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Gattin von Novartis Chef Vas Narasimhan

Die neue Idorsia-Chefin soll die Biotech-Firma wiederbeleben

Srishti Gupta Narasimhan hat sich eine Mammutaufgabe geschnappt – wer ist die Frau, die den Pharmahersteller aus der Krise führen will?

Erik Nolmans

<p>Srishti Gupta Narasimhan ist Harvard-geschulte Ärztin, ­Politologin und Biologin und war bisher im Verwaltungsrat.</p>

Srishti Gupta Narasimhan ist Harvard-geschulte Ärztin, Politologin und Biologin und war bisher im Verwaltungsrat.

Kostas Maros für BILANZ

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Vor knapp zwei Wochen erst wurde die Berufung von Srishti Gupta Narasimhan (49) zur neuen Chefin von Idorsia verkündet, ihr Terminkalender ist proppenvoll, und doch hat sich ein Slot für ein Gespräch ergeben. Der Zeitrahmen ist aber eng, und so bleibt erst im Lift zurück in ihr Büro nach den Fotoaufnahmen Zeit, sich ausführlich für das Interview zu bedanken. Es sei natürlich schon wichtig zu erfahren, wie es mit Idorsia weitergehe, nicht nur für die Leser, sondern auch für den Kapitalmarkt, die Investoren, die Mitarbeiter und alle weiteren Stakeholder et cetera, und sie unterbricht witzelnd: «Ja, ja, legen Sie nur noch mehr Druck auf meine Schultern.»

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In akuter Bedrängnis

Ihr Spruch ist durchaus zutreffend – die Erwartungen an sie sind enorm, hat sie sich doch eine der schwierigsten Aufgaben aufgeladen, welche die Schweizer Wirtschaft derzeit zu vergeben hat: CEO bei der Biotech-Firma Idorsia, einem vor einigen Jahren mit viel Elan gestarteten Unternehmen, das nach anhaltenden Verlusten schwer angeschlagen ist. Die entwickelten Medikamente sind zwar wissenschaftlich top, finden aber nicht richtig Zugang in den Markt, der Aktienkurs ist abgestürzt, verschiedene Finanzanalysten haben bereits aufgehört, die Firma weiterzuverfolgen, die angehäuften Verluste sind gross, die Finanzmittel knapp. Die Belegschaft – einst über 1300 Personen – ist auf rund 550 geschrumpft, der Kostendruck aber bleibt weiterhin hoch.

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Erster CEO war der Gründer selber: Jean-Paul Clozel (70), eine der schillerndsten Figuren der Branche, der mit seiner auch bei Idorsia als Chief Scientific Officer wirkenden Gattin Martine Clozel (69) die ebenfalls in der Medikamententwicklung tätige Actelion gegründet, zu fulminantem Erfolg geführt und 2017 schliesslich für 30  Milliarden Dollar in Cash an den US-Konzern Johnson & Johnson verkauft hatte. Die Clozels bekamen für ihren Anteil rund 1,5 Milliarden. Warum sollte solches nicht nochmals möglich sein, dachte sich das Paar und legte im Juni 2017 mit Idorsia los, im selben Gebäude in Allschwil bei Basel notabene, in dem früher schon die – inzwischen ein paar Blocks weiter gezügelte – Actelion ihren Sitz hatte.

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Doch diesmal lief es weniger geschmiert – es ging nicht lange, und das Biotech-Start-up kam ins Straucheln. 2023 erreichte die Krise einen Tiefpunkt, nachdem mehrere Medikamente in Studien enttäuschende Resultate gezeigt hatten. Clozel schoss 75 Millionen an eigenem Geld ein, der Kurs fiel weiter, die Aktie wurde zum Pennystock.

<p>Idorsia hat den Sitz in Allschwil BL – im selben Gebäude, in dem einst die ebenfalls von den Clozels gegründete Actelion war.</p>

Idorsia hat den Sitz in Allschwil BL – im selben Gebäude, in dem einst die ebenfalls von den Clozels gegründete Actelion war.

Kostas Maros für BILANZ
<p>Idorsia hat den Sitz in Allschwil BL – im selben Gebäude, in dem einst die ebenfalls von den Clozels gegründete Actelion war.</p>

Idorsia hat den Sitz in Allschwil BL – im selben Gebäude, in dem einst die ebenfalls von den Clozels gegründete Actelion war.

Kostas Maros für BILANZ

Imposanter Rucksack

Vor einem Jahr zog sich Clozel aufs Präsidium zurück und übergab an André Muller, der zuvor wie schon bei Actelion sein Finanzchef war. Muller, ein Zahlenmensch und eher der Typus Buchhalter, war genau der richtige Mann für jene Phase: Er beruhigte Investoren und Gläubiger und konnte bei den Anleihengebern gar 150 Millionen an frischen Mitteln beschaffen. «Ihm ist zu verdanken, dass sich Idorsia finanziell wieder stabilisieren konnte», windet Gupta ihrem Vorgänger ein Kränzchen.

