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Der Walliser kennt den alpinen Skisport wie kein Zweiter. Franz Julen fordert eine starke Zentralisierung und plädiert für Rennen in Asien.
Ab der Saison 2027/28 steht Zermatt im Rennkalender des Ski-Weltcups um OK-Präsident Franz Julen.
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Rennbetreuer, Trainer von Riesenslalom-Olympiasieger Max Julen, Journalist, Manager von Pirmin Zubriggen und Vreni Schneider, Vermarkter von Wintersport-Grossanlässen, Chef von Völkl, CEO von Intersport und Präsident des Zermatter Weltcup-Rennens. Franz Julen (67) hatte schon viele Hüte auf. Beim Thema Wintersport schöpft er aus dem Vollen.
Weit über die Schweiz hinaus ist Swiss-Ski für mich nicht nur einer der erfolgreichsten nationalen Sportverbände, sondern auch einer der am besten geführten. Diese Tatsachen sind eng mit Urs Lehmann verbunden. Er kennt und respektiert Strukturen und Abläufe von Verbänden. Er ist diplomatisch und politisch versiert, aber auch durchsetzungsstark und entscheidungsfreudig. Das ist in den politisch geführten Verbänden eher unüblich. Die perfekte Mischung aus Zuckerbrot und Peitsche. Lehmann ist ein Glücksfall für die FIS und den Wintersport.
Ein cleverer Schachzug. Ich kenne beide seit vielen Jahren. Sie beide sind starke, charismatische Leader, aber sie haben eine riesige Leidenschaft für den Skisport. Deshalb bin ich überzeugt, dass sich die beiden im Sinne des Sports arrangieren und in dieselbe Richtung marschieren werden. Ihr Hauptkonflikt war, dass beide Präsident werden wollten. Beide hatten jedoch stets dieselben Visionen und Ziele. Eliasch ist gewieft, ein harter Verhandler und guter Verkäufer. Er ist und bleibt ein aktiver Präsident. Aber Lehmann tickt gleich und kann damit umgehen.
Ende der 1980er-Jahre, als ich für Marc Biver Development arbeitete, wurden die TV- und Werberechte des Tennis-Davis-Cups zentralisiert. Wir haben als Agentur der beiden Davis-Cup-Sponsoren Boss und Ebel hautnah miterlebt, was eine Zentralvermarktung für den Sport, sein Image und die Sponsoren bedeutet. Wir schlugen dem damaligen FIS-Präsidenten Marc Hodler und dem Generalsekretär Gian Franco Kasper vor, die Werbe- und TV-Rechte des Skisports zu zentralisieren. Wir wurden jedoch abgewiesen.
Dem Skisport ging es zu gut. Es gab nicht die gleiche Konkurrenz durch andere Sportarten wie heute, keine privaten Fernsehanstalten und keine sozialen Medien. Zudem kann eine Zentralvermarktung wehtun. Man muss Verbände und Veranstalter überzeugen, Rechte abzugeben, aus ihren Komfortzonen herauszukommen, Seilschaften aufzukündigen und Privilegien abzuschaffen. Diesen Weg empfanden die beiden als zu aufwendig und kompliziert. Heute ist die Situation anders. Der Sport braucht die Zentralisierung, um vorwärtszukommen.
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Mit einer zentralen Vermarktung von Werbe- oder TV-Rechten und der Bündelung der Kräfte muss finanziell mehr rausschauen. Meiner persönlichen Meinung nach muss das Ziel einer zentralen Vermarktung sein, zwischen 30 und 50 Prozent mehr Einnahmen zu generieren.
Genau diese Kritiker sind oft die Ersten, die sagen, dass zu wenig Geld im Sport sei. Skisport ist nicht volkstümlicher als Fussball. In Wengen oder Adelboden sind 30’000 Fans, es gibt Merchandising, Essen, Trinken und Fanbewegungen. Genauso ist es bei jedem grösseren Fussballspiel. Jeder Sport braucht diese Basis und steht vor dem Balanceakt zwischen Bewahrung der Traditionen, die diesen Sport gross gemacht haben, und einer zeitgemässen Modernisierung. Das meiste Geld fliesst zurück in den Sport und bringt ihn weiter.

«Wichtig ist, dass es neben den globalen Hauptsponsoren auch Platz für nationale Sponsoren gibt», sagt Julen.
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«Wichtig ist, dass es neben den globalen Hauptsponsoren auch Platz für nationale Sponsoren gibt», sagt Julen.
