Guten Tag,
Der Harvard-Professor ist ein weltweit führender Altersforscher. Jetzt bedroht Donald Trumps Politik seine Arbeit.
Professor, Autor, Investor: Der australische Genetiker David Sinclair.
Tim Bauer PhotographyWerbung
Auch meine Abteilung hat grosse Einbussen bei den Fördermitteln der US-Gesundheitsbehörden erlitten.
Das betrifft uns ebenfalls. Wir beschäftigen hochdekorierte Forscher aus dem Ausland – auch aus der Schweiz –, deren Arbeit finanziell unterstützt wurde; diese Unterstützung ist nun eingefroren. Dann haben wir hoch qualifizierte Forscher aus China im Sinclair-Labor, die enttäuscht sind. Es sind Spitzenwissenschafter, die in den USA forschen und hier bleiben wollen – und die in der Medizin die Führungskräfte von morgen werden könnten.
Einige Spitzenleute haben bereits beschlossen, nach Europa zurückzukehren. Vergessen Sie nicht: Spitzenkräfte ziehen Forschungsgelder an, schaffen Arbeitsplätze und bringen Wissenschaft und Wirtschaft voran.
Forscher David Sinclair (56) ist Genetiker und Professor an der Harvard Business School. Das «Time Magazine» setzte den gebürtigen Australier auf die Liste der hundert einflussreichsten Personen des Jahres 2014.
Investor Der Wissenschafter ist beziehungsweise war in viele Start-ups investiert, darunter Animal Bioscience, Ligandal, Zymo, Atai, Sirtris, Galilei, Inside Tracker und Life Biosciences.
Autor Sinclair ist Autor diverser Fachartikel und Bestseller. Sein jüngster trägt den Titel «Das Ende des Alterns: Die revolutionäre Medizin von morgen». Sein nächstes Buch «Lifespan 2» erscheint 2026.
Mein Ansatz war schon immer, Herausforderungen als Chancen zu sehen. Wir wollen neue Finanzierungsquellen erschliessen, um mögliche Lücken zu schliessen, damit wir im Forschungslabor weiter an unseren Projekten arbeiten können. Ich bin zuversichtlich, dass uns das gelingt.
Ich sehe mich als leidenschaftlichen Forscher, habe aber auch eine unternehmerische Ader. Deshalb bin ich an vielen Start-ups beteiligt und halte Anteile an mehreren Firmen. Und jetzt habe ich die Gruppe Friends of Sinclair Lab ins Leben gerufen, um Forschungsgelder zu generieren.
Nein. Es geht nicht darum, dass Menschen 10 Dollar überweisen und sich gut fühlen, wie es beim Crowdfunding der Fall ist. Ich spreche von einem kleinen Kreis von Geldgebern. Es soll ein Forschungsmodell sein, das auf Partizipation basiert, bei dem sich Investoren an den Ergebnissen unserer Forschung beteiligen können. Ich strebe also einen Austausch mit unternehmerischem Ansatz an und hoffe, dass dieses Modell in der akademischen Welt zum Vorbild wird. Die Alternative wäre, in dieser neuen Zeit die Forschung radikal zurückzufahren, doch das ist nicht mein Stil.
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Ich stehe auch heute noch zu meinen Aussagen.
Ja, wir sprechen von einem Zeitraum von sechs Wochen. Das ist unser Ziel, allerdings sind wir heute noch nicht so weit.
Die Forschung zeigt, wie wir den Alterungsprozess verlangsamen oder sogar umkehren können. Sie basiert auf dreissig Jahren Erfahrung und wurde für den Nobelpreis nominiert. In den letzten Jahren haben wir und andere Institute viel erreicht, auch dank künstlicher Intelligenz. Diese hilft uns, Millionen von Molekülen viel effizienter als je zu screenen, und ermöglicht es, fast Jahrhunderte von Forschungsarbeit an einem einzigen Tag zu leisten. Wenn die Reprogrammierung von Zellen gelingt und ihr Potenzial ausgeschöpft wird, wird die Lebenserwartung steigen.
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«In meinem Labor heilen wir routinemässig Blindheit bei Tieren.»