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Allen, die die Firma kennen, war aber klar, dass Muller nicht unbedingt der Mann dafür ist, den Neustart zu bewerkstelligen.

Die neue Chefin, die per 1. Juli loslegt, ist allerdings eine echte Überraschung – niemand hatte sie auf dem Zettel, vor allem auch deshalb nicht, weil sie keinerlei CEO-Erfahrung hat. Ein Vorteil allerdings ist, dass sie die Firma bereits bestens kennt: Seit 2021 amtet sie im Verwaltungsrat und soll sich dort stark eingebracht haben.

<p>Mit ihrer Ernennung zur Idorsia-Chefin übernimmt Srishti Gupta Narasimhan eine der schwierigsten Aufgaben in der Schweizer Wirtschaft.</p>

Mit ihrer Ernennung zur Idorsia-Chefin übernimmt Srishti Gupta Narasimhan eine der schwierigsten Aufgaben in der Schweizer Wirtschaft.

Kostas Maros für BILANZ
<p>Mit ihrer Ernennung zur Idorsia-Chefin übernimmt Srishti Gupta Narasimhan eine der schwierigsten Aufgaben in der Schweizer Wirtschaft.</p>

Mit ihrer Ernennung zur Idorsia-Chefin übernimmt Srishti Gupta Narasimhan eine der schwierigsten Aufgaben in der Schweizer Wirtschaft.

Kostas Maros für BILANZ

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Ihr schulischer Rucksack ist beeindruckend. Sie hat vier Studienabschlüsse in Harvard, unter anderem einen MD (Ärztin) an der Harvard Medical School und einen Master in Public Policy an der Harvard Kennedy School. Dazu kommt noch ein MPhil (Forschungsmaster) in Cambridge. 18 Jahre lang war sie in Diensten des US-Beratungsunternehmens McKinsey und dort für strategische Fragen im Bereich Global Health Care tätig. Und sie kennt Basel bestens: Die indischstämmige Amerikanerin ist die Gattin von Vas Narasimhan, der seit 2018 als CEO des Basler Pharmakonzerns Novartis amtet. Mit ihm und den beiden Söhnen war sie 2014 in die Schweiz gezogen, als Vas Narasimhan bei Novartis Entwicklungschef wurde. Die Familie wohnt am Rheinufer, im Hintergrund die Doppeltürme des Hauptsitzes des zweiten grossen Players am Platz, des Pharmakonzerns Roche.

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Sie ist in Brooklyn, New York City, aufgewachsen. Ihre Eltern stammen aus Indien, «sie kamen 1970 mit zwei Koffern und 80 Dollar in der Tasche nach Amerika.» Der Vater war auch Arzt, er arbeitete in Brooklyn in einem Spital, wo sie ihn oft besuchte. Vas lernte sie an der Uni in Harvard kennen, er sprach sie im Flur der Medical School an. Bei der gemeinsamen Planung einer Feier für asiatische Studenten kam man sich näher, auch wenn es zu Beginn noch nicht danach aussah: Als er sie auf ein Date einlud, habe sie gefragt, wer denn sonst noch komme, erzählt Vas Narasimhan schmunzelnd in einem gemeinsamen Podcast.

<p>Gleich zwei CEOs am selben ­Familientisch: Vas Nara­simhan ist seit 2018 CEO von Novartis, Srishti Gupta tritt am 1. Juli bei Idorsia an. Das Paar kennt sich schon aus Zeiten des Medizinstudiums in Harvard.</p>

Gleich zwei CEOs am selben Familientisch: Vas Narasimhan ist seit 2018 CEO von Novartis, Srishti Gupta tritt am 1. Juli bei Idorsia an. Das Paar kennt sich schon aus Zeiten des Medizinstudiums in Harvard.

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<p>Gleich zwei CEOs am selben ­Familientisch: Vas Nara­simhan ist seit 2018 CEO von Novartis, Srishti Gupta tritt am 1. Juli bei Idorsia an. Das Paar kennt sich schon aus Zeiten des Medizinstudiums in Harvard.</p>

Gleich zwei CEOs am selben Familientisch: Vas Narasimhan ist seit 2018 CEO von Novartis, Srishti Gupta tritt am 1. Juli bei Idorsia an. Das Paar kennt sich schon aus Zeiten des Medizinstudiums in Harvard.

