Guten Tag,
Schweizer Firmen wie Thermoplan, Kuhn Rikon, Ricola und Victorinox leiden unter dem Zolldiktat. Die Folgen sind dramatisch.
Donald Trump zündete am sogenannten Liberation Day ein Zollfeuerwerk.
Bloomberg via Getty ImagesWerbung
Der «Film», der bei Adrian Steiner in den letzten Tagen lief, heisst: «When Weggis Meets Seattle». Der Chef von Thermoplan weilte an der Westküste der USA, Sitzung reihte sich an Sitzung, er war zu Besuch beim grössten Kunden, dem Milliardenkonzern Starbucks, der im Hafenquartier von Seattle domiziliert ist. Offiziell ging es bei den Gesprächen um die nächste Generation der Kaffeemaschine, die in den über 40’000 Starbucks- Filialen dereinst Americanos, Flat Whites und Cappuccinos brauen soll.
Steiner ist gefordert: Die neuen Modelle müssen ab 2027 in den Coffeeshops betriebsbereit sein. Noch mehr ist der Thermoplan-Chef aber von Donald Trump getrieben, der täglich für neue Überraschungen sorgt – meistens negative. Mal erhöht der US-Präsident die Zölle für Stahl, dann für Aluminium, am 1. August triffts Kupfer, und zwar um 50 Prozent. Dasselbe mit dem Kaffee aus Brasilien, wo der Zoll von null auf 50 Prozent schnellt – und Steiners Kunden wie Starbucks und Kentucky Fried Chicken empfindlich trifft. Der Starbucks-Aktienkurs brach bei der Ankündigung um 5 Prozent ein. Es geht Schlag auf Schlag. «Den Überblick zu behalten, ist heute fast unmöglich», sagt Steiner, der schon viele Herausforderungen meisterte – Finanzkrise, Lieferkettenunterbruch, Covid und stets den stahlharten Franken.
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Wie Steiner geht es den meisten Chefs von KMU, die aus Weggis LU, Laufen BL oder Triengen LU in die USA exportieren. Bei vielen macht sich Desillusionierung breit. Bei der Exportagentur Switzerland Global Enterprise (SGE) meldeten sich bis Mitte Juni sechshundert Firmen, um sich in Sachen Trump-Zölle beraten zu lassen. «Das sind deutlich mehr als sonst und es widerspiegelt die aktuelle Unsicherheit», resümiert SGE. In den letzten Wochen dürfte die Zahl der Anrufe weiter gestiegen sein. Die Stimmung ist mies: Fast zwei Drittel der Exporteure prognostizieren, dass ihre Umsätze 2025 stagnieren oder schrumpfen werden.
Es ist eine abrupte Stimmungswende, denn Trumps Vorgänger Joe Biden lockte ausländische Firmen mit «tax holidays» an, mit Subventionen, mit Zuschüssen bei Landkauf, mit dem Inflation Reduction Act, der jenen Betrieben Milliarden gutschrieb, die in den USA Arbeitsplätze schufen. Während Biden mit der Karotte hantierte, schwingt Trump die Zollkeule. Und unterminiert damit die Planungssicherheit der Unternehmen und den Dollar.
Bislang gilt für Güter aus der Schweiz ein Strafzoll von 10 Prozent auf den bestehenden Zöllen. Dazu kommen je nach Material und Herkunft zusätzlich Belastungen von 20 bis 130 Prozent. Schlimm trifft es diejenigen, die auf «Swiss made» setzen, in China Ersatzteile ordern, in der EU produzieren, viel Stahl oder Kupfer verbauen, in den USA keine Produktion haben – und einen US-Konkurrenten im Nacken. Für sie wirds eng.
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Viele KMU wüssten gar nicht, wie viel Zoll sie auf welche Rohstoffe oder Vorprodukte zahlten, sagt Mathias Bopp, Leiter indirekte Steuern bei KPMG. «Das rächt sich nun.» Bopp hat die Unternehmer, die sich jetzt durch oft Tausende Zollpositionen quälen, am Draht. Bei 2 oder 3 Prozent waren die Zölle «quantité négligeable», doch nun, da Trump mit «tariffs» von bis zu 90 Prozent hantiert, gehen die Versäumnisse der Vergangenheit plötzlich ins Geld. Selbst ein simples Produkt wie ein Abfallkübel wird da zur Blackbox. Zu beachten sind Finessen wie die, dass der Stahl dort besteuert wird, wo er galvanisiert wurde. Denn das könnte bedeuten, dass man den Rostfrei-Finish womöglich künftig besser in Grossbritannien macht, das – anders als die Schweiz – einen Deal mit Trump hat und wo die Exportzölle gen Westen tiefer sind. Oder dass man Batterien aus China fest in ein Gerät einbauen muss, wenn man verhindern will, dass einem beim Export in die USA die hohen chinesischen Zollsätze Marge und Profit verhageln. «Entscheidend ist immer der Ort, wo ein Produkt die letzte grosse Transformation erfahren hat», sagt der Experte. Doch was das heisst, muss man wissen.