Das ist richtig, aber die Erkenntnisse aus der Alterungsforschung finden wachsende Akzeptanz. Unsere These ist fundiert und besagt vorab zwei Dinge: Es trifft offenbar zu, dass die Qualität der genetischen Information in den Zellen über die Zeit abnimmt. Zweitens: Unser Körper ist keine Maschine, die kaputtgeht, aber er ist auch kein Computer, der Updates durchführt. Diese Forschungsergebnisse, an denen 46 Wissenschafter beteiligt waren, haben wir im Januar 2023 in der Fachzeitschrift «Cell» veröffentlicht. Um den Alterungsprozess zu verstehen, ist die Hypothese plausibel, dass es in unseren Genen eine Sicherungskopie der Software gibt, die wieder installiert werden kann, und dass diese Daten in jeder Zelle gespeichert sind und genutzt werden können, wie es bei Mäusen und einigen Fischarten möglich ist. All dies lässt uns glauben, dass wir alternde Zellen im Menschen zurücksetzen und wie junge Zellen funktionieren lassen können. Mit anderen Worten: Wir können Gene und Chemikalien nutzen, um Zellen zu regenerieren. Und zwar nicht bloss um 1 oder 2 Prozent, sondern um einen grossen Prozentsatz – und dauerhaft.
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Ich arbeite seit drei Jahrzehnten in der Alterungsforschung. Als ich anfing, war es ein Traum, das Altern zu verstehen und zu kontrollieren. Jetzt bin ich 56 Jahre alt und optimistisch, dass meine Generation erleben wird, wie wir den Alterungsprozess umkehren und Medikamente zur Behandlung bisher schwer behandelbarer Krankheiten wie Alzheimer, laterale Sklerose oder Blindheit zur Verfügung haben. In meinem Labor heilen wir routinemässig Blindheit bei Tieren – Mäusen und Affen.
Weil diese Krankheit eine Herausforderung darstellt und weil Gentherapien in der Augenheilkunde bereits eingesetzt werden. Wenn wir Blindheit heilen, bin ich optimistisch, dass wir auch andere Krankheiten wie Multiple Sklerose oder Alzheimer heilen können. Meine Kollegen und ich haben gezeigt, dass wir das Alter eines Tieres umkehren und diese Krankheiten behandeln und heilen können.
Ja, ich spreche von Laborarbeit; sie hat sich bei Affen und Mäusen bewährt, aber es ist in der Tat noch ein langer Weg, bis wir die Lücke beim Menschen schliessen können.
«Jemand, der 150 Jahre alt werden könnte, ist bereits geboren.»
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Das ist unser Plan. Wir wollen in Kürze bei der Arzneimittelbehörde FDA einen Antrag auf Zulassung eines neuen Prüfpräparats an Menschen stellen; nach der Genehmigung durch die FDA könnten wir mit den Versuchen beginnen.
Ich denke, das könnte möglich sein. Meine Hypothese lautet: Jemand, der 150 Jahre alt werden könnte, ist bereits geboren. Das basiert auf Fortschritten in Tiermodellen, ohne zu behaupten, dass dies ein garantiertes Ergebnis für Menschen ist. Es ist in meinen Augen wie vor 1900, als die Menschen überzeugt waren, dass wir bald fliegen können. Noch hatte es niemand geschafft, aber als die Gebrüder Wright abhoben, veränderte sich die Welt. Ich glaube, wir befinden uns in der Altersforschung an diesem Punkt.
Jemand wird Erfolg haben, vielleicht mein Labor oder ein anderes oder eine Firma. Viele Menschen arbeiten an dieser Vision. Und wenn sie Erfolg haben, wird sich viel verändern, genau wie beim ersten Motorflug. Ich glaube, ich werde das noch erleben, vielleicht in den nächsten fünf bis zehn Jahren. Ein wirksames Medikament wird viele Investitionen auslösen, und das Interesse der Kapitalgeber wird genauso gross sein wie jetzt bei der künstlichen Intelligenz.
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Die Effizienz der Investitionen in die Krebsforschung ist ziemlich gut. In vielerlei Hinsicht ist es möglicherweise einfacher, den Alterungsprozess zu verlangsamen, als Krebs zu bekämpfen.
«Wenn wir das Altern in den Griff bekommen, ist das auch ein Schritt in Richtung Bekämpfung von Krebs.»
Ich glaube, wenn wir das Altern in den Griff bekommen, ist das auch ein Schritt in Richtung Bekämpfung von Krebs und Herzerkrankungen. Ich glaube jedoch nicht, dass wir diese Krankheiten mit unserer Methode vollständig ausmerzen können, aber wir können wahrscheinlich dafür sorgen, dass sich Menschen über neunzig Jahre weniger Sorgen um Krebs machen müssen. Regelmässige Kontrollen tragen ebenfalls dazu bei, deshalb trage ich verschiedene Wearables, darunter den Ring der Schweizer Firma Virtusan.
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Finanziell war es für die Investoren ein Erfolg, für mich persönlich aber eine Enttäuschung, weil GSK das Projekt nicht bis zur Herstellung eines Medikaments weiterverfolgte. Die medizinische Arbeit war gut, die klinischen Studien waren positiv, die Wirkung war effektiv. Dann konzentrierte sich GSK auf Konsumgüter und stellte das Projekt ein.
