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Geschäft mit Elektromotoren

Auf Karibik-Kreuzfahrt mit der ABB

Mit Cruisern bringen den Industriekonzern die wenigsten in Verbindung. Doch in und an Schiffen wie der «Star of the Seas» steckt viel ABB.

Michael Heim Handelszeitung

<p>Volle Fahrt mit dem ABB-­Antrieb: Der Megakreuzer «Star of the Seas» ist vor kurzem in See gestochen.</p>

Volle Fahrt mit dem ABB-Antrieb: Der Megakreuzer «Star of the Seas» ist vor kurzem in See gestochen.

ZVG

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Vor kurzem hagelte es wieder Rekorde. Mit der «Star of the Seas» nahm ein Kreuzfahrtschiff seinen Betrieb auf, das in 2805 Kabinen bei Vollbelegung rund 7600 Passagiere beherbergen kann. Zusammen mit dem Personal ist damit eine Kleinstadt auf dem Schiff der Reederei Royal Caribbean unterwegs: 10’000 Seelen an Bord. Die finnische Werft Meyer Turku arbeitete mehr als ein Jahr lang am Kreuzer. Ein Milliardengeschäft.

Ein Prestigeobjekt ist das Schiff auch für den Schweizer Industriekonzern ABB. Denn was kaum jemand weiss: Die ABB produziert an zwei Standorten in Finnland und China Schiffsantriebe und ist in ihrem Segment Weltmarktführerin. Es dürfte sich um die grössten Maschinen handeln, die der Industriekonzern heute noch herstellt. Und weil es sich dabei um elektrische Antriebe handelt, erinnern sie zugleich an die Geschichte des Konzerns, der einst mit Elektromotoren startete.

Dank Elektromotoren Sprit sparen

Das Spezielle: Während bei einem traditionellen Schiffsdiesel die Schraube direkt vom Motor angetrieben wird, generiert der mit Flüssiggas betriebene Verbrenner bei der «Star of the Seas» erst mal nur Strom. Mit diesem werden dann drei Azipod-Elektromotoren betrieben, die als «Gondel» ausserhalb des Rumpfs montiert und mit je einer Schraube verbunden sind. Zwar geht durch die Umwandlung zuerst Energie verloren. Weil Elektromotoren aber dynamischer eingesetzt werden können, verspricht die ABB dennoch einen Effizienzgewinn. Ein Schiff wie die «Star of the Seas» könne pro Jahr bis zu 2 Millionen Dollar Spritkosten einsparen.

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Und noch etwas haben die ABB-Aussenborder dem traditionellen Antrieb voraus: Sie können um 360 Grad gedreht werden und machen das Schiff wendiger, was für riesige Kreuzfahrtschiffe in engen Hafenanlagen ein entscheidender Vorteil ist. Rund 350 Schiffe sind derzeit mit Azipods ausgestattet. Darunter die grössten Cruiser und viele Eisbrecher.

<p>Riesig und frei schwenkbar: Zwei Azipod-Antriebe von ABB an einem Eisbrecher im Trockendock. Wie bei Flugzeug-Propellern sind die Schiffsschrauben direkt am Antrieb montiert – in Fahrtrichtung nach vorne. </p>

Riesig und frei schwenkbar: Zwei Azipod-Antriebe von ABB an einem Eisbrecher im Trockendock. Wie bei Flugzeug-Propellern sind die Schiffsschrauben direkt am Antrieb montiert – in Fahrtrichtung nach vorne. 

<p>Riesig und frei schwenkbar: Zwei Azipod-Antriebe von ABB an einem Eisbrecher im Trockendock. Wie bei Flugzeug-Propellern sind die Schiffsschrauben direkt am Antrieb montiert – in Fahrtrichtung nach vorne. </p>

Riesig und frei schwenkbar: Zwei Azipod-Antriebe von ABB an einem Eisbrecher im Trockendock. Wie bei Flugzeug-Propellern sind die Schiffsschrauben direkt am Antrieb montiert – in Fahrtrichtung nach vorne. 

So speziell das Produkt ist – für die ABB sind die Motoren ein wichtiges Aushängeschild für den Geschäftsbereich Marine & Ports, der rund 1,5 Milliarden Dollar Umsatz generiert. «Wer Eisbrecher oder Kreuzfahrtschiffe baut, soll als Erstes an uns denken», sagt ABB-Manager Peter Terwiesch, Leiter der Sparte Prozessautomatisierung, zu der das Geschäft gehört. Für die ABB geht es um weit mehr als nur um den Antrieb der Schiffe. Denn auch die Elektroinstallationen, die Generatoren oder die Software für die Brücke stammen von der ABB. Und die damit verbundenen Serviceleistungen.

Kerngeschäft – oder die nächste Auslagerung?

Ein exotisches Geschäft mit überschaubarem Umsatz – wer die ABB kennt, fragt sich, welche Zukunft das im 33-Milliarden-Dollar-Konzern hat, der zuletzt mit Verkäufen und Spin-offs aufgefallen ist: 2020 der Verkauf von Power Grids, 2022 die Auslagerung der Turbolader in Accelleron, das derzeit angekündigte Spin-off der Robotersparte, die einst als die Zukunftsgarantin des Konzerns galt. Für die ABB ein Vergleich ohne Grundlage. Unlängst hat Terwiesch eine Gruppe Journalisten eingeladen, um die Fabrik in Helsinki zu besichtigen (auch die Handelszeitung war dabei). Die Schiffsmotoren passten perfekt in die strategische Ausrichtung «Elektrifizierung und Automatisierung», so seine Kernbotschaft. Doch galt das nicht einst auch für die Roboter?

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Die Gäste auf der «Star of the Seas» dürfte das nicht interessieren. Vielleicht fällt ihnen auf, dass das Schiff etwas anders navigiert, ruhiger fährt oder auch im engen Hafenbecken von Miami eine Wendung hinlegt, die sonst nur mit Schleppern möglich wäre. Bevor sie sich dann auf einer Rutschbahn des Aquaparks in die Tiefe stürzen.

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