosten auf die Kunden überwälzen können, um die Margen zu verteidigen. Bei Lindt & Sprüngli gelingt das recht gut, da die Kundschaft bei Premiumschokolade und im Geschenksegment nicht so empfindlich auf die Preise reagiert.

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Auch der B2B-Produzent Barry Callebaut, der neben den grossen Konsumgüterherstellern wie Nestlé, Unilever und Mondelez auch Chocolatiers und Confiserien beliefert, hat jahrelang bewiesen, dass er dank des Cost-Plus-Modells gegenüber den Kakaopreisen immun ist. Bei diesem Preismodell werden die Schwankungen der Einkaufskosten an die Kunden weitergegeben.

Doch die derart teuren Bohnen schaffen neue Probleme. Die hohen Preise schrecken die Endkunden ab, sie kaufen daher andere Süssigkeiten. Entsprechend gehen die Bestellungen von Barry Callebauts Kunden zurück, also von Nestlé und Co., und so verkauft der Konzern weniger. Die letzten Neunmonatszahlen sprechen Bände: Der Umsatz ist gegenüber dem Vorjahr dank höherer Preise zwar um 50 Prozent auf fast 11 Millionen Franken gestiegen, aber das Volumen schrumpfte um 6,3 Prozent auf 1,6 Millionen Tonnen.

Noch schlimmer: Der Reingewinn ist wegen höherer Finanzierungskosten eingebrochen. Denn die hohen Kakaopreise verderben nicht nur den Appetit, sie treiben auch die Verschuldung von Barry Callebaut in die Höhe. Mit dem Preisanstieg werten sich die Warenlager auf, und der freie Cashflow nimmt ab. Allein deswegen nimmt die Nettoverschuldung zu. Zudem musste das Unternehmen neue Schulden für den Einkauf der Bohnen aufnehmen. Netto belaufen sich die Schulden auf das 6,5-Fache des operativen Jahresgewinns, weit über dem angepeilten Faktor 3.
Die Verschuldung ist eine der Hauptsorgen der Investoren und beschäftigt auch die Ratingagenturen. S&P Global und Moody’s haben das Kreditrating für Barry Callebaut auf BBB– und Baa 3 mit negativem Ausblick gesenkt; das ist die unterste mögliche Stufe dessen, was Grossanleger noch akzeptieren. Einen Schritt tiefer, und Barry-Callebaut-Anleihen gelten als Ramsch.

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Das Effizienzprogramm fruchtet noch nicht

Was die Situation von Barry Callebaut zurzeit noch schlimmer macht: Die verkauften Volumen scheinen schneller zu schrumpfen als im Marktschnitt. So zeigen die Statistiken zur Kakaovermahlung einen geringeren Rückgang als bei Barry Callebaut. «Entweder reduziert Barry Callebaut absichtlich die Volumina, oder das Unternehmen verliert Marktanteile», folgert Vontobel-Analyst Matteo Lindauer. Damit wird deutlich, dass die Schwierigkeiten von Barry Callebaut ihre Ursache nicht nur in den hohen Kakaopreisen haben, sondern dass sie ein Stück weit hausgemacht sind. Denn der weltweit grösste Schokoladenhersteller, der 1996 aus dem Zusammenschluss der französischen Cacao Barry und der belgischen Callebaut entstanden ist, befindet sich seit mehr als zwei Jahren im Umbau.

