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Die beiden deutschen Ketten buhlen um attraktive Standorte. Die Migros spielt dabei eine entscheidende Rolle.
Die beiden Drogerieketten (hier eine Rossmann-Filiale) kämpfen um den Schweizer Markt.
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Wenn die Migros im Rahmen ihrer Schrumpfkur gleich ganze Ladenketten schliesst, ist das für andere Händler wie ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk. Zuletzt geschehen mit dem Ende der Alnatura-Filialen, die zur Genossenschaft Migros Zürich gehören: An zehn Standorten gibt es statt Bio-Lebensmitteln bald Kosmetik- und Pflegeprodukte der Drogeriekette Müller zu kaufen. Gleichzeitig ist das ein Dämpfer für den Konkurrenten Rossmann, der sich eine rasche Expansion in der Schweiz auf die Fahne geschrieben hat, dabei aber langsamer vorankommt als geplant. Migros-Chef Mario Irminger spielt im hiesigen Duell der deutschen Drogerie-Magnaten Erwin Müller und Raoul Rossmann eine bedeutende Rolle.
Müller ja, Rossmann nein, lautet die Devise des orangen Riesen. Angesichts der hart umkämpften Standorte ein ernst zu nehmender Faktor. Nicht nur bei Alnatura, sondern auch bei den aufgegebenen Fachformaten Do it, Melectronics und SportX bekam Müller in verschiedenen Regionen den Zuschlag. Die Logik bei der Auswahl erschliesst sich nicht auf den ersten Blick, erteilte der Migros-Chef ausländischen Drogerieketten doch ursprünglich generell eine Absage. «Wir würden uns selber konkurrenzieren mit einem Drogerieanbieter wie Rossmann im Haus», sagte Mario Irminger Ende 2024 zu «Blick», als Rossmann die erste Schweizer Filiale eröffnete. Dies gelte für das Angebot im Supermarkt, aber auch für die zur Migros gehörenden Medbase-Apotheken.
Mit Unterstützung der Migros gelingt Müller in der Schweiz nun schon der zweite Expansionscoup. Bereits vor über zwei Jahren kaufte der Konzern die Spielwarenkette Franz Carl Weber dem FDP-Nationalrat Marcel Dobler ab. Der Digitec-Mitgründer versprach damals, die neuen Eigentümer würden die traditionsreichen Spielwarenhäuser weiterführen. Für die Kundschaft ändere sich nichts.
Erwin Müller, der 92-jährige Gründer und Geschäftsführer der Kette, zeigte aber wenig Sinn für Nostalgie. Weil die Renditen nicht stimmten, schloss er bald Filialen und wandelte viele Läden des traditionsreichen Spielwarenverkäufers in Müller-Drogerien um, zuletzt auch den ehemaligen Flagship-Store beim Zürcher Hauptbahnhof. Ob dies von Anfang an Teil von Müllers Kalkül war, lässt sich nicht belegen.

Viele der von Müller übernommenen Läden von Franz Carl Weber machten dicht oder wurden in Drogerien umgewandelt. Die Rendite war zu niedrig.
keystone-sda.ch
Viele der von Müller übernommenen Läden von Franz Carl Weber machten dicht oder wurden in Drogerien umgewandelt. Die Rendite war zu niedrig.
keystone-sda.chKlar ist hingegen: Mit der Eröffnung der ersten Rossmann-Filiale vor rund einem Jahr kam der Platzhirsch unter Druck. Mittlerweile gibt es 90 Müller-Filialen in der Schweiz, und dank der Migros kommen weitere hinzu. Nach Deutschland und Österreich ist es der drittwichtigste Markt des Konzerns. Doch im europäischen Vergleich ist Müller mit 957 Filialen gegenüber Rossmann mit gegen 5000 Standorten der klare Underdog. Den Kernmarkt Schweiz zu verteidigen, dürfte weit oben auf Erwin Müllers Agenda stehen. Der Unternehmensgründer und gelernte Coiffeur tritt selten in der Öffentlichkeit auf, die Firma ist verschwiegen. Der in der Nähe von Ulm lebende Milliardär machte seine Haltung gegenüber Medien klar, als er ausnahmsweise mit einem Journalisten der «Schwäbischen Zeitung» sprach. «Die Presse zieht mich ständig durch den Dreck. Deshalb rede ich mit denen nicht.»
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Der Platzhirsch: Erwin Müller. Die Schweiz ist für den 92-jährigen Patron ein Kernmarkt, den es zu verteidigen gilt.
imago images/VISTAPRESSZuletzt ist ihm ein weiterer Coup gelungen, um das Filialnetz zügig auszubauen und den Rivalen auf Distanz zu halten.
DukasRaoul Rossmann ist da zugänglicher und hat Verzögerungen bei der Schweiz-Expansion eingeräumt. 15 Filialen sollten es bis Ende Jahr werden, diese Marke wird das Unternehmen mit voraussichtlich 11 Standorten verfehlen. Unternehmensleiter Rossmann begründete das in der «Lebensmittel Zeitung»: «Nicht, weil wir nicht wollen, sondern weil es von Vermieterseite aus komplex ist.»