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Zentrale Rolle im VR

Die beiden Söhne sind heute 15 und 17 Jahre alt, der ältere, der inzwischen die Schweizer Staatsbürgerschaft hat, spielt Basketball in der Schweizer U18-Nationalmannschaft, er trainiere derzeit in den USA. Der jüngere Sohn ist Musiker und im Talentprogramm der Musik-Akademie Basel, er singe und spiele Piano. Für ihn und die restliche Familie stehe die Einbürgerungsprüfung im Oktober an, erzählt Gupta, sie freue sich darauf. Sie spricht recht gut Deutsch und sogar ein wenig Schweizerdeutsch. Sie ist wie die ganze Familie sehr sportlich, geht gerne frühmorgens joggen, macht Yoga und hat den schwarzen Gürtel im Taekwondo.

Die Idorsia-Gründer Jean-Paul und Martine Clozel kenne sie schon seit Jahren. Kurz vor der Corona-Pandemie, so 2019 müsse es gewesen sein, sie habe damals ein «Summer Science Program» für Gymnasiasten in Zusammenarbeit mit der Uni Basel auf die Beine gestellt und in dieser Angelegenheit auch Martine Clozel in deren Büro besucht. Sie hätten über junge Frauen und ihre Rolle in wissenschaftlichen Berufen gesprochen, Martine sei sofort begeistert gewesen und habe eine Tour durch die Idorsia-Anlagen angeboten. Man sei weiter in Kontakt geblieben, und Anfang 2021 habe sich Jean-Paul Clozel bei ihr gemeldet mit der Frage, ob sie sich für eine Rolle im Verwaltungsrat von Idorsia gewinnen lasse.

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<p>Mit dem Verkauf von Actelion an Johnson &amp; Johnson wurden Martine und Jean-Paul Clozel zu Milliardären. Mit Idorsia läufts harziger.</p>

Mit dem Verkauf von Actelion an Johnson & Johnson wurden Martine und Jean-Paul Clozel zu Milliardären. Mit Idorsia läufts harziger.

Remo Buess für BILANZ
<p>Mit dem Verkauf von Actelion an Johnson &amp; Johnson wurden Martine und Jean-Paul Clozel zu Milliardären. Mit Idorsia läufts harziger.</p>

Mit dem Verkauf von Actelion an Johnson & Johnson wurden Martine und Jean-Paul Clozel zu Milliardären. Mit Idorsia läufts harziger.

Remo Buess für BILANZ

Im Idorsia-Verwaltungsrat war sie zuletzt auch Leiterin des wichtigsten Komitees, des Nominations- und Vergütungsausschusses, und damit im Grunde zuständig für die Besetzung jenes Jobs, den sie nun übernommen hat. Hat sie einfach sich selbst als CEO-Kandidatin vorgeschlagen? Nein, natürlich nicht, sagt sie lachend. Es habe eigentlich keinen spezifischen Search für einen neuen CEO gegeben, der Anstoss sei von Chairman Clozel selbst gekommen und vom restlichen Verwaltungsrat unterstützt worden. Für die konkreten Besprechungen sei sie natürlich in den Ausstand getreten.

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Neue Phase

Muller habe den finanziellen Turnaround geschafft, jetzt müsse das Augenmerk wieder verstärkt aufs Portfolio gelegt werden, liess sich Chairman Clozel im Pressecommuniqué vernehmen. Bis Ende 2027 solle die Firma zurück zur Profitabilität finden.

<p>Vorgänger André Muller hat die ­kriselnde Idorsia finanziell stabili­sieren können.</p>

Vorgänger André Muller hat die kriselnde Idorsia finanziell stabilisieren können.

Randy Slagle
<p>Vorgänger André Muller hat die ­kriselnde Idorsia finanziell stabili­sieren können.</p>

Vorgänger André Muller hat die kriselnde Idorsia finanziell stabilisieren können.

Randy Slagle

Basis des Geschäfts sind derzeit im Grunde zwei Medikamente, ein Schlafmittel namens Quviviq und der Blutdrucksenker Tryvio. Beides seien hervorragende Wirkstoffe, betont sie. Das Schlafmittel etwa habe den grossen Vorteil, nicht süchtig zu machen. Zudem wache man nicht wie nach der Einnahme vieler anderer Mittel erschlagen auf, sondern voller Energie. Dies, weil der Wirkungsmechanismus ein anderer sei: Quviviq vertiefe nicht den Schlaf, sondern unterdrücke das Aufwachsignal. So sei es kein Wunder, dass vor allem auch Leute, die im stressigen Gesundheitswesen selber arbeiten, wie etwa Krankenhausmitarbeiter, dieses Produkt stark konsumieren würden.

