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Zollkrampf für Victorinox

«13 Millionen Dollar Zusatzkosten im Jahr»

Victorinox-Besitzer Carl Elsener leidet unter dem harten Franken und den hohen US-Zöllen. Nun muss er überall sparen.

Stefan Barmettler HZ

<p>Der wichtigste Exportmarkt von Victorinox sind die USA. Carl Elsener setzt alles daran, den Druck durch die neuen Zölle abzufedern und Lösungen zu finden.</p>

Der wichtigste Exportmarkt von Victorinox sind die USA. Carl Elsener setzt alles daran, den Druck durch die neuen Zölle abzufedern und Lösungen zu finden.

Keystone

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Carl Elsener, Sie waren im Engadin in den Ferien. Wie oft haben Sie auf die Nachrichten geschaut?

Natürlich haben mich die Entwicklungen um die US-Zölle auch in den Ferien beschäftigt. Aber ich habe mir gesagt: Erst die Erholung, dann besonnen und mit kühlem Kopf die Herausforderungen anpacken. Genau das ist jetzt wichtig.

Ein Plus von 39 Prozent bei den Importen in die USA ist ein Schlag. Vergleichbar mit 9/11, als der Flugverkehr stillstand?

Die Nachricht von den 39 Prozent zusätzlichen Zöllen war ein Schock, es war, als wäre ich im falschen Film. Ich hatte mit ähnlichen Tarifen gerechnet wie die, mit denen Europa abgestraft wurde, aber nicht mit einer derart drastischen Massnahme. 

Kein Vergleich mit 9/11?

Bei diesem tragischen Ereignis war unsere wichtigste Produktkategorie betroffen. Der Umsatz der Taschenmesser sank fast über Nacht um einen Drittel. Heute ist es unser wichtigster Exportmarkt, die USA, der durch die Zölle massiv unter Druck gerät. Für uns heisst es jetzt, alles daranzusetzen, um die Belastung abzufedern, und Lösungen zu finden.

Das Problem: Victorinox setzt auf Swiss Made und produziert in der Schweiz.

Swiss Made ist unser Markenkern. Unsere Taschenmesser, Berufs- und Küchenmesser sowie Uhren werden in der Schweiz produziert. Gleichzeitig müssen wir auf die massiven Zölle reagieren. Neben dem engen Austausch mit unserem Team in den USA prüfen wir neue Marktchancen. Allerdings wissen wir, dass der Aufbau eines neuen Marktes Zeit, Geduld und Ressourcen erfordert.

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Wo sehen Sie Potenzial?

Derzeit in Indien und in lateinamerikanischen Märkten. Für unser Reisegepäckgeschäft sind zudem aufstrebende Märkte in Asien interessant, Indonesien, Thailand und die Philippinen. Gleichzeitig investieren wir weiter in unsere Kernmärkte, speziell die Schweiz, um dort unsere Position zu festigen.

Wie gross ist Export in die USA?

Die USA sind unser wichtigster Exportmarkt: Rund 13 Prozent unseres Gesamtumsatzes erwirtschaften wir dort, bei Berufs- und Küchenmessern sind es sogar 18 Prozent.

Bei den Berufsmessern für die USA steigen die Zölle von  4,6 auf fast 44 Prozent. Sind Sie da überhaupt noch konkurrenzfähig gegenüber inländischer Konkurrenz?

Bei den Berufsmessern ist es besonders kritisch. Der Spielraum in der Preisgestaltung ist begrenzt, da diese Messer mehrheitlich an Händler und professionelle Abnehmer gehen. Mit dem neuen Zollsatz von fast 44 Prozent geraten wir ins Hintertreffen gegenüber US-Herstellern und stehen zusätzlich im Wettbewerb mit europäischen Anbietern, die von deutlich tieferen Zöllen betroffen sind.

Wie soll da die Rechnung aufgehen?

Kurzfristig können wir dank unserer Lagerbestände noch konkurrenzfähig bleiben, ohne sofort die Preise anzuheben. Langfristig ist klar: Wenn die Zölle auf diesem Niveau bleiben, sind wir in diesem Segment nicht mehr wettbewerbsfähig. Deshalb können wir die Zölle nicht einfach eins zu eins weitergeben, sondern müssen sehr differenziert prüfen, welche Preisanpassungen im Markt tragbar sind. Unser Ziel ist, wettbewerbsfähig zu bleiben, ohne unsere Markenwerte zu verwässern. Was unter den aktuellen Zollbedingungen alles andere als einfach ist.

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Ist so das US-Geschäft noch rentabel?

Die neuen Zölle treffen auf eine ohnehin angespannte Lage. Der starke Franken hat unsere Wettbewerbsfähigkeit und Margen in den letzten Jahren bereits erheblich unter Druck gesetzt. Die neuen Abgaben verschärfen diese Situation drastisch. Ein Gesamtzollsatz von rund 44  Prozent, kombiniert mit einer Abwertung des Dollars um etwa 12 Prozent seit Jahresbeginn ist eine massive Herausforderung für unsere Wettbewerbsfähigkeit, Margen und Strategie. Kurzfristig können wir dank vorausschauender Lageraufstockungen die Belastung noch etwas abfedern. Mittel- bis langfristig überschreiten die Mehrkosten aber klar die wirtschaftliche Schmerzgrenze. Ab 2026 rechnen wir mit bis zu 13 Millionen Dollar Zusatzkosten pro Jahr.

Was heisst dies für Produktion in Ibach im Kanton Schwyz?