Damit dürfte er auch die Migros gemeint haben. Dabei kennen sich Raoul Rossmann und Mario Irminger noch aus dessen Zeit als Denner-CEO: Damals holte Irminger Bio-Lebensmittel und Pflegeprodukte wie Haarshampoo und Zahnpasta von Rossmann ins Sortiment. Als Migros-Chef aber sieht er den deutschen Händler heute vor allem als harten Konkurrenten. Zwar liegt der Entscheid über die Vermietung in der Kompetenz der einzelnen Genossenschaften, welche die meisten Immobilien besitzen. Doch aus der Zentrale sei die Order gekommen, Rossmann fernzuhalten, wie aus Genossenschaftskreisen verlautet.
Mit dem Aus der von der Genossenschaft Zürich betriebenen Alnatura-Supermärkte werden viele Flächen frei.
Sven ThomannMigros-Chef Mario Irminger will Rossmann-Filialen fernhalten. Müller erhält dagegen zehn Standorte.
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Eine Migros-Sprecherin sagt, man sehe Müller als Ergänzung zu einem attraktiven Mietermix, der Kundenströme bringe. Es sei ein Abwägen zwischen Konkurrenz und solchen Frequenzen, wenn es darum gehe, Nachmieter zu finden. Für Nervosität beim Grossverteiler sorgt vor allem das Lebensmittelsortiment von Rossmann, wie Migros-Verantwortliche hinter vorgehaltener Hand einräumen. Nicht ohne Grund: Ein Augenschein in der Anfang September eröffneten Filiale im Einkaufszentrum Glatt zeigt gleich zwei Regalreihen voller Lebensmittel – von Kaffee über Olivenöl bis hin zu Süssigkeiten und vielen Bio-Artikeln. Darunter auch Ware von Alnatura, die bei der Migros nach der Schliessung der eigenen Alnatura-Supermärkte ebenfalls vermehrt im Regal stehen. Dazu kommt ein breites Angebot an Tiernahrung sowie Wasch- und Putzmitteln. Überschneidungen gibt es auch mit Müller, etwa bei den günstigen Eigenmarken von Pflegeprodukten. Doch die seit 2005 in der Schweiz aktive Drogeriekette setzt auch stark auf Markenparfums, Naturkosmetik und ein Beauty-Sortiment im mittleren bis höheren Preissegment. Das Angebot variiert je nach Standort. In einigen ehemaligen Franz-Carl-Weber-Standorten sind Spielwaren zudem immer noch ein Schwerpunkt: Im ehemaligen Flagship-Store am Zürcher Bahnhofplatz belegen sie mehr als ein Stockwerk.
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Für Marktbeobachter ist klar: Rossmann geht trotz der jüngsten Rückschläge zielstrebig voran. «Rossmann meint es ernst mit der Expansion in der Schweiz. Die sind gekommen, um zu bleiben, und lassen sich von der Migros höchstens vorübergehend ausbremsen», sagt Detailhandelsexperte Marcel Stoffel. Die Strategie der Migros, den Newcomer von den eigenen Häusern fernzuhalten, könnte sich als kurzsichtig erweisen. «Rossmann tut jedem Einkaufszentrum gut», so Stoffel. Ein solcher Magnet für Kundinnen und Kunden bringt auch den umliegenden Läden mehr Umsatz. Ob sich die zehn Genossenschaften dem Befehl der Zentrale weiterhin unterordnen, wenn Läden von Dritten in ihren Einkaufszentren schliessen, ist alles andere als gewiss. «Der Druck auf die Migros-Genossenschaften, frei werdende Flächen an Konkurrenten zu vermieten, hat zugenommen», sagt Stoffel. Der stationäre Handel ist in vielen Branchen in Bedrängnis, weil die Kundschaft online bestellt. Wenn Händler ihr Ladennetz ausdünnen und auf eine Präsenz in Einkaufshäusern verzichten, müssen die Betreiber attraktive neue Mieter finden. In den Migros-Genossenschaften sind deshalb offenbar auch Aldi und Lidl als Untermieter kein Tabu mehr.
Im umsatzstärksten Schweizer Einkaufszentrum Glatt ist das schon Realität. Gleich neben dem Migros-Supermarkt steht ein Aldi, und auch Rossmann ist nur wenige Schritte entfernt. Die Migros konnte dabei nicht mitreden – nicht mehr. Das Glattzentrum gehörte bis 2020 dem Grossverteiler, bevor dieser es an Swiss Life veräusserte. Auch von anderen Portfoliobereinigungen der Migros profitiert nun der deutsche Drogerie-Discounter, der in mehrere ehemalige Standorte von Depot zog. Der Dekowaren-Anbieter gehörte einst zum Migros-Universum und war eines der Sorgenkinder des Konzerns. Von der Migros an die Gründer zurückverkauft, überlebten die 34 Schweizer Läden einige Jahre, bis Depot Anfang Jahr in Konkurs ging.
