Guten Tag,
Die Verhandlungen zwischen mit den USA stehen fast still. Das ist gewollt. Neue Details Trump-Eklat entlasten die Bundespräsidentin.
Die Chefunterhändlerin der Schweiz im Zollstreit mit den USA, Helene Budliger. Sie ist Staatssekretärin für Wirtschaft.
KEYSTONE/Peter SchneiderWerbung
Letztes Wochenende ist eine Abschrift des Telefongesprächs von Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter mit Donald Trump durchgesickert. «Sonntagsblick» und «Aargauer Zeitung» hatten Zugang, auch die Handelszeitung erhielt letzte Woche Einblick. Daraus gehen zwei Dinge hervor: dass der US-Präsident seine engsten Mitarbeiter in Handelsfragen desavouierte. Und dass die bekannt gewordene Warn-SMS aus Washington an die Schweizer Chefunterhändlerin Helene Budliger erst nach Ende des Gesprächs eintraf. Die im SMS gemachte Aufforderung «Beenden Sie das Gespräch» hatte keinen Einfluss mehr.
Damit erweist sich die Version der «Sonntagszeitung», die kurz nach dem Trump-Telefonat verbreitet wurde, als irreführend. Dort hiess es, die Warn-SMS sei vor Ende des Telefonats bei Keller-Sutter eingetroffen und habe den Abschluss des Gesprächs beschleunigt. Diese Darstellung führte zur Behauptung, Keller-Sutter habe den US-Präsidenten durch eine ungeschickte Gesprächsführung verärgert und sei mitverantwortlich für den Strafzoll.
Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter
keystone-sda.chBundespräsidentin Karin Keller-Sutter
keystone-sda.chHinzu kam ein Artikel der Nachrichtenagentur Bloomberg Tage nach dem Telefonat, der – sich auf US-Quellen berufend – berichtete, dass das Verhalten Keller-Sutters massgeblich dazu geführt habe, dass Trump den harschen Importzoll verhängte. Auch dieser Bericht erweist sich rückblickend als irreführend. Liest man das Protokoll, war Trump mit seinen Chefunterhändlern unzufrieden. Zu Keller-Sutter sagte er, seine Berater seien ihm egal («I don’t care about them»), als sie erwähnte, dass ein fertiger Entwurf vorliege, und sich erkundigte, wie es weitergehen solle.
Trump interessierte sich nur dafür, dass sich das Handelsungleichgewicht der Schweiz mit den USA kaum verändern werde. Dass Trump sauer auf seine Leute war, bestätigt eine zweite Quelle. Er habe seinen Handelsbeauftragten Jamieson Greer in einem separaten Gespräch in den Senkel gestellt, weil er ein «so schlechtes Resultat» mit der Schweiz herausgeholt habe.
Seit dem Medienauftritt von Guy Parmelin und Karin Keller-Sutter am 7. August ist es ruhig geworden um die Verhandlungen. Zwar schossen Spekulationen ins Kraut, was die Funktion der Wirtschaftsleute im «Team Switzerland» (Zitat Parmelin) sei und wie das neue Verhandlungsangebot laute. Aber faktisch hat der Bundesrat entschieden, eine taktische Pause einzulegen. «Im Moment spricht niemand mit niemandem in Washington», sagt eine unterrichtete Quelle. Man sei in einer «Cooling down»-Phase, Druck funktioniere nicht. Es sei besser, die Sache «erst einmal ruhen und die Dinge sich sortieren zu lassen».
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Auch deshalb ist die Schweizer Unterhändlerin Budliger vorletzte Woche aus den USA zurückgekehrt.
Helene Budliger, Chefunterhändlerin im Zollstreit mit den USA, und Guy Parmelin, Wirtschaftsminister.
Keystone/Anthony AnexHelene Budliger, Chefunterhändlerin im Zollstreit mit den USA, und Guy Parmelin, Wirtschaftsminister.
Keystone/Anthony AnexEine andere Quelle sagt, dass sie derzeit wie auf Nadeln sitze, weil der Bundesrat sie nicht in die USA reisen lasse. Die Rede ist von einem temporären Verbot, solange die US-Seite nicht angebissen habe. Das Seco darf keine Stellung nehmen. Ein Departementssprecher Parmelins antwortet, der Bundesrat stehe «weiterhin mit den US-Behörden in Kontakt», um eine Zollsenkung zu erreichen. Eine weitere Quelle betont, dass man «auf allen Ebenen mit den Amerikanern» spreche, aber nicht in die USA reise, um «dort zu warten, bis man beim Trump vorgelassen» werde.
Budligers Herausforderung ist, dass sie mit den gleichen Leuten in Washington weiterverhandeln muss wie bisher, also mit Scott Bessent, dem Finanzminister, Howard Lutnick, dem Handelsminister, und mit Trumps Handelsbeauftragtem Greer, wie zwei Quellen bestätigen.