Wir waren auf dem richtigen Weg, aber dann entschied der neue Eigentümer anders. Ich behaupte, dass andere Projekte von mir ebenfalls finanziell erfolgreich waren. Wir schufen Firmenwerte von über 1 Milliarde Dollar. Im Fall von Sirtris habe ich gelernt, wie es ein Ein-Mann-Start-up an die Börse schafft.
Ich bin finanziell an verschiedenen Start-ups beteiligt, schreibe Bücher, die weltweit verkauft werden, sitze in Verwaltungsräten, in Beiräten und trete an Longevity-Konferenzen auf. Und ich arbeite jeden Tag hart daran, ein wirksames Medikament gegen den Alterungsprozess zur Marktreife zu bringen. Als Forscher definiere ich Erfolg als die Entwicklung eines Medikaments, welches das Leben vieler Menschen verbessert. Bücher und wissenschaftliche Studien sehe ich als Etappen auf diesem Weg.
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Nein. Ich steckte das Geld in Forschung und Start-ups, von denen ich einige buchstäblich in meiner Garage gegründet habe. Das ist mein Prinzip: Ich investiere in Forschung und möchte einen Mehrwert für die Gesundheit der Menschen schaffen.
Das stimmt und hat auch mit dem Risikoprofil und dem langen Zyklus zu tun, den ein Medikament durchlaufen muss, bis es marktfähig ist. Dies dauert Jahre, während bei künstlicher Intelligenz die Schritte schneller sichtbar werden. Das bedeutet, dass Investoren mehr Geduld haben müssen. Wer jedoch in der Biotechnologie aufs richtige Medikament setzt, landet einen Supertreffer. Nehmen Sie Novo Nordisk als Beispiel: Der Erfolg mit der Injektion zur Gewichtsreduktion veränderte die Wirtschaft Dänemarks.
«Ich esse kaum noch Zucker, kein Fleisch, dafür viele pflanzliche Lebensmittel.»
Das stimmt, aber wenn eines erfolgreich ist, kann die Bewertung mehrere Milliarden erreichen. Wie gesagt, ich bin nicht an Renditen interessiert, sondern an etwas Bahnbrechendem für die Menschheit. Deshalb investiere ich mein Geld in ein breites Portfolio. Gleichzeitig führe ich keinen extravaganten Lebensstil, brauche keine Jacht, und mein Tesla 3 ist in die Jahre gekommen. Zudem muss ich meinen drei Kindern auch keine Millionen hinterlassen.
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Ich habe meine Ernährung radikal umgestellt, esse kaum noch Zucker, kein Fleisch, dafür viele pflanzliche Lebensmittel, trinke keinen Alkohol, lasse eine Mahlzeit am Tag aus. Das meiste davon habe ich von meiner Partnerin Serena Poon, die zertifizierte Ernährungsberaterin und eine bekannte Longevity-Expertin ist. Sie hat mir geholfen, meine Essgewohnheiten zu ändern. Ich erinnere mich noch, als sie zum ersten Mal meine Küche betrat und ihre Kommentare zu den Essvorräten abgab – die waren nicht durchwegs positiv. (lacht)
Ich lasse jedes Jahr einen Ganzkörper-Scan zur Krebsvorsorge machen. Ausserdem treibe ich Sport und halte meinen Body-Mass-Index zwischen 23 und 25. Ich mache viele Tests, darunter Bluttests, um meinen Körper besser zu verstehen, und prüfe kontinuierlich die Auswirkungen.
Ja, meistens fünf Tabletten pro Tag, maximal 25. Ausserdem nehme ich täglich 1 Gramm NMN und Resveratrol sowie Vitamin D, K2 und eine minimale Dosis Aspirin.
Ich habe keine Angst vor dem Tod. Mein einziges Anliegen ist es, meine Mission zu erfüllen. Und je länger ich lebe, desto mehr können wir erreichen. Ich möchte ein Vorbild sein, andere inspirieren und als Forscher etwas Grosses erreichen. Deshalb habe ich nicht vor, bald zu sterben. Wer glücklich ist, spannende Freunde hat und gesund ist, hat mir noch nie anvertraut, dass er bald sterben möchte.
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Es ist motivierend, ein langes Leben führen zu können. Ein Zitat von Woody Allen bringt es auf den Punkt: «Ich möchte nicht durch meine Arbeit Unsterblichkeit erlangen, sondern indem ich nicht sterbe.» (lacht)
Hinweis: David Sinclair ist Präsident des wissenschaftlichen Beirats der Schweizer Firma Virtusan, in die auch Ringier – die Herausgeberin der Handelszeitung – investiert ist.
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