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Rossmann zeigt sich derweil trotz der Migros-Störmanöver unbeirrt im Plan, die Expansion in der Schweiz voranzutreiben. Schweiz-Chef Fabrizio D’Ascenzo gibt sich gelassen: «Wir wachsen Schritt für Schritt.» Dabei setzt man auf ein nachhaltiges, stabiles Wachstum. «Langfristig sehen wir Potenzial für 100 Filialen in der Schweiz», sagt D’Ascenzo und bestätigt damit das von seinem Chef Raoul Rossmann gesetzte Ziel, das dieser in fünf bis sechs Jahren erreichen will. Im kommenden Jahr sollen zehn neue Standorte dazukommen, sagt D’Ascenzo. Dabei schweizern die Deutschen ihr Sortiment ein. Die Kundschaft lege Wert auf Regionalität und bekannte Schweizer Marken, sagt der Länderchef.
Während Rossmann und Müller hierzulande um die besten Standorte buhlen, hält sich die grösste deutsche Drogeriekette von der Schweiz fern. DM Drogerie-Markt erzielt weltweit über 19 Milliarden Euro Umsatz und liegt damit deutlich vor Rossmann (15 Milliarden) und Müller, die zwar keine Zahlen veröffentlicht, aber bekannt gab, dass man 5 Milliarden überschritten habe. DM ist beschäftigt mit der Expansion in Märkten wie Polen und Italien, wo das Unternehmen gerade stark investiert und je nach Land rote Zahlen schreibt. Dem Markteintritt in die Schweiz hat CEO Christoph Werner – Sohn des DM-Gründers Götz Werner – eine Absage erteilt. Stattdessen setzt er auf eine Zusammenarbeit mit Manor. Der Warenhausbetreiber verkauft seit 2024 ein rund 150 Artikel umfassendes Sortiment der DM-Eigenmarke Balea in seinen Läden und im Onlineshop. Viele Schweizerinnen und Schweizer, die regelmässig in Deutschland einkaufen, kennen die DM-Produkte schon länger. Interessantes Detail: Viele Balea-Artikel werden von Mibelle hergestellt, dem Industriebetrieb, den die Migros mittlerweile ebenfalls verkauft hat. Im Gegensatz zum orangen Riesen scheut Manor die neue Konkurrenz allerdings nicht. Die erste Rossmann-Filiale eröffnete vor gut einem Jahr im Emmen Center, wo nicht nur ein Manor steht, sondern das auch der Manor-Muttergesellschaft Maus Frères gehört. Offenbar kam man in der Familienholding zum Schluss, dass Rossmann mehr Vorteile durch zusätzliche Kundschaft als Nachteile bringt.
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Das zeigt auch der Markteintritt eines anderen ausländischen Players. Der niederländische Billiganbieter Action rollt seit Frühling dieses Jahres sein Konzept aus mit Baumarkt- und Körperpflegeartikeln, Spielzeug sowie Getränken und Snacks. Damit bedrängt er Grossverteiler und Discounter – könnte man meinen. Laut Lidl-Schweiz-Chef Nicholas Pennanen steigen aber die Umsätze in den Filialen des Discounters, wenn ein Action-Ableger in der Nähe eröffnet. Die Konkurrenz bringe neue Kundschaft in die Lidl-Läden.
Derweil sind die deutschen Drogerieketten mit ihren im hart umkämpften deutschen Markt erprobten Konzepten zu bedeutenden Playern im europäischen Detailhandel aufgestiegen. Sämtliche drei Anbieter sind familiengeführt und damit in der Lage, ohne Druck von Aktionären langfristige Expansionspläne umzusetzen. Nun könnten sie bald die nächste Stufe in der Wachstumsstrategie zünden. DM hat die baldige Lancierung einer Onlineapotheke angekündigt. Gelingt dem Marktführer der Einstieg in dieses Segment, dürften auch Rossmann und Müller gezwungen sein, den Service anzubieten. Der deutsche Handelsprofessor Carsten Kortum sagte dazu in der «FAZ»: «Wenn die Onlineapotheke von DM erfolgreich sein sollte, müssen Rossmann und Müller nachziehen.» In der Schweiz mischen die beiden Marktführer im Detailhandel gross im Apothekengeschäft mit. Coop betreibt 86 Vitality-Standorte, die Migros hält mit über 50 Medbase-Apotheken und dem Onlinehändler Zur Rose dagegen. Mittelfristig könnten die deutschen Anbieter auch diesen Bereich aufmischen, obwohl in der Schweiz strengere Gesetze für den Versand von Medikamenten gelten als in Deutschland.
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Der von Migros-Chef Mario Irminger gefürchtete Wettbewerb gegen deutsche Drogerie-Anbieter wird sich in den kommenden Jahren so oder so verschärfen. «Wir sind beim Wachstum nicht von der Migros abhängig», sagte Raoul Rossmann, Sohn des Firmengründers Dirk Rossmann, zur «Handelszeitung». Geduld und einen langen finanziellen Atem hat er schon im Aufbau von anderen Auslandsmärkten bewiesen. Seine Erkenntnis nach dem etwas holprigen Start in der Schweiz: «Dass wir weitermachen wollen.»
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