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Es geht über das Monetäre hinaus. Enorme Vorteile sind das Image und die Glaubwürdigkeit des Sports. Wenn jeder Zielraum gleich aussieht, wenn die richtigen Fernsehkanäle die Rennen zur richtigen Zeit ausstrahlen und die Einschaltquoten höher sind, hebt das den Sport auf ein ganz anderes Niveau. Wichtig ist, dass es neben den globalen Hauptsponsoren auch Platz für nationale Sponsoren gibt. Man weiss, was man bekommt, ähnlich wie in der Champions League. Damit sichern wir das Weiterbestehen des Sports. Die Zentralisierung der Werberechte muss nun der nächste logische Schritt sein.
Auch sie werden profitieren. Athletinnen und Athleten sehen oft nur das Preisgeld, aber eine professionell vermarktete Sportart ermöglicht ihnen bessere Werbe- und Ausrüsterverträge sowie grössere Sichtbarkeit und mehr Klicks bei den Social-Media-Aktivitäten. Verbände und Manager sind gefordert, die Stars in diesen Bereichen zu schulen, damit sie die wirtschaftlichen Zusammenhänge des Sports verstehen. Fahrer wie Odermatt haben eine enorme Reichweite, und ihre Aussagen haben Gewicht.
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Nationale Verbände, Athleten und zum Teil auch Trainer haben oft Eigeninteressen. Es gibt Athleten, die sich zu Rennen kritisch äussern, weil diese nicht auf ihre Fähigkeiten zugeschnitten sind. Im Skisport reden zu viele mit. Im Sinne der Demokratur müssen die Interessen aller Stakeholder einfliessen und ernst genommen werden. Aber am Schluss braucht es eine starke Führung. Eliasch und Lehmann haben die Fähigkeiten dazu.
TV- und Werberechte sind eng miteinander verknüpft. Wenn man die Werberechte zentralisiert, kann man globale Marken gewinnen, die den Sport auf ein anderes Niveau heben. Man muss bereit sein, auf nationale und lokale Privilegien zu verzichten. Die Strategie, zuerst mit den TV-Rechten zu beginnen, ist richtig, da dies einfacher ist. Das schafft Vertrauen für den schwierigeren Schritt der Werberechte. Diese müssen spätestens in zwei bis drei Jahren auch zentralisiert sein, aber nicht mit der Brechstange, sondern intelligent, mit taktischem Gespür und schrittweise.
Der Skisport ist nur in der Schweiz und Österreich ein Nationalsport; mit Abstrichen in Deutschland, Frankreich, Norditalien, Schweden, Norwegen, Finnland und den USA. Das ist Fakt. Aber gerade im Dezember, Januar und Februar hat der Wintersport weniger Konkurrenz von anderen Sportarten. Zudem bringt das Image des Skisports mit blauem Himmel, Sonne, frischer Luft, verschneiten Bäumen und der Dynamik dieses Sports Sponsoren enorm viel. Auch wenn wir das Niveau des Fussballs nie erreichen werden. Ich bin überzeugt, dass man den Sport mit einer Zentralisierung von TV- und Werberechten auf ein imagemässig höheres Level bringen kann, wo alle mehr Geld verdienen werden.
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Ich denke schon, dass neue Märkte anvisiert werden müssen, um den Sport globaler zu machen, etwa in China, Korea oder Japan. Das sollte der nächste Schritt sein. Das Potenzial ist gross, die Kaufkraft auch. Weshalb nicht einen asiatischen Hauptsponsor gewinnen wie im Fussball? Ich bin überzeugt, dass auch die Athletinnen und Athleten offen dafür wären.
Lassen wir die Kirche im Dorf. In der Fussball-Champions-League werden pro Saison 189 Spiele ausgetragen, die Teams und Zehntausende von Fans reisen für 90 Minuten quer durch Europa – fast jede Woche. Oder in der Formel 1 mit Nachtrennen: Der ganze Tross reist in diesem Jahr sechs Mal um den Globus – niemand sagt etwas zur CO2-Bilanz. Und der Skisport wird immer wieder kritisiert, weil zweimal im selben Jahr Rennen in den USA gefahren werden. Die Kritik ist oft überzogen.
Es braucht beides. Rennen in Top-Destinationen und ein verbessertes Produkt mit einer guten TV- und Werbevermarktung. Dann profitieren alle: die FIS, die nationalen Verbände, die Veranstalter, die Athleten und der Tourismus. Es gibt nur Gewinner. Zermatt kann mit dem Matterhorn, der Schneesicherheit, der Höhenlage, dem Image, der starken Marke und den finanziellen Möglichkeiten einen zusätzlichen Mehrwert für den Weltcup bringen. Wir können von November bis Mitte April unter Winterbedingungen Ski fahren. Deshalb haben uns FIS und Swiss-Ski ab der Saison 2027/28 jährliche Weltcup-Rennen zugesichert.
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