<p>Peter Feld, der CEO von Barry Callebaut, krempelt den Konzern um. Doch die erhofften Ergebnisse lassen auf sich warten.</p>
Peter Feld, der CEO von Barry Callebaut, krempelt den Konzern um. Doch die erhofften Ergebnisse lassen auf sich warten. ZVG
<p>Peter Feld, der CEO von Barry Callebaut, krempelt den Konzern um. Doch die erhofften Ergebnisse lassen auf sich warten.</p>
Peter Feld, der CEO von Barry Callebaut, krempelt den Konzern um. Doch die erhofften Ergebnisse lassen auf sich warten. ZVG

Unter dem neuen CEO Peter Feld, der im April 2023 den glücklosen Peter Boone ersetzte, soll der Weltkonzern agiler und profitabler werden. Feld hat dafür ein Effizienzprogramm mit dem Namen BC Next Level lanciert. Im Zuge dessen wird zentralisiert, digitalisiert und vereinfacht. Die Führung hebt zwar neue Investitionen von 500 Millionen Franken hervor, aber in erster Linie ist die Initiative ein Sparprogramm. So fallen weltweit 2500 Jobs weg. Das stellt einen Traditionsbruch dar. Zuvor war die Unternehmenskultur auf Wachstum getrimmt.

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Der Personalumbau geht an die Substanz

Es bleibt vielen Experten ein Rätsel, weshalb die Besitzerfamilie Jacobs, die auch nach den Verkäufen in den Jahren 2019 und 2021 noch rund 35 Prozent der Aktien kontrolliert, diese Kehrtwende vollzogen hat, zumal Feld den Ruf eines Sanierers hat. Gewiss hatte Barry Callebaut auch Probleme, etwa wegen des Salmonellenskandals in der grössten Fabrik im belgischen Wieze. Ein Sanierungsfall war das Unternehmen aber nie. Ob die Weichenstellung richtig war, wird sich bestenfalls später herausstellen. Der Zeitpunkt für den Grossumbau scheint angesichts der Kakaokrise und der allgemeinen Konsumschwäche aber denkbar ungünstig.

<p>Patrick De Maeseneire, früherer CEO und seit 2016 Verwaltungsratspräsident von Barry Callebaut, ist das Bindeglied zur Besitzerfamilie Jacobs. </p>
Patrick De Maeseneire, früherer CEO und seit 2016 Verwaltungsratspräsident von Barry Callebaut, ist das Bindeglied zur Besitzerfamilie Jacobs.  Webstute Barry Callebaut
<p>Patrick De Maeseneire, früherer CEO und seit 2016 Verwaltungsratspräsident von Barry Callebaut, ist das Bindeglied zur Besitzerfamilie Jacobs. </p>
Patrick De Maeseneire, früherer CEO und seit 2016 Verwaltungsratspräsident von Barry Callebaut, ist das Bindeglied zur Besitzerfamilie Jacobs.  Webstute Barry Callebaut

«Barry Callebaut befindet sich in der Mitte eines schwarzen Tunnels», sagt Analyst Andreas von Arx vom Broker Baader Helvea. Der ursprüngliche Plan sei gewesen, nächstes Jahr aus der Krise herauszukommen, aber das verzögere sich nun. Die Einsparungen aus dem Effizienzprogramm BC Next Level würden erst zwölf Monate später als erwartet vollständig im Ergebnis sichtbar werden, musste CEO Feld eingestehen. Das kam bei den Investoren gar nicht gut an. Zum wiederholten Mal war die neue Führung zu optimistisch, was den Umbauprozess angeht. «Das Investorenvertrauen wurde mit den revidierten Finanzzahlen dreimal hintereinander geschwächt, was Bedenken rund um das Management aufwirft», sagt Vontobel-Analyst Lindauer. Im Schokoladengeschäft gehe es um Vertrauen und langjährige Beziehungen. Diese hätten unter den vielen Managementänderungen seit 2021 gelitten.

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Damit spricht Lindauer einen zentralen Punkt an. Denn zahlreiche erfahrene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die genau diese langjährigen Beziehungen ermöglichten und den Erfolg von Barry Callebaut ausmachten, fielen dem Umbau zum Opfer. Die Firma bestätigt, dass der geplante Stellenabbau nun weitgehend abgeschlossen sei. «Dass es dabei auch zu Wechseln im Management kommt, ist bei einer Transformation dieser Grössenordnung nicht ungewöhnlich», heisst es. Dass es einen Exodus von Führungskräften gegeben habe, wie von einigen Quellen behauptet, bestreitet der Konzern. Das Gegenteil sei richtig: Es seien viele Hunderte neue Kolleginnen und Kollegen zur Firma gestossen, darunter gezielt rekrutierte Topführungskräfte mit Kompetenzen, die für den Umbau nötig sind.