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Schwieriger Markt

Insgesamt sind die Verkäufe aber enttäuschend geblieben, für 2024 betrug der Nettoumsatz von Quviviq gerade mal 61 Millionen Franken, für 2025 sind 130 Millionen budgetiert. Vor allem im Hauptmarkt USA kommt das Medikament nicht richtig vom Fleck. Ein Grund dafür ist auch, dass Quviviq von der US-Drogenvollzugsbehörde DEA noch keine offizielle Einstufung bekommen hat, nicht süchtig machend zu sein. Es sei angesichts der schwierig einschätzbaren Gesundheitspolitik der US-Regierung schwer prognostizierbar, wie lange der Prozess dauern werde. So konnte sich das Schlafmittel im hart umkämpften Segment noch nicht durchsetzen. Vor allem hat es Idorsia noch nicht geschafft, die Ärzte selber, die diese Produkte ja ihren Patienten verschreiben müssen, in grossem Umfang für sich zu gewinnen. Die Gründe sind teils banal: Zu Schlafmitteln gibt es viele Alternativen, die meisten davon sogar in der deutlich günstigeren Variante eines Generikas (Nachahmerpräparat), da braucht es schon einen echten Anstoss, ein neues, teureres Medikament zu verschreiben. Viele Patienten sind an ihre bisherigen Präparate gewöhnt und zufrieden damit – es gibt viele Ärzte, die seit zwanzig Jahren das gleiche Produkt verschreiben.

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Zu viele Wissenschaftler

«Die Produkte von Idorsia sind wissenschaftlich gesehen sehr gut, doch das ist im Markt bis heute nicht richtig angekommen. Ich sehe das Ganze im Grunde für Idorsia in erster Linie als Marketingaufgabe», sagt Stefan Schneider, Finanzanalyst beim Investmenthaus Vontobel.

Aus Investorenkreisen heisst es, bei Idorsia würden sich viel zu viele Wissenschaftler und zu wenig knallharte Verkäufertypen tummeln.

In der Tat ist das Marketing-Know-how in der Führung von Idorsia nicht eben breit gestreut, weder im Verwaltungsrat noch in der Geschäftsleitung – sogar der Pressechef ist Biochemiker. Gupta stimmt zu, dass die Lancierung der beiden Medikamente zu einem wesentlichen Teil auch eine Marketingaufgabe sei. Es bestehe aber bereits ein starkes Marketingteam, auf das sie zurückgreifen könne, eine Aufstockung oder gewichtige Neubesetzungen seien nicht geplant.

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Investoren warten ab

So wird es vornehmlich an der Chefin selber liegen, das Vertrauen in Idorsia weiter zu stärken. Nicht geholfen hat, dass eine bereits als Vertriebspartner für den Blutdrucksenker gewonnene Firma den Vertrag zuletzt nicht unterzeichnet hat. Wer der Partner war und warum das geschah, wird nicht kommuniziert. Ist das Medikament vielleicht doch nicht so toll? Mit dem Produkt selber habe das Platzen des Vertriebsdeals nichts zu tun, betont Gupta, will aber nicht weiter auf Details eingehen. Das Gute daran sei, dass man die Sache jetzt neu aufgleisen könne, um einen wirklich zu Idorsia passenden Partner zu finden.

Lieber als auf die vergangenen Probleme verweist sie auf die jüngsten Zeichen der Besserung. Beim Schlafmittel würden die Verkäufe vor allem in Europa sichtbar anziehen, sie gehe davon aus, bereits 2026 kommerzielle Rentabilität zu erreichen und 2027 in den profitablen Bereich vorzurücken. Beim Blutdrucksenker sei man «sehr aktiv» daran, einen neuen Partner zu suchen.

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Am Tag ihrer Berufung war der Kurs leicht angestiegen und konnte bis zum Redaktionschluss am 23.  Juni weiter etwas zulegen. Die bisher schon oft enttäuschten Investoren bleiben aber vorsichtig. Erste positive Zeichen gibt es schon. So sieht die Aktienresearch-Firma Octavian, die Idorsia im Grunde schon abgehakt hatte, wieder Potenzial und hat die Bewertung mit «Hold» und einem Kursziel von 2.60 (Stand 23. Juni: 2.09) Franken wiederaufgenommen, wie Cash.ch berichtet.

Zeit verlieren darf die neue Chefin nicht – die flüssigen Mittel reichen noch bis Mitte 2026, bis dahin müssen die Einnahmen endlich richtig abheben. Schon klar also, dass man sie an den Druck, der auf ihr lastet, nicht noch extra erinnern muss.

Dieser Artikel erschien in der BILANZ 07/2025.

Cover BILANZ 7/25
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Über die Autoren
Erik Nolmans

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