Um die massiven Mehrkosten abzufedern, braucht es den Beitrag und die Mitwirkung des gesamten Unternehmens. Überall, wo es möglich ist, müssen wir Kosten sparen, Prozesse optimieren, die Effizienz steigern. Es braucht den festen Willen, diese Situation gemeinsam zu meistern. Trotz allem bleibt klar: Der Kern der Wertschöpfung, das Herzstück von Victorinox, bleibt in Ibach. Swiss Made ist nicht verhandelbar. Die 44 Prozent Zölle zwingen uns aber, noch kreativer und widerstandsfähiger zu werden, um unseren Standort langfristig abzusichern.

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Was liegt bei der Automatisierung drin?

Automatisierung ist für uns ein zentrales Thema, um die Wettbewerbsfähigkeit am Standort Ibach langfristig zu sichern. Wir investieren kontinuierlich in moderne Maschinen und digitale Fertigungsprozesse, um effizienter zu werden und Kosten zu senken. Doch nicht alles lässt sich automatisieren. Unsere Produkte leben von Präzision, Handarbeit und der Erfahrung unserer Mitarbeitenden. Ein Schweizer Taschenmesser oder ein hochwertiges Berufsmesser braucht auch heute noch Arbeitsschritte, die Fingerspitzengefühl und menschliche Kontrolle erfordern. Genau hier liegt ein Teil der Qualität, die unsere Kundinnen und Kunden weltweit schätzen.

Ist Kurzarbeit bald ein Thema?

Am Standort Ibach ist sie aktuell noch kein Thema. Unsere frühzeitige Lageraufstockung in den USA verschafft uns Spielraum, sodass wir bis Ende Jahr auf Preiserhöhungen verzichten und den Betrieb voraussichtlich normal weiterführen können. Ob wir zu einem späteren Zeitpunkt zu solchen Massnahmen greifen müssen, hängt davon ab, wie lange die Zölle in dieser Höhe bestehen bleiben und wie sich der US-Markt entwickelt. 

Eine Kooperation mit einem US-Partner?

Dank unserer Lageraufstockung in den USA können wir bis Ende Jahr auf Preiserhöhungen verzichten. Diese Zeit nutzen wir, um mit unserem US-Team eine tragfähige Strategie zu erarbeiten. Wir evaluieren bereits, in welchem Umfang Preiserhöhungen im nächsten Jahr umsetzbar sind, um so eine Balance zwischen wirtschaftlicher Notwendigkeit und Marktfähigkeit zu finden. Auch prüfen wir, einzelne Arbeitsschritte am Ende der Wertschöpfungskette wie Endreinigung und Verpackung von Berufsmessern vor Ort durchzuführen. Lieferungen nach Kanada werden künftig direkt aus der Schweiz erfolgen anstatt über das US-Lager. 

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Ihre drei wichtigsten Erfahrungen aus den letzten Krisen?

Fexibel, widerstandsfähig und breit aufgestellt sein. Die Zölle in den USA zwingen uns, wachsam zu bleiben, Chancen zu erkennen und Risiken frühzeitig zu managen. Dabei gilt für uns ein alter Grundsatz: Spare in der Zeit, dann hast du in der Not. In guten Jahren investieren wir gezielt, bauen Reserven auf und schaffen Strukturen, die uns in schwierigen Zeiten handlungsfähig halten. Krisen sind schmerzhaft, können aber auch Motor für Weiterentwicklung sein.

Sie produzieren Koffer in Vietnam. Dort gelten 20 Prozent Zoll für die USA.

Unser Reisegepäck wird in der Schweiz entwickelt und bei führenden Partnern in Asien nach strengsten Qualitätsstandards gefertigt. In den USA unterliegen die Produkte je nach Herkunft unterschiedlichen Zöllen, die zwischen 30 und 40 Prozent liegen. Für Vietnam kommen zusätzlich rund 20 Prozent auf die bisherigen 15 bis 20 Prozent Zoll hinzu. Da die Mehrheit unserer Mitbewerber denselben Hürden ausgesetzt ist, entsteht dadurch für sie kein Wettbewerbsvorteil. Entscheidend bleiben daher Design, Qualität und die starke Marke Victorinox.

Bei den Uhren steigt der Zoll auf 45,2 Prozent. Wie soll das gehen?

Hier trifft es uns ähnlich hart wie bei den Taschenmessern. Das ist eine massive Belastung, die unsere Wettbewerbsfähigkeit in den USA stark unter Druck setzt. Wir reagieren mit Augenmass: Preisanpassungen dort, wo es der Markt zulässt, kombiniert mit Effizienzsteigerungen und einem Fokus auf Differenzierung über Design, Qualität und Swiss Made. Gerade im Uhrensegment spielt die Herkunft Made in Switzerland eine entscheidende Rolle. Sie verschafft uns einen gewissen Spielraum bei der Preissetzung, doch auch dieser hat Grenzen. Es bleibt ein Balanceakt, den wir nur mit Kreativität, Flexibilität und enger Zusammenarbeit mit unseren Partnern meistern können.

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Sprechen Sie sich eigentlich mit anderen Exporteuren ab? 

Ja, wir pflegen den Austausch, gerade mit jenen Branchen und Unternehmen, die von den US-Zöllen besonders stark betroffen sind. Dieser Dialog ist wertvoll, weil wir voneinander lernen können, wie man auf so massive Veränderungen reagieren soll. Besonders wichtig ist für mich auch der Austausch mit anderen Familienunternehmen. Wir stehen oft vor ähnlichen Herausforderungen und haben ein vergleichbares Verantwortungsverständnis gegenüber Mitarbeitenden und Standorten. Zudem verfolge ich aufmerksam, wie andere betroffene Firmen in Interviews Stellung beziehen und welche Massnahmen sie ergreifen. Das gibt wertvolle Anregungen, auch wenn am Ende jedes Unternehmen seinen eigenen Weg finden muss.

Über die Autoren
Stefan Barmettler HZ

Stefan Barmettler

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