Es trifft nicht nur die Kleinen, auch die Grossen müssen sich nach der Decke strecken. In den Konzernzentralen von Roche, Novartis oder ABB sorgt der Handelskonflikt seit Monaten dafür, dass die Lichter in den Büros abends länger brennen; er hält Heerscharen von Lobbyisten, Beratern und Handelsjuristen auf Trab und absorbiert Managementressourcen, die beim Geschäft fehlen. Kurzfristig hilft das Verschippern möglichst vieler Produkte in die USA, bevor der Zollhammer fällt; der Effekt lässt sich an den Exportdaten sehen, die im März durch die Decke gingen. Ein letztes Aufbäumen vor dem Katzenjammer. Auch «Stockpiling» hat Hochkonjunktur, also das Parken von Waren in Zollfreilagern. Vor allem die 1700 Bonded Warehouses in den USA laufen über, die Mieten schiessen in die Höhe, es gibt Wartelisten. Für die Lagerhauseigner ist die Misere der Ausländer ein prima Geschäft.
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Auch bei Transferpreisen lässt sich schrauben, also bei den Preisen, die intern verrechnet werden, wenn die Schweizer Gesellschaft ihrer US-Tochter Produkte verkauft. Doch der Spielraum ist beschränkt, es gilt das «Arm’s Length»-Prinzip, die Preise müssen grosso modo denjenigen entsprechen, die auch Dritten verrechnet werden. Ob die Spiesse tatsächlich gleich lang sind, entscheiden in den USA die Beamten des Internal Revenue Service, und mit denen ist nicht zu spassen. Sie sollen dafür sorgen, dass die Zölle sprudeln, einer muss ja Trumps Big Beautiful Bill finanzieren.
Besonders brisant ist die Gemengelage bei der Pharmaindustrie, der Architektin des Exportwunders Schweiz. Bis jetzt aus humanitären Gründen von jeglichen Zöllen verschont, steht nun ein Zoll von 200 Prozent im Raum. Die verhaltene Reaktion des Marktes weist darauf hin, dass es dabei vor allem um Verhandlungstaktik geht, doch so genau weiss das keiner. Glücklich, wer wie Roche in den USA Fabriken betreibt, die noch Kapazitäten haben, so lässt sich die Zollunbill in Grenzen halten. Zudem hat der Konzern, anders als andere, nie Patente etwa nach Irland verfrachtet, um Steuern zu sparen. Das zahlt sich nun aus. Doch in Kombination mit dem Angriff auf die Medikamentenpreise in den USA wird es auch für ein Schwergewicht wie Roche kritisch. Der Pharmakonzern hat seine angekündigten Investitionen von 50 Milliarden Dollar deshalb schon mal unter den Vorbehalt gestellt, dass die Medikamentenpreise in den USA dort bleiben, wo sie sind: oben.
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Adrian Steiner, Chef des Automatenbauers Thermoplan, beliefert den Kaffeeriesen Starbucks. Verlagern? Kommt für ihn nicht infrage. Stattdessen schraubt er an den Kosten.
ZVGVictorinox (im Bild CEO Carl Elsener) prüft Preisanpassungen in den USA. Doch ob das der Markt schluckt? Klar ist: Andere Märkte können den US-Umsatz kaum kompensieren.
KeystoneFür Ricola-Chef Thomas Meier geht es um jeden Rappen, denn der amerikanische Süsswarenmarkt ist ein hartes Pflaster. Nun denkt er darüber nach, Verpackungsmaterial vor Ort einzukaufen.
Stefan BohrerGut dran ist, wer wie die chinesisch-schweizerische Syngenta seine Lieferketten schon nach Trump I wetterfest machte. Der Agrochemiekonzern bezieht seine Rohstoffe konsequent aus zwei Quellen – noch lieber aus drei: einer in Asien, einer in Amerika und einer in Europa. Und im US-Geschäft steckt schon länger kein China mehr drin, das gebietet die Vernunft bei einem Konzern, der den Chinesen gehört und der gleichzeitig mit den US-Farmern im Geschäft ist. Geopolitik oblige.
