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Khan-Affäre

Das CS-Theater ist absurd

Niemand glaubt, dass CS-Chef Tidjane Thiam nichts von der Bespitzelung gewusst hat. Doch Präsident Rohner fehlt der Mut zum Durchgreifen.

Dirk Schütz

Urs Rohner Tidjane Thiam Credit Suisse

Sie wussten von nichts: CS-Präsident Urs Rohner, CS-CEO Tidjane Thiam.

Keystone

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Als «L’étranger» liess sich Tidjane Thiam Ende August grossflächig im «Economist» huldigen, ganz in der Pose des Helden im Meisterwerk des grossen Existenzialisten Albert Camus. Historiker werden vielleicht einmal festhalten: Da stand der CS-Chef auf dem Höhepunkt seines Ruhms – der Absturz war umso heftiger. Nach den jüngsten Volten bleibt nur der Rückgriff auf einen anderen grossen Literaten, der mit seinem absurden Theater die perfekte Beschreibung für das CS-Chaos liefert: Samuel Beckett. Statt «Warten auf Godot» heisst dieses Stück jedoch: «Warten auf Tidjane».
 
Denn wenn die grosse Geschichte des Amok-Sololaufs seines engsten Untergebenen Pierre-Olivier Bouée wirklich stimmt, wie CS-Präsident Rohner am Dienstag glauben machen wollte, dann müsste doch ein hoch emotionaler Thiam vor die Weltöffentlichkeit treten und laut ausrufen: Verrat! Mein engster Mitarbeiter hat mich hintergangen! Er verdient die Höchststrafe!

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Doch was macht der sonst so eloquente Chef? Er schweigt. Kein öffentlicher Auftritt, keine Distanzierung von der dilettantischen Spionage-Aktion, keine Entschuldigung an den verfolgten Iqbal Khan. Niemand glaubt, dass Thiam nichts von der Bespitzelung gewusst hat. Und diesen Eindruck verstärkt er höchstpersönlich – durch sein Schweigen.

Warum hat Rohner Thiam nicht geschasst? 

Das führt zu der Schlüsselfrage: Warum hat Rohner Thiam nicht geschasst? Erster Antwortversuch: Die grossen Aktionäre decken ihn. Eine eher sinnfreie – sprich absurde – Begründung. Am Dienstag, als der Verbleib Thiams verkündet wurde, fiel die Aktie um drei Prozent. Der Umkehrschluss könnte heissen: Wenn er geht, steigt der Kurs.

Aktionäre, die sich als Thiam-Fans outen, müssen ohnehin eine masochistische Ader haben: Seit seinem Amtsantritt hat sich der Kurs mehr als halbiert.

Zweiter Antwortversuch: Es lässt sich kein Nachfolger finden. Doch das ist erst recht absurd. 12 Millionen Jahressalär, Weltkonzern, Wohnsitz in der Traumstadt Zürich – jeder nur mässig begabte Headhunter könnte rasant eine valable Kandidatenliste basteln, von den Versicherungs-Lenkern Patrick Frost (Swiss Life), Thomas Buberl (Axa) oder auch Mario Greco (Zürich) bis zu den Ex-UBS-Granden Andrea Orcel und Jürg Zeltner – und da ist die nächste Generation noch gar nicht erwähnt.

Unersetzbar ist niemand – sicher auch Thiam nicht, der vor der CS noch nie bei einer Bank gearbeitet hatte. Offenbar fehlte dem Verwaltungsrat der Mut zum Durchgreifen. Ausgestanden ist das Theater damit noch nicht.

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Dirk Schütz

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