US-Handelsbeauftragter Jamieson Greer, US-Finanzminister Scott Bessent, Bundespräsidentin und Finanzministerin Karin Keller-Sutter und Vizepräsident und Wirtschaftsminister Guy Parmelin (von links)
US-Handelsbeauftragter Jamieson Greer, US-Finanzminister Scott Bessent, Bundespräsidentin und Finanzministerin Karin Keller-Sutter und Vizepräsident und Wirtschaftsminister Guy Parmelin (von links)
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Diese Personen stellte Trump im Telefonat mit Keller-Sutter bloss. Ein Informant sagt, dass neben einer Nachbesserung des Schweizer Angebots ein neuer Zugang zu Trump gesucht werde und man zuwarte, bis neue Fakten auftauchten, um einen Kurswechsel zu begründen.
Ein solcher Fakt ist etwa, dass die Exporte in die USA im letzten Quartal stark nachgelassen und damit das Handelsdefizit temporär in einen, wenn auch kleinen, Überschuss verwandelt haben. Darin spielt ein rechnerischer Basiseffekt mit, weil im ersten Quartal 2025 in einer Art Torschlusspanik rekordhoch exportiert worden war, um die Lager aufzufüllen. Der Trend zum Überschuss dürfte sich seit dem 7. August, seit der Strafzoll gilt, verschärfen.
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Darüber hinaus ist die Goldhandelsbilanz mit den USA normalerweise negativ. Vergangenes Jahr betrug das Defizit rund 3 Milliarden Franken. So hofft man in Bern und im Stab Trumps, dass neue Zahlen Trump beruhigen könnten. Doch dafür brauche es Zeit.
Berichte, wonach Budliger und Keller-Sutter «das Heu nicht auf der gleichen Bühne» hätten, stimmen in Bezug auf den aktuellen Konflikt, nicht aber für die Vergangenheit. In Keller-Sutters Team vermutete man die Quelle der SMS-Indiskretion in Budligers Lager. Umgekehrt glaubt man in Bern, dass das Keller-Sutter-Lager das Gesprächsprotokoll durchsickern liess. Ob damit die Fehde zwischen den beiden Alphafrauen ein Ende hat, ist unklar. Keller-Sutter habe durchgesetzt, dass Budliger vorerst nicht in die USA reist.
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Unbestritten ist auch, dass beide einen sehr unterschiedlichen Umgang mit ihren Bedarfsgruppen pflegen. Die «Methode Budliger» stehe im Kontrast zum Vorgehen Keller-Sutters.
Die «Methode Budliger» beinhaltet, an Treffen, Anlässen und in Telefonaten fast alles zu sagen, was sie denkt und ärgert, und ihr Gegenüber aufzufordern, dasselbe zu tun. Danach arbeite sie an einer Lösung. Mit ihrer transparenten Art komme sie «auf allen Stufen der Gesellschaft» extrem gut an, sagt eine Quelle. Das sei ihre Stärke. Der Nachteil sei, dass so fast nichts geheim bleibe. Auch nicht, dass sie mit Ex-Botschafter Thomas Borer in Kontakt stehe, der einige ihrer Ideen medial als Verhandlungsangebot ventiliert hat. Seitdem ist Borer kaltgestellt.
Die Methode Keller-Sutters hingegen sei, die Worte sorgsam abzuwägen, in Hinterzimmern zu verhandeln, sich mehrfach abzusichern und erst an die Öffentlichkeit zu treten, wenn alles klar sei.
Karin Keller-Sutter und Guy Parmelin (rechts) im Gespräch mit US-Finanzminister Scott Bessent (gegenüber Mitte) und dem US-Handelsbeauftragter Jamieson Greer (gegenüber rechts)
keystone-sda.chKarin Keller-Sutter und Guy Parmelin (rechts) im Gespräch mit US-Finanzminister Scott Bessent (gegenüber Mitte) und dem US-Handelsbeauftragter Jamieson Greer (gegenüber rechts)
keystone-sda.chSo ärgerte es Keller-Sutter, dass Budliger im Vorfeld des 1. August den in Washington erzielten Vereinbarungsentwurf gegenüber Wirtschaftsleuten als einen schon fast zustande gekommenen Deal und die Zustimmung Trumps als Formalität darstellte. Budliger sah sich insofern im Recht, als dass sie mit demselben Trio verhandelte, das zuvor erfolgreich seine Deals mit Japan, Südkorea und Grossbritannien bei Trump durchbrachte: Bessent, Lutnick und Greer.
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US-Handelsminister Howard Lutnick
U.S. Department of CommerceUS-Handelsminister Howard Lutnick
U.S. Department of CommerceLetzterer hat sich damit hervorgetan, Trumps Agenda von «America first» wortgetreu umzusetzen. Er vertritt laut US-Medien die gleiche Sicht wie Trump: dass Handelsdefizite das Resultat unfairer Handelspraktiken und deshalb zu bekämpfen seien. Er gilt als religiös und als Heisssporn. Dass ausgerechnet er dem Entwurf zustimmte, erklärt, warum Keller-Sutter im Gespräch mit Trump Greer mehrfach erwähnte. Damit war sie falsch beraten. Die Annahme, dass, wenn Greer den Deal durchwinke, Trump dies automatisch auch tun werde, war verhängnisvoll.