Kleine wie Victorinox haben es da schwerer. Die Firma ist dank dem Swiss Army Knife eine Marke, die man von Boston bis Berkeley schätzt. Doch der «Liberation Day», den Trump am 5. April ausrief, lastet schwer auf Patron Carl Elsener, denn seither ist die Zollbelastung um 10 Prozent angestiegen. Für Sackmesser sind es nun 15,4 Prozent, für Küchenmesser 14,6 Prozent und für Uhren, die Victorinox auch vertreibt, neu 16,2 Prozent.
Auf die Mehrkosten zu reagieren, ist nicht einfach. Denn Elseners Marke setzt auf «Swiss made». Je nach Produkt prüft er nun Preisanpassungen. Bei der Herstellung margenschwacher Produkte zu schrauben, die nun zusätzlich belastet werden, bringt wenig. Denn die Herstellung dieser Standardartikel, etwa Berufsmesser, braucht es zur Auslastung der Fertigung in der Schweiz. Auch andere Märkte als Absatzgebiet kommen kaum infrage, denn die Mengen, die Elsener in den USA absetzt, wären anderswo «nur schwer» aufzunehmen. Amerika ist der wichtigste Exportmarkt seiner Firma, den will er absichern, auch wenn die Rahmenbedingungen «sehr herausfordernd» sind. Im Vordergrund stünden ergo Automatisierung und Effizienzsteigerung in den Werken. «Darüber hinaus stehen uns nur wenige strukturelle Hebel zur Verfügung.» Ein «Go West» mit der Produktion sieht er wie viele andere nicht. «Eine Verlagerung – insbesondere unseres Kernprodukts, des Swiss Army Knife – ist für uns keine Option», meint er. Das ikonische Sackmesser sei mit dem Qualitätsversprechen «made in Switzerland» verbunden.
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«Swiss made first», das gilt auch für den Thermoplan-Automatenbauer Steiner: «Wir halten an ‹Swiss made› fest und verlagern die Produktion nicht in die USA.» Auch bei ihm gilt wie bei den meisten: Effizienz ist gefragt – automatisieren, nicht umziehen. Zumindest vorläufig nicht. Nicht wenige KMU-Vertreter hoffen in der vermurksten Lage darauf, dass Wirtschaftsminister Guy Parmelin und Staatssekretärin Helene Budliger Artieda noch vor dem 1. August einen vernünftigen Deal mit den Hyperaktivisten im Weissen Haus zustande bringen. Doch da ist der Wunsch Vater des Gedankens. Die Briefe, die Trump bis jetzt an einige Regierungen verschickte, sind derart vage, dass sie als Basis für unternehmerische Entscheide kaum taugen.
Zudem ist der Export in die USA ja nicht das einzige Problem. Die anderen heissen Brasilien, China und die EU, die weit oben auf Trumps Abschussliste figurieren. Wer Ersatzteile aus diesen Ländern in die USA exportiert, wird gleich zweimal zur Kasse gebeten. Zum einen mit Zollsätzen zwischen 20 und 135 Prozent, zum anderen mit einer Deklarationspflicht, die es in sich hat. Die Amerikaner wollen nämlich wissen, woher das Kupfer oder der Stahl stammt und wo sie eingebaut wurden – daraus leiten sie weitere Zölle ab. Es geht um die Sections 232 und 301 im Trade Expansions Act, mit dem Trump fast täglich an den Zollsätzen schraubt – alles unter dem Titel der nationalen Sicherheit Amerikas.
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Doch die Trump’sche Spielart von Protektionismus hat seine Tücken. Er befördert nämlich die Bürokratisierung im Welthandel. «Das neue Zollsystem erinnert an die schlimmsten Übergriffe der EU», sagt ein Maschinenexporteur. Denn die Abstufungen und die Deklarationspflichten schaffen Zusatzaufwand. Von Brüssel werden Schweizer KMU, die in den EU-Raum liefern, bereits mit Bürokratiemonstern wie der EU-Entwaldungsverordnung, dem EU-Lieferkettengesetz oder der Entsorgungsregulierung drangsaliert. Nun pochen auch die Amerikaner auf neue Regularien. Unter dem Strich wird so ein enormer administrativer Mehraufwand kreiert, der die Betriebsmargen nach unten drückt. Und die Endpreise nach oben, was die Inflation in den USA befeuert, wie an den Konsumentenpreisen zu sehen ist, die im Juni angestiegen sind.