In den Kommentarspalten und in den sozialen Medien wird der Frust über den Umbau aber sichtbar. Da wird der CEO Feld auch schon mal als «Trump der Schoko-Branche» bezeichnet, der keine Ahnung vom Geschäft habe. Eine weitere Kritik am neuen Management ist, dass es wenig Gespür für Marken habe. So sei eine Namensänderung in Callebaut geplant, was das Unternehmen aber dementiert.

Marc Donaldson hat Verständnis für die Frustration. Der Kakao- und Schokoladenexperte war selbst fast zwanzig Jahre bei Barry Callebaut und der Vorgängerfirma Cacao Barry tätig. Was er sieht, bricht ihm das Herz. «Wir haben das mit Leidenschaft und harter Arbeit aufgebaut. Jetzt müssen wir zusehen, wie unser Lebenswerk zusammenbricht», sagt er. Es seien viele erfahrene Leute gegangen oder gegangen worden. Und mit ihnen das Know-how. «Viele dieser Veteranen hatten zwanzig Jahre und mehr Erfahrung, und sie wussten, wie Krisen funktionieren.» Genau diese Leute fehlten jetzt, da der Kakaomarkt in einer Krise ist. Auch Analyst von Arx äussert seine Bedenken: «Ob die neuen Leute in diesem schwierigen Umfeld liefern können, ist ungewiss.»

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Die Probleme haben schon vor Feld begonnen

«In diesem Geschäft ist Erfahrung zentral», sagt Donaldson. «Es gibt kein Lehrbuch, um sich das nötige Wissen schnell anzueignen.» Die Kundenbeziehungen basierten auf langjähriger Zusammenarbeit, und auch auf der Kundenseite ändere sich nur wenig. Denn es seien häufig Familienbetriebe. «Schokolade ist ein emotionales Produkt, und das zieht Leute an, denen Emotionen wichtiger sind als nackte Zahlen», erklärt Donaldson. Man müsse wissen, wie man mit solchen Kunden kommuniziert.

Für ihn ist klar: Im Effizienzprogramm geht es vor allem um Kostensenkungen durch Digitalisierung und Zentralisierung: Aber darunter leide die Kundennähe. Als Beispiel nennt er zentralisierte Callcenter pro Grossregion, die sich jetzt um die Kundenfragen kümmerten. «Die so wichtigen persönlichen Kontakte gehen verloren.» Er ist überzeugt, dass ein Teil des Volumenrückgangs darauf zurückzuführen sei. Doch Donaldson gibt nicht allein Peter Feld die Schuld: Am Anfang des Niedergangs stand seiner Meinung nach der Abgang von CEO Antoine de Saint-Affrique 2021. «Er nahm einige ausgezeichnete Führungskräfte mit zu Danone, die nicht ersetzt wurden.»

Während die Hedgefonds gegen Barry Callebaut wetten und die Analysten die Unberechenbarkeit der geschäftsbestimmenden Kakaopreise betonen, schauen langfristig orientierte Investoren durch die Krise hindurch. So hat der US-Value-Investor Artisan im April seinen Anteil auf 10 Prozent aufgestockt, mit der Begründung, dass die Aktien günstig bewertet seien, wenn sich der Kakaomarkt normalisiert. Vorerst aber bleibt die Lage angespannt. Und die Beobachter schliessen nicht aus, dass der Konzern seine Dividende kürzen muss. Dann würde aus der Schoko-Schmelze eine Ausschüttungsschmelze.

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Peter Rohner

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