Danach ergoss sich Häme über Keller-Sutter. Sie fühlte sich zu Unrecht kritisiert, denn die falsche Einschätzung stammte von Budliger. Die SMS-Indiskretion war zusätzliches Öl ins Feuer und stellte Keller-Sutter als Verhandlungsamateurin dar. Das erklärt, warum jetzt Gesprächsauszüge Journalisten zugänglich gemacht wurden. Die Botschaft: Keller-Sutter kann nichts dafür, dass jetzt ein Strafzoll von 39 Prozent gilt.
Wenn in Bundesbern «neu sortiert» wird, dann gilt dies auch für das Angebot an Trump. Drei Beispiele: Erstens die Offerte zur Erhöhung der schweizerischen Direktinvestitionen in den USA, wie sie die Partners-Group-Gründer Fredy Gantner und Marcel Erni anregten. «Sie steht auf dem Abstellgleis», sagt ein Gewährsmann. Weil Trump Akquisitionen durch Schweizer Finanzanleger nicht interessierten. Er wolle neue Arbeitsplätze sehen.
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Diskutiert wird aber, dass der Export einer Pipeline aus den USA nach Mexiko, die im Besitz der Partners Group sei, an die US-Exporte angerechnet werde. Auch heisst es, dass Gantner und Greer, beides praktizierende Mormonen, einen nützlichen Kontakt pflegten. Gantner und Erni lehnten eine Stellungnahme ab.
Alfred Gantner, Wirtschaftsführer und Politaktivist
KeystoneAlfred Gantner, Wirtschaftsführer und Politaktivist
KeystoneZweitens Konzessionen bei Importen von US-Rindfleisch und -Poulet, Letzteres besser bekannt als Chlorhühnchen: Eine solche Offerte gebe es nicht. «Der Bundesrat hat nach meinem Wissensstand nur Zollkonzessionen in unsensiblen Bereichen wie Zitrusfrüchten, Nüssen und Meeresfrüchten angeboten», sagt Bauernverbandsdirektor Martin Rufer. Konzessionen bei sensiblen Agrarprodukten wie Rindfleisch stünden seines Wissens «nicht zur Debatte» und seien «reine Spekulation». Mit Chlor behandelte Poulets sind in der Schweiz ohnehin verboten.
Drittens weitere Rüstungskäufe der Schweiz in den USA: Auch sie sind kein konkretes Thema, weil die USA den Export politisch steuern und Ländern den Vorzug geben, die Rüstungsgüter nötig haben. Darunter Nato-Länder, die sie an die Ukraine weitergeben wollen. Die Schweiz wurde bei Lieferterminen zurückgestuft. Es heisst, der Bund habe wenig Interesse, neue Verträge abzuschliessen und Anzahlungen zu leisten für Systeme, deren Lieferung auf später verschoben werde.
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Neu auf der Liste ist eine Senkung von Importsteuern für US-Autos, beispielsweise Dodge Ram oder Cadillac.
Dodge Ram, eines von wenigen US-Fahrzeugen, die noch aus den USA in die Schweiz importiert werden.
ShutterstockDodge Ram, eines von wenigen US-Fahrzeugen, die noch aus den USA in die Schweiz importiert werden.
ShutterstockDeren Marktanteil betrug letztes Jahr 8 Prozent, der Importwert 1,6 Milliarden Franken. Der Präsident von Auto-Schweiz, Peter Grünenfelder, bestätigt, dass der Verband dem Bundesrat vorgeschlagen habe, die Importsteuer, die faktisch ein Zoll ist, zu streichen. Sie macht laut einer anderen Quelle zwischen 4000 und 6000 Franken pro Fahrzeug aus. Die Idee hat allerdings einen Haken: Die Steuer könnte nicht einseitig gegenüber den USA gesenkt werden, sondern nur generell. Der Wegfall würde den Bund 400 Millionen Franken kosten.
Nach wie vor im Rennen sind Vorschläge für verbindliche Liefermengen von US-Flüssiggas und höhere Einkaufsmengen von US-Öl und -Gas über hier angesiedelte internationale Handelsfirmen. Auch längerfristige Produktionsverlagerungen der Schweizer Pharma in die USA sind Teil des Angebots. Dazu werden aber separate Gespräche zwischen der Branche und der Trump-Administration geführt.
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Bürgerliche Politiker unterstützen das Vorgehen. «Man soll den Bundesrat jetzt machen lassen», sagt ein SVP-Ständerat. Budliger wie Keller-Sutter wird der Rücken gestärkt. Die Fehde will man so schnell wie möglich vergessen machen.
Der Linken, die den Kampfjetkauf stornieren will, und Wirtschaftsführern wie Nicolas Hayek, die Gegenzölle fordern, erteilt man eine Absage. Stellvertretend drückt es die grünliberale Zürcher Ständerätin Tiana Moser aus. «Die Schweiz soll Trump konstruktive und taktisch kluge Vorschläge machen», sagt sie nach einer Anhörung der Bundesräte, «Gegenmassnahmen halte ich für falsch.»
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