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Unter dem China-Malus leidet der Küchenutensilienhersteller Kuhn Rikon, der einen Grossteil der im US-Markt offerierten Waren in China fertigen lässt; da werden Zölle aller Art fällig, selbst ein 20-prozentiger «Fentanyl-Zollzuschlag», der China zum Durchgreifen beim Drogenhandel zwingen soll. So werden auch brave Schweizer KMU, die eigentlich nur Bratpfannen einkaufen möchten, in den Handelsstreit zwischen Peking und Washington involviert und mit Mehrkosten bestraft.
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Mit Folgen fürs Pricing: Im Frühling erhöhte Kuhn Rikon die Preise im US-Markt ein erstes, im Juni ein zweites Mal. Gibts keine Entspannung an der Zollfront, muss die Firma ihre Abhängigkeit von China reduzieren. Doch eine Verlagerung der Produktion in die USA käme auch für Kuhn-Rikon-Chef Tobias Gerfin nicht infrage, denn Kochgeschirr aus US-Fabriken wäre zu teuer, erklärte er kürzlich in der «Berner Zeitung». Weniger abhängig von China zu werden, sei zwar ein strategisches Ziel. «Aber über Nacht lässt sich das nicht umsetzen.» Der Aufbau einer neuen Lieferkette ist komplex, zumal ein Produkt aus Hunderten von Komponenten aus aller Welt bestehen kann. Zudem können die heute gültigen Zollsätze mit Trumps Laune innert Tagen ändern.
Ohnehin bringt ein Ausweichen auf andere Länder vorerst keine Kostenersparnis, denn die Alternativen zu China hadern selber mit Strafzöllen: Indien mit 26 Prozent, Thailand mit 36 Prozent. Bei Vietnam ist ein Deal mit einem Basiszoll von 20 Prozent angekündigt. Dazu kommt ein «Transshipment»–Strafzoll von 40 Prozent für Ware aus China, die in Vietnam umetikettiert oder modifiziert wird, um sie dann in die Schweiz oder in die USA zu spedieren. Das Transshipment-Regime bietet Futter für Gerichte, denn eine Bratpfanne im Rohzustand aus China, die in Vietnam finalisiert und mit Griffen versehen wird, kann zollmässig «made in Vietnam» sein. Logisch, plant kein Schweizer Exporteur in dieser volatilen und hochkomplexen Trump-Welt, wo Zölle als Daumenschrauben zum Einsatz kommen, vorschnell die eingespielten Lieferketten aufzudröseln.
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In dieser Lage gibt es wenig zu lachen, das gilt auch für Ricola, den Kräuterexperten aus Laufen. Bereits bei der Publikation des Jahresergebnisses 2024 Mitte Mai warnte der Familienbetrieb: «Die neuen US-Zölle treffen Ricola stark.» Das ist nicht verwunderlich, denn die USA, wo die bunten Drops bei Walmart, CVS und über Amazon.com angeboten werden, sind mit einem Umsatzanteil von 40 Prozent zentral. Angesichts des Klumpenrisikos hat Ricola-Chef Thomas Meier längst eine Tariffs-Taskforce gegründet, in welcher der Chef, der Finanzchef und die Supply-Chain-Verantwortlichen mit den Amerika-Regionalchefs über Gegenmassnahmen brüten. Es geht um Kosten und um das Ausloten von Preiselastizitäten für allfällige Preiserhöhungen. Auch der Einkauf von Verpackungsmaterial in den USA wird geprüft, um die Zollbelastung möglichst tief zu halten. Es geht für den Anbieter von Kräuterspezialitäten in «Swiss quality» um jeden Rappen, denn der Bonbonmarkt im US-Detailhandel ist umkämpft.
So bleibt am Ende bei den horrenden Zöllen eine weitere Einsicht. Um dem Handelssturm fürs Erste zu widerstehen, muss da und dort auch etwas Marge herhalten, wie diverse Exporteure verraten. Dies sieht auch Thermoplan-Chef Steiner so, sollten die Importzölle bei 10 Prozent verharren. «Dann müssten wir wohl mehr als die Hälfte auf die eigene Kappe nehmen», meinte er vor der Abreise aus dem Starbucks Center in Seattle. Er hofft, dass sich irgendwann doch noch die Vernunft durchsetzt.
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